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Kanzler Scholz besucht Joe BidenDie Chance des Zögerers

Kommentar von Mirko Schmid

Olaf Scholz' Besuch bei Biden wäre eine Gelegenheit für klare Worte in der Ukrainekrise. Auch der Gastgeber braucht einen starken Auftritt.

„Wo ist Olaf Scholz“ hat es in die Kommentare der US-Medien geschafft (Archivbild) Foto: Michael Kappeler/dpa

O laf Scholz' Antrittsbesuch in Washington steht unter denkbar schlechten Vorzeichen. Im Kreis der Verbündeten ist die Enttäuschung groß darüber, dass der deutsche Bundeskanzler in der Ukrainefrage auf Zeit spielt. Das geflügelte Wort „Wo ist Olaf Scholz“ hat es in die Kommentare des seriösen Teils der US-Medienlandschaft geschafft, die Erwartungen in den USA an den Antrittsbesuch des Sozialdemokraten sind mit „gering“ noch euphemistisch umschrieben.

Ihm gegenübersitzen wird ein US-Präsident, dessen Regierungsführung rund ein Jahr nach Amtsantritt vor allem durch mangelnde politische Durchsetzungskraft geprägt ist, der sowohl innen- als auch außenpolitisch taumelt. Desaströse Umfragewerte begleiten Bidens überschaubare Erfolge. Und selbst wohlmeinende Demokraten zuckten zusammen, als ihr Präsident öffentlich in Aussicht stellte, dass ein „geringfügiger Einmarsch“ Russlands in die Ukraine „möglicherweise keine starke internationale Reaktion“ nach sich zöge.

Auch wenn Außenminister Antony Blinken umgehend versuchte, den durch seinen Chef verursachten Schaden zu begrenzen und pflichtschuldig betonte, dass die USA eine jedwede Invasion nicht duldeten, lieferte Biden wieder einmal Futter für Hohn und Spott. Nun also kommt es mit einiger Verzögerung zum Gipfeltreffen der Zögerer und Zauderer: Zwei sowohl im Inland als auch auf dem diplomatischen Parkett angezählte Männer wollen irgendwie in die Offensive.

Klare Kante zeigen

Scholz muss daran gelegen sein, dass seine Visite an der Pennsylvania Avenue nicht zum bilateralen Beiwerk der parallel stattfindenden Tagung des EU-USA-Energierats verkommt. Zu sehr hat der Kanzler zuletzt die Dinge schleifen lassen und willfährig mitangesehen, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die exklusive Meinungsführerschaft der EU für sich reklamierte.

Obwohl Scholz' Antrittsbesuch als deutscher Regierungschef in der Medienlandschaft der USA kaum über den Status einer Randnotiz herauskommt, bietet sich für den Kanzler doch eine besondere Gelegenheit: Die Gespräche mit Joe Biden kann, nein muss der Sozialdemokrat nutzen, um endlich klare Kante zu zeigen.

Um öffentlich eine rote Linie zu ziehen und ohne rhetorische Umschweife Konsequenzen zu benennen: Setzt Russland auch nur eine Stiefelspitze in die Ukraine, dann kann und darf es eine Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 nicht geben. Die staatsmännische Zurückhaltung und Gelassenheit, die Scholz im Wahlkampf ins Kanzleramt gespült hat, hat ausgedient. Der Kanzler hat Führung versprochen, nun muss er auch liefern.

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CvD/Nachrichtenchef
Chef vom Dienst und Autor. Arbeitet seit 2022 für die taz. Mag Meinung und kommentiert politische Themen mit Hang zum Ausland (vor allem USA). Schrieb vor der taz für die Frankfurter Rundschau. Hat davor Onlinejournalismus an der Hochschule Darmstadt studiert.
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ganz schlimm dieses Zögern und Zaudern! Anstatt, dass man mit Verve das klare Kantholz nimmt und Zar Putin eine über brät... solchen Kommentaren kann man nur mit Ironie



    begegnen. Irgendwann haben es die Scharfmacher geschafft und eine Situation geschaffen, in der aus öffentlichem Druck politischer Handlungsdruck entsteht. Erst dann werden manche merken, dass Russland in Europa liegt, die USA aber nicht.

  • Die rote Linie steht bereits: Deutschland liefert keine Waffen in Spannungsgebiete. Die Gas-Pipeline sollte endlich fertig werden.

  • Den ständigen Ruf nach "roten Linien" und die damit einhergehenden Drohungen... sind die nicht langsam lächerlich? Warum sollte sich Olaf Scholz in die Reihe der aufgeschäuchten Hühner mit ihren äaus der Hüfte geschossenen Schnellfeuerkommentaren einreihen? Ruhe und Besonnenheit ist gefragt.

  • "Setzt Russland auch nur eine Stiefelspitze in die Ukraine, dann kann und darf es eine Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 nicht geben. Die staatsmännische Zurückhaltung und Gelassenheit, die Scholz im Wahlkampf ins Kanzleramt gespült hat, hat ausgedient. Der Kanzler hat Führung versprochen, nun muss er auch liefern."



    Das sehe ich auch so.



    Der Kreml muss seine Truppen von der Ukraine zurückziehen und seine hybride Kriegführung beenden.

  • Naja, etwas 'bissig' was Mirko Schmid da in die Arena wirft?



    Der Herr Scholz hat ja selber der Popularität des "blinden Aktivismus" in der Politik eine Absage erteilt!...



    .. und ist bemüht, einen 'gerechten Frieden'... und Abwesenheit von Krieg und Zerstörung in Europa zu realisieren!

  • RS
    Ria Sauter

    Was ist los mit den Medien?



    Was ist los mit Ihnen, Herr Schmid?



    Die Forderung nach einem starken Führer irritiert schon sehr!



    Es ist im Gegenteil symphatisch, einen Kanzler zu haben, der nicht tagtäglich sein Gesicht in die Kamera halten muss.



    Wir haben eine Außenministerin, die sich geäußert hat und das reicht.



    Dieses Säbelrasseln in den Medien trägt nicht zur Beruhigung bei.



    Nach den USA ist Deutschland der zweitgrößte Geldgeber der Ukraine. Das reicht doch wohl als Hilfestellung. Ich persönlich frage mich, warum und wieso und vor allen Dingen wohin die vielen Millionen fliessen.



    Bei uns sind die Schulen marode, viele Arbeiter:innen und Rentner;innenkommen mehr schlecht als recht mit ihrem Einkommen zurecht, und wir schaufeln Millionenbeträge ins Ausland zur Unterstützung und es reicht dort immer noch nicht.



    Bei all dem Kriegsgeschreibsel der Verbündeten muss Putin fast einmarschieren, um sein Gesicht nicht zu verlieren.

  • "...mitangesehen, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die exklusive Meinungsführerschaft der EU für sich reklamierte."

    Ich weiß nicht, ob dieser chauvinistisch - nationalistische Blickwinkel nur einen Hauch dazu beiträgt, die Möglichkeiten der deutschen Außenpolitik im Ukrainekonflikt zu erörtern.

    Den Scharfmachern sei gesagt, dass die Mehrheit der BundesbürgerInnen die Rolle Deutschlands anders sieht und Waffenlieferungen in ein Krisengebiet nicht will.



    Die Haltung der derzeitigen Bundesregierung ist in dieser Konfliksituation angemessen und richtig. Im Gegenteil: Der diplomatische Auftritt der Ukraine ist mehr als grenzwertig. Die haben keinen Grund, Deutschland an den Pranger zu stellen. Da wurden schon einige Grenzen überschritten.

  • Ja wie? Wat issen nu wieder ditte - wa!

    Der - Cunctator - der exGröfimaz & Große Zögerer!



    Kinnings. Oil of Olaf I. Der geht doch eher durch ein Nadelöhr!



    Als daß er die Elefanten über die Waldkarparten schafft. Gelle.



    Zumal er ja immer wieder zum Knarren des Holzgewindes immer so süß in die Hände pascht & “Alle“* - ruft!



    “Sehnse - wie bei wirecard - keine Elefanten da!“

    Na Servus

    unterm—— * aus dem Skat => servíce —



    Meine ganz ganz früher Freundin gönnte sich - liiert mit Männe - einen langen langen Mittagsschlaf - nicht weiter auf Kiekser & Glucksen achtend!



    Bis begeistertes in die Hände Patschen - das “Alle!“ begleitend - Erscholl - 🧝‍♂️ -



    Und die bekannten riesigen flaschengrünen Bouteilles-Bodenvasen der 70er - mit Enghals: Randvoller Match-box Autos 🚗 waren! 🙀😱

    Na Mahlzeit

  • Für mich ist nicht die Frage, ob Worte nach den Maßstäben von Medien und erst recht nicht nach dem gefühlten Druck der Straße 'klar' oder 'zurückhaltend' sind, sondern ob sie, ausgesprochen oder nicht, ihren definierten Zweck erfüllen. Zum Beispiel zur Deeskalation beitragen oder sogar einen Krieg erschweren, bestenfalls verhindern. Wenn dies sogar auch Deutschland nützt, why not?



    Ich staune, wie seriöse Medien und Journalist*innen nicht resilient genug sind, einen von Putin angezettelten Nervenkrieg zu durchschauen und auszuhalten und stattdessen wie übersprungshandelnd in ein von Russland gewünschtes kollektives Rumoren verfallen und von Papa Scholz starke Worte fordern.



    Man sollte schon ein bisschen cooler sein, wenn man sich mit Putins Strategien einlässt, finde ich. Sonst ist man ständig in einer Rolle wie Josep Borrell:



    www.sueddeutsche.d...-nawalny-1.5198823