Kalifornisches „Yes means Yes“-Gesetz: Dirty Talk ist sexy
Das „Yes means Yes“-Gesetz in Kalifornien schließt juristische Lücken im Kampf gegen Vergewaltigungen. Die Lage in Deutschland sieht anders aus.
„Ja.“ Oder auch: „Jaaahhh, ich will dich.“ Das müssen kalifornische Studenten einander jetzt vor dem Sex auch sagen. Und zwar „freiwillig“ und „bei vollem Bewusstsein“: Mit dem neuen „Yes means Yes“-Gesetz soll der massiven sexualisierten Gewalt an amerikanischen Universitäten Einhalt geboten werden. Das Gesetz ist überfällig: In den USA wurde Schätzungen zufolge jede fünfte Studentin bereits Opfer eines sexuellen Übergriffs.
Angezeigt werden aber nur die wenigsten Vergewaltigungen: Zu groß ist der juristische Aufwand, zu beweisen, dass das Opfer auch tatsächlich „Nein“ gesagt hat. Zudem gibt es oft nicht einmal ein klares Nein. Gerade bei Übergriffen durch Autoritätspersonen, Familie oder Freunde. Weil die es eigentlich wissen müssten. Weil sonnenklar ist, dass die Studentin nicht in der Besprechung von ihrem Professor ausgezogen werden will. Oder weil das Opfer einfach starr vor Angst ist. Und – speziell an Unis – finden viele Übergriffe unter Drogen und Alkoholeinfluss statt. Das „Yes means Yes“-Gesetz schließt diese juristischen Lücken.
Und wirft ein trauriges Licht auf das deutsche Sexualstrafrecht: Denn in Deutschland ist nicht nur keine Zustimmung vor dem Sex nötig. Meistens reicht noch nicht einmal ein „Nein“, damit der Übergriff tatsächlich auch als solcher anerkannt wird. Weil das Opfer sich dafür beispielsweise in einer „schutzlosen Lage“ befunden haben muss. Da werden dann Vergewaltigungsanzeigen eingestellt, weil der Schlüssel noch im Schloss steckte – das Opfer „hätte ja fliehen können“.
Die „Yes means Yes“-Regel ist dem deutschen Sexualstrafrecht damit nicht nur einen, sondern vielmehr hundert Schritte voraus. Und zeigt einmal mehr, wie rückschrittlich in Deutschland noch mit den Opfern sexualisierter Gewalt umgegangen wird. Deutschland braucht mindestens ein „Nein heißt Nein“-Gesetz, besser noch ein „Ja heißt Ja“-Gesetz wie in Kalifornien. Nicht nur an Unis. Sondern bundesweit.
Und den selbsternannten Romantik-Schützern, die bei solcherlei Forderungen sofort ihre imaginären spontanen Sex-Abenteuer gefährdet sehen, sei gesagt: Dirty Talk ist in. Darüber zu reden, dass man jetzt gleich Sex haben will, kann nämlich auch ganz schön sexy sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf