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Karl Lauterbach schlägt vorMehr Abstand zwischen Impfungen

Vor dem Bund-Länder-Gipfel veröffentlicht der SPD-Politiker einen neuen Plan mit Kollegen. Demnach könnte man effektiver und mehr Menschen impfen.

Mit einem neuen Strategiepapier prescht er vor dem Bund-Länder-Gipfel voran: Karl Lauterbach (SPD) Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Lockdown-Müdigkeit einerseits, steigende Infektionszahlen andererseits: Wenn sich Bund und Länder am Mittwoch treffen, um über die weiteren Coronamaßnahmen zu entscheiden, stehen Kanzleramt und die Länderregierungen vor schweren Entscheidungen. Denn der Druck auf die Politik, nach mehr als drei Monaten Teillockdown Geschäfte und auch weiterführende Schulen wieder öffnen zu lassen, wird immer größer. Neben dem Einzelhandel erwartet laut Umfragen auch eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Bund und Länder zumindest einen Zeitplan über weitere Lockerungen vorstellen.

Nun legt der Epidemiologe und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zusammen unter anderem mit Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität in Berlin und Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig ein Strategiepapier vor mit Vorschlägen, wie die Infektionszahlen gesenkt werden können und trotzdem Öffnungsschritte möglich sind.

Konkret schlagen sie vor, die zweite Dosis, die bei den drei bislang in der EU zugelassenen Impfstoffen von Bion­tech, Moderna und AstraZeneca benötigt werden, erst am Ende des jeweils zugelassenen Spielraums zu verabreichen. Sie berufen sich auf jüngste Untersuchungen, wonach die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna rund zwei Wochen nach der ersten Impfung bereits ausreichend vor schweren und tödlichen Verläufen schützen.

Es würde daher ausreichen, wenn die zweite Impfung mit den Vakzinen von Biontech und Moderna erst nach sechs Wochen verabreicht wird. Die Zeit zwischen der Erst- und Zweitimpfung mit dem Stoff von AstraZeneca ließe sich sogar auf zwölf Wochen strecken. Vor dem Hintergrund der aktuellen Impfstoffknappheit könnten auf diese Weise in den nächsten Wochen mehr Menschen zumindest teilweise immunisiert werden.

Das Gesundheits­ministerium plant zwei kostenlose Schnelltests pro Woche für alle

Lauterbach geht davon aus, dass durch eine Umstellung der Impfstrategie je nach Verlauf der dritten Welle zwischen 8.000 und 14.000 Covidtote allein in Deutschland verhindert werden. Unter KollegInnen findet der Vorschlag Zustimmung. „Ich war zunächst skeptisch bezüglich verlängerter Impfintervalle“, twittert die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf. „Die inzwischen extrem guten Daten nach der 1. Impfung haben mich aber inzwischen überzeugt.“

Und auch Deutschlands Kassenärzte fordern, dass die Länder ihre Impfprogramme dringend entbürokratisieren sollten. Bis Ostern könnten ihren Berechnungen nach mehr als 2 Millionen zusätzliche Erstimpfungen gespritzt werden, wenn keine Impfdosen mehr für Zweitimpfungen zurückgelegt werden. Bis zum Beginn der Sommerferien in den ersten Ländern könnten es sogar mehr als 7,5 Millionen sein. Demnach könnten dann 58 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung erhalten – nicht 47 Prozent, wie bisher geplant.

Maske und Schnelltests im Einzelhandel

Großbritannien verfährt bereits so. Mehr als 20 Millionen Menschen haben bis Montag bereits eine erste Impfdosis verabreicht bekommen. Die zweite Dosis haben erst rund 760.000 Menschen erhalten. Die Inzidenz ist dort in den letzten Wochen deutlich zurückgegangen.

Über eine zeitliche Entzerrung hinaus fordert Lauterbach zudem, den Impfstoff von AstraZeneca rasch auch bei über 65-Jährigen einzusetzen. Die Ständige Impfkommission hatte aufgrund der aus ihrer Sicht unzureichenden Studienlage bislang davon abgeraten, kündigte vergangene Woche aber an, ihre Empfehlung nun auch auf über 65-Jährige auszuweiten.

Lauterbach plädiert zudem für ein Testprogramm, wonach an Schulen und in Betrieben alle Menschen mindestens einmal pro Woche mithilfe von geschultem Personal einen Schnelltest machen sollen. Wer ein negatives Ergebnis habe, solle anschließend mit dem Nachweis einen Tag lang in Geschäfte gehen dürfen. Dadurch könnten die Läden zeitnah öffnen, natürlich weiterhin mit Maskenpflicht, wird Lauterbach im Spiegel zitiert. Wie am Montag bekannt wurde, plant das Bundesgesundheitsministerium zwei kostenlose professionell abgenommene Schnelltests pro Woche für alle Bürger. Auch darüber sollen Bund und Länder am Mittwoch entscheiden.

Derweil geht das Rätselraten weiter, warum trotz Millionen auf den Impfstoff wartender Bür­ge­r*in­nen sich weiter große Mengen AstraZeneca-Vakzine in den Kühlschränken der Bundesländer stapeln. Bis vergangenen Freitag wurden laut Robert-Koch-Institut nur 364.000 Dosen davon verimpft, aber 1,4 Millionen Dosen geliefert. Weitere 1,7 Millionen AstraZeneca-Dosen kamen am Samstag dazu. Die einen sehen die Hauptgründe in einer ablehnenden Haltung vieler Menschen diesem Präparat gegenüber, weil es eine etwas geringere Wirksamkeit als die Impfstoffe von Moderna und Biontech hat; dabei schützt auch das Vakzin von AstraZeneca vor schwerer Erkrankung. Die anderen vermuten mangelnde Organisation der Impfungen in den Bundesländern.

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10 Kommentare

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  • "Klingt wenigstens mal wie ein Plan. Meiner Meinung nach wäre Lauterbach inzwischen in fast jeder Hinsicht ein besserer Gesundheitsminister als Spahn, das muss man einfach mal sagen."

    Sehr gut. Man merkt, dass Lauterbach seine Kampagne für seine Anwartschaft auf den Posten des Bundesministers auf allen Ebenen vorantreibt. Auch mit der Leserbriefmethode.

    • @Frank Naumann:

      Well, hello, there, Jens "Frank Naumann" Spahn ;)

    • @Frank Naumann:

      Ein Blick, oder besser Klick, auf den Benutzernamen hätte gereicht, um zu wissen und nicht zu glauben. Aber dann wäre die schöne VT nicht unters Volk gekommen, nicht wahr?

    • @Frank Naumann:

      Ich möchte Herr Lauterbach seine Kompetenzen nicht absprechen, aber was Sie hier huldigen ist eher sein tw. populistisches Auftreten als seine Kompetenz.

    • @Frank Naumann:

      "Klingt wenigstens mal wie ein Plan. Meiner Meinung nach wäre Lauterbach inzwischen in fast jeder Hinsicht ein besserer Gesundheitsminister als Spahn, das muss man einfach mal sagen." Soweit so gut… Ihre weitere Interpretation ist einfach mehr als unsachlich.



      „Sehr gut. Man merkt, dass Lauterbach seine Kampagne für seine Anwartschaft auf den Posten des Bundesministers auf allen Ebenen vorantreibt. Auch mit der Leserbriefmethode.“



      Ich empfinde Ihre Aussage nicht Zielführend, vielmehr als diffamierend. Es ist unlauter, allen PolitikerInnen zu unterstellen, sie seien auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Bei Ihrer Einstellung wird die Demokratie es sehr schwer haben, eine Chance zu haben, an sie zu glauben.

  • Klingt wenigstens mal wie ein Plan. Meiner Meinung nach wäre Lauterbach inzwischen in fast jeder Hinsicht ein besserer Gesundheitsminister als Spahn, das muss man einfach mal sagen.

    Zu den verzögerten Booster-Impfungen: Inzwischen hat sich in etlichen Ländern gezeigt, dass die Wirksamkeit der Erstimpfung über die Wochen auch ohne zweite Impfung noch lange weiter steigt. Es liegen inzwischen aus der Impf-Praxis sehr viel mehr (und differenziertere) Daten vor als aus allen Studien, die sollte man dann bitte auch zur Entscheidungsfindung benutzen.

    Zu AZ: Das ist auch so ein Ding. Dieser Impfstoff schützt scheinbar nicht ganz so gut gegen jegliche symptomatische Erkrankung, aber nach Daten aus Schottland mit einer halben Million Geimpften schützt er auf Dauer sogar deutlich besser gegen schwere Erkrankungen (also Fälle, die nicht zuhause auskuriert werden können) als BionTech, und zwar unabhängig vom Alter! Warum das keiner haben will, ist mir absolut schleierhaft. Würde ich sofort nehmen. Zumal dieser Impfstoff sehr viel unproblematischer auch von Hausärzten zu verimpfen ist.

    Alles in allem mag hier viel schiefgelaufen sein, aber wenn wir jetzt nicht alles falsch machen, bin ich momentan eher zuversichtlich, dass wir da mit einem blauen Auge davon kommen können. Das größte Problem wird auf Dauer vielleicht sogar der Vertrauensverlust in die Behörden und die Regierung und unsere föderalistische Demokratie sein. Schlimm genug. Denn DAS hätte wirklich besser klappen können und Spahn trägt daran keinen kleinen Anteil. Lauterbach gar keinen.

    • 0G
      05838 (Profil gelöscht)
      @Mustardman:

      "Meiner Meinung nach wäre Lauterbach inzwischen in fast jeder Hinsicht ein besserer Gesundheitsminister als Spahn, das muss man einfach mal sagen."

      Ich bin kein Fan von Herrn Lauterbach, wertschätze aber sein Fachwissen.

      Mir ist es eh ein Rätsel, weshalb ein Fachminister nie vom Fach sein darf.

      In Deutschland hätte ein Metzger bessere Chancen, Wissenschaftsminister zu werden als ein Ingenieur.

      Sarksasmus off.

      • @05838 (Profil gelöscht):

        Wie Wahr...

      • @05838 (Profil gelöscht):

        Ja, das ist einfach ein Problem unserer Schönwetterdemokratie, in der Politiker halt Karriere in ihrer Partei machen, bis sie dann weit genug nach oben geblubbert sind, dass sie Minister werden dürfen, wenn ihre Partei regiert.

        Damit bekommt man Parteipolitik-Experten, die von sonst nichts Ahnung haben. Das geht solange halbwegs gut, wie alles halt irgendwie funktioniert, auch wenn man nix macht. Schönwetterlage halt. Wenn die vorbei ist, braucht man Leute, die mit Ahnung und Leidenschaft ihren Job machen und die sind dann schwer zu finden, und in ihrer Partei sind sie eh verrufen.

        Es gibt ein paar Länder, die in dieser Pandemie deutlich besser weggekommen sind, und da ist es auffällig, dass da überall Experten an den richtigen Stellen sitzen, die wissen, worum es geht und die dann auch nicht auf Stimmen schauen, sondern erstmal das tun, was schlicht notwendig ist. Kommt dann komischerweise bei den Wählern auch gut an, zumal dann logischerweise auch die Ergebnisse stimmen.

        • 0G
          05838 (Profil gelöscht)
          @Mustardman:

          Es ist ja nicht so, dass es für diese Verfahrensweise demokratische Mehrheiten gäbe.