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Kein Homeoffice mehr bei AmazonAlles zurück auf Los

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Ab Januar müssen die Mit­ar­bei­te­r:in­nen von Amazon vom Homeoffice zurück ins Büro. Das hat zwar Vorteile, ist aber trotzdem keine gute Idee.

Welcome back: Auf dem Campus der Amazonzentrale in Seattle Foto: imago

A b Januar dürfte in den Büros von Amazon alles wieder so sein wie früher: Jeder Schreibtisch ist besetzt, Kol­le­g:in­nen drängeln sich in den Kaffeeküchen, Che­f:in­nen biegen unangekündigt um die Ecke. Im neuen Jahr reaktiviert das amerikanische Unternehmen, das auch in Deutschland ein wichtiger Arbeitgeber ist, die Präsenzpflicht, die durch die Coronapandemie ausgesetzt war. Damit ist Amazon nicht allein. Immer mehr Firmen weltweit holen ihre Mit­ar­bei­te­r:in­nen aus dem Homeoffice zurück ins Haus. Auch die taz plädiert wieder für mehr Anwesenheit in der Redaktion.

Die Präsenz im Büro hat viele Vorteile: Absprachen sind leichter, wenn man sich gegenüber- oder nebeneinandersitzt. Das spart Zeit und reduziert das Risiko von Missverständnissen. Außerdem ist es viel schöner, im gleichen Raum mit den Kol­le­g:in­nen zu sitzen als einsam am Schreibtisch daheim.

Mitunter ist es auch gerechter. Man kennt das aus den Pandemiejahren: Im Homeoffice kann man sich so schön wegducken und andere umso mehr arbeiten lassen, denn ei­ne:r muss es ja machen. Im Büro geht das nicht, da ist die Kontrolle größer.

Trotzdem ist die Rückkehr zur kompletten Präsenzpflicht keine Option. Die Coronajahre haben gezeigt, dass auch im Homeoffice gearbeitet wird, manche Kol­le­g:in­nen bringen sogar bessere Leistungen, weil sie nicht abgelenkt werden. Umfragen haben ergeben, dass sich eine große Mehrheit eine Mischform, in der Regel die 60:40-Formel, wünscht an drei Tagen im Büro, zwei Tage zu Hause (in Teilzeit entsprechend weniger). Man spart sich Arbeitswege, steckt sich seltener an, denn Erkältete husten im Homeoffice statt im Büro, und auch die Family-Work-Balance lässt sich leichter austarieren.

Das heißt indes auch, sich im Homeoffice selbst zu disziplinieren: das Tagesprogramm sorgfältig abarbeiten, aber ebenso Privatleben und Job voneinander trennen. Das alles funktioniert nur, wenn keine Seite die andere ausnutzt, es ist ein Abkommen, das auf Vertrauen setzt – und auf die regelmäßige persönliche Begegnung im Büro. Die ist nämlich nicht oldschool, die ist menschlich notwendig.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • Für mich ist so ein Großraumbüro zu viel Hektik, ich arbeite in der IT an Lösungen, die ich nicht einfach überall reproduzieren kann und in die ich mich oft erst reinarbeiten muss. Ich verschiebe die Denkarbeit dann auf die Zeit, in der ich zuhause arbeite, bekomme eigentlich im Büro so gut wie nichts gelöst.



    Ich habe auch z.B. gar keinen festen Arbeitsplatz mehr. Es gäbe gar nicht genug für alle. Das ist nicht einladend.

    Das Arbeitspensum selbst ist bekannt und die Zuständigkeiten sind geklärt und online abgesprochen, es wird sich wöchentlich über Fortschritte und Hürden ausgetauscht. Das sähe in Präsenz nicht anders aus.



    Wenn man sich die Absprachen spart, dann liegt das Problem im Management.



    Das selbstständige, konzentrierte Arbeiten ist aber auch notwendig, um Fortschritte zu machen. Am besten in der Form, die für die jeweilige Person am besten funktioniert.

  • Unsere "SalesForce", verteilt auf ganz Deutschland, macht seit mehr als 20 Jahren Homeoffice. Und siehe da, es funktioniert nach wie vor. Und es hat auch funktioniert als es noch kein Teams etc. gab, sondern einfach nur E-mail und Telefon.

    Richtig organisiert und mit einem Grundvertrauen auf beiden Seiten und mit MitarbeiterInnen, die diese sich ergebenden Freiheiten gerne nutzen sollen, aber auch am Ende des Tages ihre Ziele erfüllen, kann und muss das funktionieren.

    Ich spare mir jeden Tag 1,5h mindestens Fahrzeit und den Sprit für 68 km hin und zurück stop and go.

    Dieses Vertrauen meines AG und die Zeithoheit zu haben resultiert in volle Motivation und Mehrleistung.

    Büropflicht ist Misstrauen und Mittelalter. Ja, bei gewissen Projekten und Aufgaben macht es Sinn, vor Ort zu sein. Und letztendlich auch zugegeben, wenn ich mal in der Firma 1 oder 2 Tage bin habe ich schon ein anderes Infolevel, und sei es nur der Flurfunk.

  • In unserem Unternehmen wurde das Homeoffice von einer Minderheit ausgenutzt. Deswegen müssen alle wieder ins Büro kommen. Das ist extrem ärgerlich - leider auch nachvollziehbar.

  • Es ist viel schöner im gleichen Raum mit den KollegInnen zu sitzen als zu Hause? Die Menschen sind doch sehr verschieden.

  • 100% Homeoffice im Coronajahr haben gezeigt, dass die Verpflichtung, wieder ins Büro zu kommen, Bullshit ist. All die Pseudoargumente (nennt sich bei uns "Kreativer Austausch", obwohl Kreativität null gefragt ist) sind nur vorgeschoben, weil der AG Angst hat, dass ein paar Mitarbeiter im Homeoffice nicht 100% geben, aber die Leistungsverweigerer sind auch im Büro kaum produktiver und ich gleiche deren Underperformance gern durch weit überdurchschnittliche Leistungen aus, wenn ich sie denn im Homeoffice verbringen kann. Rechnerisch kostet mich jeder Tag im Büro durch Zeit, Kilometerkosten fürs Auto und Garagenmiete (nein, der unzuverlässige ÖPNV ist bei zusätzlichem Zeitverlust von einer Stunde pro Tag keine Alternative und das Rad erst recht nicht) nach Abzug der Stromkosten 30 € netto (=55 € Brutto) mehr, als wenn ich im Homeoffice arbeite. Bei den 50% Anwesenheitspflicht sind das über 6000 Euro pro Jahr , die mir durch die Büropflicht entgehen. Der Arbeitgeber verliert ebenfalls massiv Geld, durch Wegezeit im Hause, Arbeitsplatzkosten und dauerquatschende Kollegen, die mich von der Arbeit abhalten, ist aber zu dämlich, das zu begreifen, selbst wenn man es ihm präzise erklärt.