Karlsruhe stoppt EU-Wiederaufbaufonds: Verheerende Entscheidung
Mit 750 Milliarden Euro aus Schulden will die EU wieder auf die Beine kommen. Doch das Bundesverfassungsgericht blockiert.
Doch dann gab das Bundesverfassungsgericht am Freitagnachmittag überraschend der Verfassungsbeschwerde einer Gruppe um den früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke statt und untersagte dem Bundespräsidenten, das deutsche Ratifizierungsgesetz zum Finanzierungssystem der EU bis zum Jahr 2027 auszufertigen. Dies gelte, bis der Zweite Senat über einen mit der Beschwerde verbundenen Eilantrag entschieden hat, heißt es aus Karlsruhe. Damit ist auch der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Wiederaufbaufonds gestoppt.
Diese Entscheidung aus Karlsruhe stößt vor allem in Ländern Südeuropas auf Unverständnis. Mit dem Instrument einer gemeinsamen Verschuldung aller EU-Staaten sollte nichts Geringeres als der Neustart der Wirtschaft in der Zeit nach der Pandemie finanziert werden, empörte sich die spanische Zeitung El País in ihrer Sonntagsausgabe. Dieser Neustart werde nun von den deutschen Klägern torpediert. Denn schon eine bloße Verzögerung der Hilfsgelder sei ein schwerer Schlag für die vor allem in Südeuropa gebeutelten Volkswirtschaften.
Eine endgültige Blockade wäre gar eine Katastrophe, kommentiert El País. Sie würde die Glaubwürdigkeit der EU ernsthaft gefährden. Von einem „Damoklesschwert des Karlsruher Gerichts“, das über der europäischen Integration hänge, schreibt auch die italienische Zeitung La Stampa. Im Interview mit der taz hatte der Ökonom Adam Tooze die Entscheidung von Karlsruhe schon am Freitag als einen Eingriff bezeichnet, der „angesichts der Bedeutung kaum zu fassen“ sei.
Ex-AfDler Lucke ist wieder aktiv
Eingereicht hatte die Klage eine Gruppe um Lucke mit dem Namen „Bündnis Bürgerwille“. Sie sind der Ansicht, dass eine gemeinschaftliche Verschuldung nicht zulässig sei. „Die EU ist vertraglich verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen“, erklärte der Vorsitzende des Bündnisses, Ravel Meeth. Eine Schuldenfinanzierung in dieser Höhe sei „ein krasser Vertragsbruch“. Meeth betonte, die Klage richte sich nicht gegen die Ausgaben an sich. Aber jeder Mitgliedstaat müsse die benötigten Mittel auf eigene Rechnung zur Verfügung stellen.
Über die Gründe seiner Entscheidung äußerte sich das Bundesverfassungsgericht bislang nicht. Ein Gerichtssprecher ließ auch offen, wann über den Eilantrag entschieden werde. Ein Problem für die EU-Kommission: Sie kann mit der Aufnahme der Kredite und der Auszahlung erst beginnen, wenn alle 27 Staaten den Beschluss ratifiziert haben.
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