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Kampagne von Israels BotschaftDiplomaten als Wutbürger

Die israelische Botschaft führt eine Kampagne gegen die Nahost-Expertin Muriel Asseburg. Dabei wird diese – ganz undiplomatisch – diffamiert.

Wie diplomatisch ist Israels Botschafter Ron Prosor? Foto: Political-Moments/imago

E s ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass BotschafterInnen verbindlich, sachlich und nicht aggressiv auftreten. Diplomaten sollten auch Distanz zu den inneren Angelegenheit des Landes halten, in dem sie arbeiten. Der US-Diplomat Richard Grenell, von Trump 2018 nach Berlin entsandt, war einer der ersten Botschafter einer rechtsautoritären Regierung, der diesen Code rüde verletzte. Erst bekundete er, dass deutsche Firmen gefälligst keine Geschäfte mit Iran machen sollten, dann, dass es seine Aufgabe sei, Rechte in Europa zu stärken.

Kühle Abwägung durch überhitzte Twitter-Interventionen zu ersetzen, ist ein Zeichen des Verfalls politischer Kultur in Zeiten des Rechtspopulismus. In dieser Linie reiht sich die israelische Botschaft in Berlin ein. Seit Tagen inszeniert sie eine shitstormhafte Kampagne gegen die Nahost-Expertin Muriel Asseburg. Die verharmlose den Terror der Palästinenser und verbreite „Verschwörungsfantasien“ und „Antisemitismus im pseudoakademischen Milieu“. Es sind die üblichen Vokabeln, mit denen die israelische Rechte Kritiker des Besatzungsregimes diffamiert.

Dass sich die israelische Botschaft aufführt wie ein Wutbürger, ist mehr als ein bedauerlicher Verstoß gegen diplomatische Umgangsformen. Er fügt sich in die Strategie der rechten israelischen Regierung, in Berlin kritische Stimmen zu bekämpfen. Es führt eine gerade Linie von Netanjahus Non-Paper, in dem eine Jerusalem-Ausstellung in einem Berliner Museum als „propalästinenisch“ diffamiert wurde, über die Attacken der Botschaft gegen eine taz-Journalistin bis zu den jetzigen wüsten Angriffen.

Asseburg, die beim von der Bundesregierung finanzierten Thinktank SWP arbeitet, gehört zu den wenigen anerkannten deutschen Stimmen, die laut aussprechen, dass das Westjordanland besetzt ist – und kein „umstrittenes Gebiet“ ist, wie die offizielle Lesart der israelischen Regierung lautet. In dem von der israelischen Botschaft skandalisierten Interview bei „Jung und naiv“ weist sie darauf hin, dass es völkerrechtlich legitim ist, ­gegen Besatzung Widerstand zu leisten, wenn deren Ende unabsehbar ist. Das ist bei der mehr als 50 Jahre währenden israelischen Besatzung der Fall.

Gewalt ist nicht zielführend

Auch in den Autonomiegebieten, die unter palästinensischer Verwaltung stehen, setzt die israelische Regierung ihre überlegene Waffengewalt nach Gutdünken ein, wie jüngst in Jenin. Das geschieht, obwohl die palästinensische Autonomiebehörde eine polizeiliche Zusammenarbeit mit Israel pflegt, die ihr Ansehen in der eigenen Bevölkerung weitgehend ruiniert hat. Israel kontrolliert die palästinensischen Gebiete faktisch vollständig. Seine militärische, politische, ökonomische und juristische Überlegenheit ist überwältigend.

Wer solche Fakten ausspricht, wird oft mit unlauteren Mitteln angegriffen. In der FAZ sekundiert Jürgen Kaube der Kampagne der Botschaft mit der Unterstellung, dass es für Asseburg „zulässig, legal und legitim ist“, wenn Palästinenser „Molotowcocktails auf Besatzer werfen“. Dabei betont Asseburg in dem Interview, dass sie „Gewalt gegen israelische Besatzer für nicht zielführend“ hält.

Es ist kennzeichnend für solche Verunglimpfungen, dass Abwägungen und Grautöne ausradiert und durch Zuspitzungen und Verdrehungen übermalt werden. Wo mit Dreck geworfen wird, bleibt immer etwas kleben. Die israelische Friedensbewegung kennt dieses Verfahren: Yehuda Shaul, Gründer der israelischen Soldatenorganisation „Breaking the Silence“, sagt: „Es ist traurig zu sehen, dass die israelische Botschaft in Berlin zu den gleichen Mitteln greift wie die extremsten Parteien in unserer Regierung.“

Die rechte Regierung in Jerusalem versucht derzeit in Israel die Demokratie zu beschneiden. Seit Monaten demonstrieren Hunderttausende, um den Obersten Gerichtshof und die Gewaltenteilung in Israel zu verteidigen. Am Montag hat die Regierung in der Knesset in erster Lesung ein Gesetz beschlossen, das die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs massiv beschränkt.

Keine Solidarität ohne Kritik

Die Angriffe der israelischen Botschaft auf Asseburg führen vor Augen: Man kann mit der teils rechtsextremen und offen rassistischen Regierung in Jerusalem nicht mehr unverbrüchlich solidarisch sein. Sie ist Teil einer weltweiten autoritären Rechten, die auf die Abschaffung der Demokratie und die Herrschaft der Fake News zielt.

Im Fall Israels heißt das auch, dass das Recht der PalästinenserInnen auf Rechte und einen zivilen bürgerlichen Status einfach bestritten wird. Deshalb werden Wissenschaftlerinnen wie Asseburg, die auf palästinensischen Rechten beharren, mit Schmähungen überzogen. Ein rechtsextremer Israeli hat Asseburg auf der Straße aggressiv als „antisemitische Hexe“ beschimpft. Das ist kein Ausrutscher. Es enthüllt den Kern dieser Kampagne: Hass, Hetze, Einschüchterung.

Wir sind gleichzeitig überzeugt, dass Deutschland eine besondere Nähe zu Israel haben muss. Eine Regierung in Berlin, die in der EU an die Spitze der Israel-Kritiker stehen würde, fänden wir mehr als bedenklich. Aber: Diese Zurückhaltung muss Grenzen haben. Es gibt keine echte Solidarität ohne Kritik. Es ist daher gut, dass die SWP die Verleumdung gegen Asseburg zurückgewiesen hat. Zulässige Meinungskorridore hierzulande von israelischen Rechten markieren zu lassen, wäre eine Kapitulationserklärung für eine Demokratie.

Deutsche Linke, die aus verständlichen historischen Gründen Israel schützen wollen, sollten beachten, neben wem sie sich hier einreihen. Zum Beispiel Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, der der SWP „antisemitischen Dreck“ unterstellt und die Streichung der Gelder fordert. Beides ist lehrbuchhaft für rechtsautoritäre Politik: Auf ätzende Verleumdung folgt die materielle Zerstörung der Orte rationaler Diskurse.

Wer blindlings die israelische Botschaft unterstützt und „Solidarität mit Israel“ fordert, sollte aufpassen, nicht den Falschen zu nutzen. Und eine Orbanisierung des Diskurses zu befördern.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

19 Kommentare

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  • Karlsson , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation.

  • "Es gibt keine echte Solidarität ohne Kritik."

    Ein sehr richtiger und wichtiger Satz, den sich mal alle einrahmen und übers Bett hängen sollten. Nichts ist blinder und unehrlicher als unreflektierte Kardinalstreue, die jegliche Kritik undifferenziert negiert, verleumdet und bekämpft.



    Man ist Niemandem, nicht einmal dem Nächststehenden uneingeschränkt zu Solidarität verpflichtet, wenn dieser widersinnig handelt oder grundlegende Werte mit Füßen tritt.



    Es wird mir immer suspekt bleiben, das manchen eine Fahne, ein Buch oder irgendeine Form von Gruppenidentität ausreicht, um kurzerhand eigenen Maßstäbe über Board zu werfen.



    Wer wirklich eng zu jemandem steht, der sagt es ihm offen, wenn er Fehler macht. Und nur der ist Solidarität wert, der auch zuhört, wenn er aus den eigenen Reihen kritisert wird.

  • Dass die die israelische Botschaft hier in einer Weise agiert, die man nur als übergriffig bezeichnen kann, da gebe ich Reinecke ausdrücklich recht. Und dass die derzeitige israelische Regierung geradezu ein Albtraum ist - auch das muss ich schmerzhaft konzedieren.

    Nur heißt das natürlich nicht, dass die Kritik an Frau Asseburg so völlig aus der Luft gegriffen ist. Und schon gar nicht heißt dies, dem Kollegen Jürgen Kaube von der FAZ "unlautere Mittel" und "Verunglimpfungen" anzukreiden. Wenn Frau Asseburg „Gewalt gegen israelische Besatzer für nicht zielführend“ hält, ist das eben keine grundsätzliche Absage an Gewalt (und Hamas und Konsorten betrachten bekanntlich auch israelische Zivilisten als legitime Ziele), sondern sie hält es nur für taktisch ungeschickt. Da hat Kaube mit seinem Vorwurf durchaus nicht unrecht.

    Kaubes eigentlicher Hauptvorwurf ist jedoch ein anderer und es wäre redlich gewesen, das auch zu erwähnen. Nämlich Asseburgs dämlicher Vergleich der Lage der Palästinenser mit der der Ukraine und ihr ebenso dämlicher Apartheitsvorwurf. Man kann die israelische Besatzungspolitik durchaus kritisieren - aber sie wie Frau Asseburg auf eine Stufe zu stellen mit der auf einer rassistischen Ideologie basierenden Politik des damaligen südafrikanischen Apartheidsregimes offenbart schon böswillige Unkenntnis.

    Im übrigen gehörte Frau Asseburg ja zu jenen, die anlässlich des Bundestagsbeschlusses meinten, BDS sei bitteres Unrecht mit dem Antisemitismusvorwurf geschehen. Es sei erlaubt, dazu den galligen Kommentar Kaubes zu zitieren: "Der BDS, lässt sie uns wissen, sei nicht pauschal antisemitisch. Ah, doch nicht pauschal, sondern nur teilweise. Wenn das so ist, dann kann man ja getrost mitboykottieren oder die Diskussion als eine über Meinungsfreiheit weiterführen. Dass es sich um ganz uniformierte und eben doch israelfeindliche Meinungen handelt, bleibt dabei unberührt."

    • @Schalamow:

      "Wenn Frau Asseburg „Gewalt gegen israelische Besatzer für nicht zielführend“ hält, ist das eben keine grundsätzliche Absage an Gewalt"

      Ihre Logik ist unlauter und unterstellend.

      • @Rudolf Fissner:

        Nö.

        Wenn Frau Asseburg Gewalt nur ablehnt, weil die nichts bringt, ist das eben nur eine taktische, nicht aber eine prinzipielle Absage.

        Von einer medienerprobten Wissenschaftlerin darf man im übrigen durchaus erwarten, sich unmissverständlich auszudrücken. Wenn sie palästinensische Anschläge oder Raketenangriffe auf jüdische Zivilisten missbilligt, kann sie das auch ganz klar genau so sagen. Tut sie aber nicht, denn sie möchte ja den Widerstand der Palästinenser mit dem der Ukrainer gleichsetzen - die aber nicht zu solchen Mitteln greifen.

  • Offensichtlich macht hier ungehobeltes Auftreten und Poltern zum Zwecke der politischen Einflussnahme Schule, ganz gegen die Regeln der höheren Diplomatie.



    "Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass BotschafterInnen verbindlich, sachlich und nicht aggressiv auftreten. Diplomaten sollten auch Distanz zu den inneren Angelegenheit des Landes halten, in dem sie arbeiten. Der US-Diplomat Richard Grenell, von Trump 2018 nach Berlin entsandt, war einer der ersten Botschafter einer rechtsautoritären Regierung, der diesen Code rüde verletzte. Erst bekundete er, dass deutsche Firmen gefälligst keine Geschäfte mit Iran machen sollten, dann, dass es seine Aufgabe sei, Rechte in Europa zu stärken."



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    In der FR, aber nicht nur dort, fand ich eine ähnliche Beurteilung zum Ex-Botschafter der Ukraine:



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    www.fr.de/kultur/g...nden-91505390.html



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    "Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hingegen trägt Bitten als Forderungen vor und versteigt sich zu Verbalattacken, die jedes Maß vermissen lassen. Schon vor einiger Zeit warf er dem Bundespräsidenten des Landes, in dem er als Botschafter akkreditiert ist, ein „Spinnennetz“ von Beziehungen nach Russland vor. Einen Forscher, der sich Gedanken über eine politische Ordnung nach diesem Krieg macht, tituliert er als „echtes Arschloch“. Und die Russen, wohlgemerkt nicht nur Putin, seine Armeeführer und putinfreundliche Oligarchen und Kunstschaffende sowie Intellektuelle, sondern alle Russen bezeichnet er als Feinde."



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    Mich wundern Verstimmungen auf oberster Ebene nicht, wenn selbst vor Beleidigungen nicht zurückgeschreckt wird. Sandkasten, Leberwurst...



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    www.rnd.de/politik...QPM6CMX2XNJGA.html



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    Maß halten und die Regeln des Parketts einhalten, damit schafft man es aber nicht in die Schlagzeilen. Provozierende Äußerungen führten früher schon mal zu Einbestellungen.

  • Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der BRD seitens Herrn Prosor läge vor, wenn er die Chuzpe hätte, öffentlich zu Protokoll zu geben 'Habecks Heizungs-Hammer ist eine Alliteration!'. Das wäre äusserst undiplomatisch. Wenn er hingegen im Land der Täter vor Antisemit*innen und vor Antisemitismus warnt, dann hat er nicht nur das Recht dazu, er hätte sogar im Dienst versagt, würde er dazu schweigen.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Netanjahu und die Rechtsextremisten in seiner Regierung sind ein ganz übles Menekel für die Region.



    Wie sie Ihre Spezialkräfte in Dschenin haben wüten lassen zeigt, wozu sie fähig sind.



    Der Staat Israel ist mit dem Knesset-Beschluss vom letzten Montag auf dem Weg in eine Autokratie unter Netanjahu.



    Der Trickser hat ein kleines Schrittchen zurück gemacht, um dann den großen nach vorn zu setzen und sich über die Justiz zu erheben.



    Aber: Die Mehrheit der Israelis hat die Rechtsextremen gewählt. Und jeder Wähler wusste/konnte wissen, was für Leuten er/sie da die Macht im Land übertrug.



    Dass sich seine "Diplomaten" in Deutschland nun so aufführen, wie sie es tun, war erwartbar.



    Und die Bundesregierung hat nicht den Mumm, sie in die Schranken zu weißen.



    Israel zu unterstützen hieße jetzt, Netanjahu und seiner rechtsextrem Regierung klar zu machen: Wir stehen zu Israel - aber zu euch stehen wir nicht!



    Aber so viel (wenig!) Rückgrat wäre wohl zu Viel erwartet.

  • "Auch in den Autonomiegebieten, die unter palästinensischer Verwaltung stehen, setzt die israelische Regierung ihre überlegene Waffengewalt nach Gutdünken ein, wie jüngst in Jenin."

    Israel setzt nicht Waffengewalt nacht Gutdünken ein.

    www.mena-watch.com...greift-initiative/

    Asseburg hat im Interview behauptet, Israel würde Nahostdiskurs(politik) in Deutschland bestimmen. Das wird von den Kritikers der israelischen Botschaft ignoriert.

    www.juedische-allg...nem-schlussstrich/

  • Schon klar, Kritik an Frau Asseburg kann nur von rechts kommen. Kritisiert man "Israel-Kritiker" ist man eben rechts, manchmal, wenn die Kritiker aus dem Ausland sind oder einen migrantischen Hintergrund haben, dann ist man Rassist.

    Frau Asseburg so:

    "Als der Bundestag im Mai 2019 die BDS-Bewegung fraktionsübergreifend als antisemitisch verurteilte, schrieb sie folgerichtig dagegen an: In einem Zeitschriftenbeitrag vertrat Asseburg von BDS in die Welt gesetzte, längst widerlegte Mythen wie jene, die Bewegung sei gewaltfrei und von der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufen worden, »um Israel dazu zu bringen, internationales Recht zu achten«."

    Tatsache ist aber:

    "In Wirklichkeit stehen auch Terrororganisationen wie die Hamas und die PFLP hinter dem BDS-Manifest; die Bewegung ist auf einem antisemitischen Hass-Festival israelfeindlicher NGOs im südafrikanischen Durban geboren worden, und das Ziel von BDS ist das Ende des jüdischen Staates."

    jungle.world/blog/...k-unterstuetzt-den

    Merke: Kritik an Kritik, das ist im Fall Israels immer eine Kampagne.

    Und mit Autos und Messern Menschen ermorden, das ist Widerstand. Und dass es keinen palästinensischen Staat gibt, das liegt selbstverständlich nur an Israel. Dass es den schon 1947 hätte geben können, geschenkt.

    Wer Kritik von rechts und von links nicht auseinanderhalten kann, dem kann ich auch nicht helfen, weil diese Leute sich in der Regel nicht helfen lassen wollen.

    • @Jim Hawkins:

      Immer wieder froh, dass es Ihre Beiträge gibt!

    • @Jim Hawkins:

      Der BDS und die Terroraktionen Hamas und PFLP sind jedoch nicht Gegenstand des Kommentars von Stefan Reinecke und Katja Maurer. Auch nicht die Probleme, die in Südafrika mit dem Antisemitismus bestehen.



      Es geht in erster Linie um den Zerfall der politischen Kultur auf der internationalen Bühne und auch hierzulande, wenn eine rechtsextremistische israelische Regierung über ihre diplomatische Vertretung versucht, Regierungspropaganda zu betreiben, Lügen verbreitet und Gegner ihrer Politik verleumden und mundtot machen will, um so Einfluss auf innenpolitische Debatten in Deutschland zu nehmen. Damit wir uns nicht missverstehen: die Einflussnahme/Lobbyarbeit an sich ist nicht zu kritisieren, hier geht es aber um die Methoden und den Stil.



      Und wie die Autoren richtig bemerken: es ist kein Zufall, dass der von Trump ernannte US-Diplomat Richard Grenell der erste war, der hier gegen international gültige diplomatische Gepflogenheiten (jedenfalls von demokratischen Staaten) verstieß und dies jetzt ebenfalls seitens der Netanyahu-Regierung passiert.



      Und so, wie Linke andere Linke kritisieren, die sich (unkritisch) hinter antisemitische Parolen einreihen, so müssen sie sich auch gegen Propagandaaktivitäten einer israelischen Botschaft wenden, die mit unlauteren Methoden - und das ist noch diplomatisch formuliert! - Kritiker der israelischen Besatzungspolitik mittels Lügen bzw. Falschbehauptungen verleumdet. Die Kritik gilt natürlich ebenso den (unkritischen)Claqueuren dieser israelischen Politik hierzulande.



      Hinsichtlich der russischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten demokratischer Staaten oder dem Vorgehen Trumps zu seiner Amtszeit haben wir das doch auch nicht hingenommen, oder?



      Wäre ich Lehrer, würde ich jetzt sagen: Thema verfehlt, @Jim Hawkins, setzen! Das tue ich natürlich nicht, weil es hier nicht um Belehrung, sondern um Diskussion und Meinungsaustausch geht.

      • @Abdurchdiemitte:

        Also das Klassenziel in der Schule für Israelkritik werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr erreichen. Macht nichts.

        Es geht nicht um BDS, es geht nicht um die Hamas, nicht um die (wirkliche) Apartheid in Südafrika.

        Ich hoffe mal, dass es wenigstens um Frau Asseburg geht, oder wäre das auch schon eine Kampagne?

        Die verleumdet wird und mundtot gemacht werden soll. Sie wird zwar von der taz und fast allen anderen Medien in Schutz genommen und oder verteidigt, aber das bedeutet rein gar nichts.

        Es geht um ein ganz besonderes Prinzip und das heist, Israel ist immer etwas ganz besonderes. Und ein ganz besonderes Geschenk ist aktuell die derzeitige israelische Regierung. Besser kann es gar nicht laufen.

        Dass die israelische Zivilgesellschaft gegen diese Regierung in einer Dimension Sturm läuft, wie man es in Europa noch nie erlebt hat, das zählt nicht.

        Das passt eben nicht, wie das dämlicherweise heute heißt, ins "Narrativ".

        • @Jim Hawkins:

          „Es geht immer um ein ganz besonderes Prinzip und das heist, Israel ist immer etwas ganz besonderes. Und ein ganz besonderes Geschenk ist aktuell die derzeitige israelische Regierung. Besser kann es garnicht laufen. Dass die israelische Zivilgesellschaft gegen diese Regierung in einer Dimension Sturm läuft, wie man es in Europa noch nie erlebt hat, das zählt nicht.“



          Doch, das zählt schon, jedenfalls für mich und auf welcher Seite der israelischen Gesellschaft meine Sympathien liegen, dürfte auch klar sein.



          Zwei Gedanken noch zu diesem Thema: 1. aus der Geschichte der deutschen Friedensbewegung der Achtzigerjahre wissen wir, dass Mehrheiten auf der Straße sich leider nicht immer in politische Mehrheiten ummünzen lassen. 500.000 im Bonner Hofgarten spiegeln eben nicht die Bevölkerungsmehrheit wieder, mag die Anzahl der Demonstranten auch noch so imposant erscheinen. Das heißt für Israel, dass abgewartet werden muss, ob die Opposition bei den nächsten Wahlen politisches Kapital aus den Massenorotesten schlagen kann. Ich bin skeptisch und befürchte, dass die Entwicklung zu Demokratieabbau und Autoritarismus sich auch in Israel fortsetzen wird.



          Das macht Israel übrigens nicht zu etwas Besonderem - wer hat das eigentlich behauptet? Doch wohl die rechten „Israelfreunde“, die damit das unrechtmäßige Besatzungsregime in den Westbanks für sakrosankt erklären - , hier gehen Staat und Gesellschaft in Israel nur den besorgniserregenden Weg vieler liberaler westlicher Gesellschaften weltweit. Das ist fatal, aber “besonders”?



          2. in Israel selbst werden die Massenproteste der Netanyahu-Gegner nicht unbedingt mit dem Protest gegen die israelische Besatzungspolitik verknüpft. Linke und Friedensaktivisten sind nur eine marginalisierte Minderheit, insgesamt ist die israelische Gesellschaft über die Zeit doch weit nach rechts gerutscht.



          Was besonders ist und bleibt/bleiben muss sind die deutsch-israelischen Beziehungen und nichts anderes haben auch Reinecke und Maurer geschrieben.

          • @Abdurchdiemitte:

            Im Bonner Hofgarten waren 499.998 Demonstrantinnen und Demonstranten und Sie und ich.

            Das war eine einmalige Sache in dieser Größenordnung.

            In einer sehr ähnlichen Größenordnung demonstrieren die Israelis seit Monaten Samstag für Samstag. Immer und immer wieder.

            Soviel zur Mathematik.

            Es stimmt, dass der Protest gegen die Justizreform die Problematik der Besatzung ausklammert. Das geht wohl nicht anders.

            Ich sehe mich allerdings auch nicht als die Autorität, die den Israelis sagen will, wann und wogegen oder wofür sie demonstrieren sollen.

            Was die Besatzung angeht, was würde wohl geschehen, wenn sich die Israelis komplett auf dem Westjordanland zurückziehen würden?

            Gaza 2.0?

            Was sollen sie tun? Mit wem worüber verhandeln?

            • @Jim Hawkins:

              Ja, die Größenordnung der Proteste in Israel ist schon außergewöhnlich und selbstverständlich zeigt das, dass es sich um eine wache, demokratische Zivilgesellschaft handelt.



              Ich weiß jedoch nicht, wie es sich verhalten würde, wenn die Proteste auf die Besatzungs- und Siedlungspolitik ausgedehnt würden, ob das nicht sogar einen Bürgerkrieg mit den Siedlernationalisten auslösen könnte, zumindest eine weitere Spaltung der israelischen Gesellschaft wie in den USA, ansatzweise auch bei uns.



              Vermutlich würde es in dieser Frage auch garnicht zu Massenprotesten kommen, weil in dieser Frage die Bevölkerungsmehrheit mit der Regierung bzw. extremen Rechten übereinstimmt. Etwas anderes zu glauben hieße, sich in die Tasche zu lügen.



              „Es stimmt, dass der Protest gegen die Justizreform die Problematik der Besatzung ausklammert. Das geht wohl nicht anders.“



              Da haben Sie die Crux. 1935 besuchte Hannah Arendt mit einer Gruppe jüdischer Jugendlicher ein Kibbuz in Palästina und war beeindruckt von der Aufbauarbeit dort, merkte später jedoch skeptisch an, dass dort eine neue Aristokratie entstehe, sie damals (1935) schon gewusst habe, dass man dort (in Palästina) nicht leben könne und es auf das Prinzip „Herrsche über deine Nachbarn“ hinauslaufe.



              Auch Martin Buber vertrat - wie Arendt, allerdings auf Grundlage eines tief religiösen Verständnisses jüdischer Ethik - dchon 1921 (!) die Auffassung, dass ein jüdischer Nationalismus aufziehen könne, der dann zu einem gewaltsamen Konflikt mit den Palästinensern führen würde.



              www.deutschlandfun...tiker-und-100.html



              Ich denke, mit Blick auf die heutigen Entwicklungen in Israel muss man sagen, dass beide jüdischen Denker leider recht behalten haben.

      • @Abdurchdiemitte:

        "Der BDS und die Terroraktionen Hamas und PFLP sind jedoch nicht Gegenstand des Kommentars von Stefan Reinecke und Katja Maurer."

        Dafür ist es Muriel Asseburg. Obwohl BDS antisemitisch ist, spricht Frau Asseburg die Kampagne von Antisemitismus frei. Dabei wird sie von Kritikern der israelischen Botschaft als unparteiisch, sachlich und bis hin zu größter Nahost-Expertin Deutschlands präsentiert.

        • @h3h3y0:

          Ob Frau Asseburg nun die Unparteiischste - wer von uns ist das schon? - , sachlichste und größte Nahost-Expertin ist, kann ich nicht beurteilen.



          Fest steht jedoch, dass es nicht Aufgabe diplomatischer Vertretungen ist, Denunziationskampagnen gegen Bürger anderer Staaten zu organisieren, die noch so weit eskalieren, dass die Betroffenen auf der Straße beschimpft und bedroht werden.



          Das Beispiel wurde in dem Kommentar von Frau Maurer und Herrn Reinecke doch genannt. Hätte es sich um einen deutschen Rechtsextremisten gehandelt (und nicht um einen israelischen), wären doch auch Sie zurecht empört.



          Und um einen Einwand gleich vorwegzunehmen: die antisemitische Bedrohung jüdischer Bürger in diesem Land ist in der Tat ein Skandal, ein manifestes, strukturelles Problem unserer deutschen Gesellschaft und (Innen-)Politik im Umgang mit Rechtsextremismus und Antisemitismus. Jedoch rechtfertigt es nicht das Vorgehen der israelischen Regierung bzw. ihrer diplomatischen Vertretung in Deutschland, Kampagnen gegen Andersdenkende zu fahren, die ich durchaus als Angriff auf die freie Meinungsäußerung werten würde.



          Dass Sie nicht mit Frau Asseburg übereinstimmen müssen bzw. Sie ihre Position (zum BDS) kritisieren dürfen, ist doch vollkommen klar.



          Noch einmal: es geht hier um den Stil der Diskussion und die damit verfolgten Absichten.



          Danke übrigens, dass Sie meinen Kommentar sachlich erwidert haben

  • Hervorragender Artikel!!!!



    Sehr gut!!!

    Das Problem der Rechten ist leider überall, das sie nicht fähig&gewillt sind, ALLE standpunkte zu integrieren.Was egtl jede rechte ideologie zu einer anti-demokratischen und anti-wissenschaftlichen ideologie macht!!!

    Konsequenter weise, müssen alle die mehr demokratie, demokratie, nicht ochlokratie!!!- und wissenschaft wollen, diffamiert und diskreditiert werden. is egtl ganz einfach die logik, gelle.