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Kanadierin zu Protest gegen Ceta„Der Widerstand in der EU inspiriert“

Die kanadische Handelsexpertin Sujata Dey bedauert die unkritische Haltung der Kanadier zum Freihandel. Doch bei Ceta hat sie Hoffnung.

In allen Sprachen verständlich – Protest gegen das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU Foto: dpa
Jörg Michel
Interview von Jörg Michel

taz: Frau Dey, glau­ben Sie, dass Ceta je­mals in Kraft tre­ten wird?

Suja­ta Dey: Ceta steht auf der Kippe. Die Wi­der­stän­de sind groß, ganz be­son­ders in Eu­ro­pa. Zu­letzt war die EU ja sogar ge­zwun­gen, Ceta als ge­misch­tes Ab­kom­men ein­zu­stu­fen. Des­halb müs­sen jetzt alle na­tio­na­len Par­la­men­te in der EU zu­stim­men. Mal sehen, wie das aus­geht.

In Eu­ro­pa ist der po­li­ti­sche Wi­der­stand groß, nicht aber in Ka­na­da. Warum?

Ich bin häu­fig in Eu­ro­pa und Deutsch­land un­ter­wegs und finde den cou­ra­gier­ten Wi­der­stand vie­ler Grup­pen dort sehr in­spi­rie­rend. Bei uns in Ka­na­da gibt es auch viele Geg­ner, bei den Ge­werk­schaf­ten, bei Um­welt­grup­pen, bei Land­wir­ten, bei Ur­ein­woh­nern, in vie­len Kom­mu­nen. Lei­der aber fin­den sie in der Öf­fent­lich­keit kaum Gehör. Viele Ka­na­di­er wis­sen nur wenig über Ceta, die Me­di­en be­rich­ten eher ein­sei­tig. Daher tut sich bei uns po­li­tisch kaum was. Im Par­la­ment in Ot­ta­wa hal­ten nur die So­zi­al­de­mo­kra­ten da­ge­gen, doch auch nur halb­her­zig. Au­ßer­dem sind sie an­ge­sichts der Mehr­heits­ver­hält­nis­se macht­los.

Die Re­gie­rung in Ot­ta­wa und alle Pro­vin­zen und Ter­ri­to­ri­en wol­len Ceta un­ter­zeich­nen. Das sieht schon nach einem brei­ten po­li­ti­schen Kon­sens aus – oder?

Ganz so ein­deu­tig ist es nicht. In Neu­fund­land gibt es Wi­der­stän­de gegen die Fi­sche­rei­vor­schrif­ten, in Québec gegen die Re­geln zu öf­fent­li­chen Aus­schrei­bun­gen. Doch wahr ist auch: Es wird wohl nicht rei­chen, um Ceta hier zu stop­pen. Viele Ka­na­di­er glau­ben der Re­gie­rung, dass mehr Frei­han­del au­to­ma­tisch mehr Geld und Wohl­stand bringt. Dabei ist das ein My­thos. Wir set­zen daher große Hoff­nun­gen auf un­se­re Mit­strei­ter in Eu­ro­pa!

privat
Im Interview: Sujata Dey

ist Handelsexpertin des Council of Canadians, eine der größten Nichtregierungsorganisationen Kanadas. Der Council hat über 100.000 Mitglieder und setzt sich seit fast 30 Jahren gegen Handelsverträge wie Nafta, TPP oder CETA ein.

Warum kämp­fen Sie gegen Ceta?

Bei Ceta geht es um mehr als nur Zölle, der Ver­trag dreht sich um eine weit­ge­hen­de De­re­gu­lie­rung, vor allem des öf­fent­li­chen Sek­tors. So dür­fen da­nach un­se­re Ge­mein­den bei Aus­schrei­bun­gen künf­tig keine lo­ka­len Dienst­leis­ter mehr be­vor­zu­gen. Viele Vor­schrif­ten und Stan­dards, die un­se­re Bür­ger schüt­zen sol­len, wer­den ver­wäs­sert, bei der Ge­sund­heits­vor­sor­ge etwa oder auch beim Schutz am Ar­beits­platz. Die Ge­stal­tungs­ho­heit des Staats wird zu­guns­ten der Wirt­schaft ein­ge­schränkt.

Zu­letzt wurde der Ver­trag nach­ge­bes­sert. Neu ist, es soll jetzt keine pri­va­ten Schieds­ge­rich­te mehr geben. Hat das nicht ge­hol­fen?

Das sind doch nur kos­me­ti­sche Kor­rek­tu­ren. Es ist wie bei einem bau­fäl­li­gen Haus, das noch ein­mal schön ge­stri­chen wird, bevor es ein­stürzt. An der Grund­pro­ble­ma­tik än­dern die Kor­rek­tu­ren nichts: Große Kon­zer­ne sol­len eine Art VIP-Sta­tus be­kom­men, denn sie sol­len kla­gen kön­nen, wenn sie sich be­nach­tei­ligt füh­len. Ein­fa­che Bür­ger oder lo­ka­le Dienst­leis­ter aber be­kom­men die­ses Recht nicht.

Könn­te Ceta so ver­bes­sert wer­den, dass Sie es un­ter­stüt­zen könn­ten?

Man müss­te die ganze Her­an­ge­hens­wei­se än­dern und die In­ter­es­sen der Bür­ger vor die In­ter­es­sen der Kon­zer­ne stel­len. Dann wäre das mög­lich, ich sehe aber nicht, dass das pas­siert.

Auch Jus­tin Tru­deau un­ter­stützt Ceta. Dabei sehen in Eu­ro­pa viele in dem ka­na­di­schen Pre­mier einen al­ter­na­ti­ven, links­li­be­ra­len Po­li­ti­ker. Ist der Ein­druck etwa falsch?

Im Ver­gleich zur alten, stramm kon­ser­va­ti­ven Vor­gän­ger­re­gie­rung mag das so er­schei­nen. Jus­tin Tru­deau ist fo­to­gen, welt­of­fen und er lacht viel. Po­li­tisch aber ste­hen er und seine Li­be­ra­le Par­tei in der Mitte, nicht etwa links. Auch wenn er hier und da Kor­rek­tu­ren vor­nimmt, wird er das Land nicht fun­da­men­tal än­dern, schon gar nicht in der Wirt­schafts- oder Han­dels­po­li­tik. Wie Ba­rack Obama ist auch er grund­sätz­lich für den Frei­han­del. Tru­deau un­ter­stützt Ceta und die transpa­zi­fi­sche Part­ner­schaft TPP.

In den USA wächst der Wi­der­stand gegen TPP, nicht zu­letzt dank Do­nald Trump. Füh­len Sie sich ei­gent­lich wohl in sei­ner Ge­sell­schaft?

Es ist eine Iro­nie un­se­rer Zeit, dass aus­ge­rech­net der Multi­mill­iar­där und Kon­zern­boss Do­nald Trump gegen den Frei­han­del ist. Doch der Zu­lauf für Herrn Trump und seine Pa­ro­len zeigt eines: Die Glo­ba­li­sie­rung, wie sie bis­her ab­ge­lau­fen ist, hat viele Ver­lie­rer pro­du­ziert – und das müs­sen wir ernst neh­men.

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2 Kommentare

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  • "In den USA wächst der Widerstand gegen TPP, nicht zuletzt dank Donald Trump. Fühlen Sie sich eigentlich wohl in seiner Gesellschaft?"

     

    Eine **** (engl.: very silly) Frage!

    1. Hitler war für Autobahnen. "Fühlen wir uns eigentlich wohl" auf der Aurobahn?

    2. Trump das personifizierte Böse. Die Seite, die ihm soviel Unterstützung einbringt, fehlt ja dauernd in der Berichterstattung des Mainstreams: nämlich seine Ablehnung der wirtschaftlichen Spielregeln, die den Großkonzernen, den global playern nützen , aber der produzierenden heimischen Wirtschaft, dem Mittelsatand schaden. Hierzulande stürzt man sich auf seine fremdenfeindlichen verbalen Attacken und verschweigt uns die Themen. die in dort beliebt machen.

  • "Hoffnung bei CETA"? Welch fatale Werbung. Schwammige Schlupflochformulierungen geben keine Rechtssicherheit. Ebenso die Schaffung einer Sondergerichtsbarkeit außerhalb jeglicher demokratischen Kontrolle. CETA ist ausverhandelt - also gibts keine weiteren Verhandlungen mehr. So nicht zustimmungsfähig. Nur ein Abkommen, das jeweils die schärfste Norm zur Basis erklärt, wäre akzeptabel und würde ein Normen- und damit Preisdumping und somit auch ein Einkommens- und Sozialdumping nach unten verhindern.