Ende der Homeoffice-Pflicht: Win-win mit Abstrichen
Das Arbeiten in den eigenen vier Wänden ist bequemer, umweltfreundlicher und kostengünstiger. Auf der Strecke bleiben Klatsch und Schwarmintelligenz.
M it dem Homeoffice ist es wie mit anderen Coronaregeln auch: Gilt irgendwie, aber irgendwie auch nicht mehr. Aktuell ist das Arbeiten in den heimischen vier Wänden zwar keine Pflicht mehr. Eine eindeutige Vorgabe, ab jetzt wieder im Büro erscheinen zu müssen, gibt es aber auch nicht. Die Unternehmen sollten Homeoffice „weiter in Erwägung“ ziehen.
Und das ist auch gut so. Denn das Pandemiegeschehen – das Robert-Koch-Institut meldet für Dienstag eine 7-Tage-Inzidenz von 1.733,4 Neuinfektionen – lässt eine Rückkehr zum Alltag schlicht noch nicht zu. Dazu gehört eine coronabedingte Wahlfreiheit: Ich arbeite sicherer zu Hause, wenn sich im Büro zu viele Menschen aufhalten.
Diese Praxis hat sich so stark bewährt, dass viele Unternehmen das Hybridmodell – mal Homeoffice, mal Büro – auch nach der Pandemie beibehalten wollen. Das nutzt allen: den Arbeitnehmer:innen, die sich den Arbeitsweg sparen (vor allem bei Regen und Schnee), den Unternehmen, die weniger Geld für Büroflächen ausgeben müssen, der Umwelt, die durch eine geringere Pendelei zumindest ein bisschen entlastet wird.
Was sich viele Büroangestellte zu Beginn der Pandemie nicht vorstellen konnten, ist Realität geworden: Menschen arbeiten sehr gern zu Hause. Zwei Drittel der Berufstätigen, die zu Hause arbeiten können, wollen laut einer ADAC-Umfrage weiterhin oft im Homeoffice sein, ein Viertel würde seinen Homeoffice-Anteil am liebsten noch erhöhen.
Entgegen der allgemeinen Vermutung, dass die innerbetriebliche Kommunikation im Außerhausbetrieb leiden werde, ist das Gegenteil eingetreten: Es wird so viel gemailt, telefoniert, gezoomt wie nie zuvor. Für das Betriebsklima ist das trotzdem nicht in jedem Fall förderlich. Zu Hause ist man mit sich allein. Dort hat man zwar Ruhe vor anstrengenden Kolleg:innen, was die Lebensqualität bisweilen erhöht.
Doch fernab der kollektiven Schwarmintelligenz leidet die Kreativität und der soziale Zusammenhalt sowieso. Der Klatsch in der Kaffeeküche ist genauso wichtig wie das Chefinnengespräch und die rasche Absprache über den Tisch. Das hybride Modell ist die Zukunft der Büroarbeit – sie hat schon begonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“