KP-Parteitag in China: Xi Jinping fordert Loyalität

Präsident Xi hat bei seiner Eröffnungsrede vor dem „schlimms­ten Fall“ gewarnt. Spannend ist aber auch, was er in seiner 70-seitigen Rede ausspart.

Zwei Sciherheitsleute in der Großen Halle des Volkes

Kein Ort für die freie Presse: Die Große Halle des Volkes in Peking Foto: Mark Schiefelbein/ap

PEKING taz | In der Großen Halle des Volkes hat Xi Jinping vor mehr als 2.200 Delegierten den 20. Parteitag mit einer ideologisch durchsetzten Rede eröffnet, die deutlich macht, welchen Kurs der 69-Jährige für die Volksrepublik China vorsieht: Der Parteivorsitzende zeichnete am Sonntag darin das Bild einer selbstbewussten Nation, die vor großen internationalen Herausforderungen steht – und sich für einen drohenden Systemkonflikt mit dem Westen wappnen muss.

Mit keiner Silbe erwähnte Xi Jinping in seiner Grundsatzrede hingegen: seine Haltung zum russischen Krieg in der Ukraine, die heimische Immobilienkrise, das Rekordniveau der Jugendarbeitslosigkeit oder das psychische Leid der Menschen durch die Lockdowns. Viele grundlegende Probleme finden im Weltbild des Xi Jinping schlicht keinen Platz. Ebenso wenig wie eine öffentliche Debatte über eigene Schwächen.

Doch von vorne: Beim alle fünf Jahre tagenden Parteikongress wird Chinas mächtigster Staatschef seit Mao Zedong seine Herrschaft mit einer umstrittenen dritten Amtszeit krönen.

Dafür haben die Behörden Peking im Vorfeld des Parteitags zu einer regelrechten Festung aufgerüstet: Bereits seit Monaten dürfen nur noch Chinesen in die Hauptstadt reisen, in deren Städten zuvor sieben Tage lang kein Corona-Fall registriert wurden. Und innerhalb der Hauptstadt wachen mittlerweile an jeder Kreuzung freiwillige Helfer mit roten Kappen, die für „gesellschaftliche Stabilität“ sorgen.

Internationalen Unsicherheiten

Die Gretchen-Frage für die eigene Bevölkerung und die in China lebenden Ausländer beantwortete Xi gleich zu Beginn seiner Rede: Das Land werde an seiner restriktiven „Null Covid“-Strategie festhalten. Diese präsentierte der Staatschef als „mutige Errungenschaft“, für die China auch „international viel Lob“ erhalten habe.

Im Klartext bedeutet das auch, die Volksrepublik bleibt weiterhin international isoliert, die dystopische Überwachung der Gesellschaft hält an und das Wirtschaftsleben wird auf absehbare Zeit weiter von Lockdowns unterbrochen werden.

Die Ökonomie, das wurde am Sonntag deutlicher denn je, fasst Xi Jinping grundsätzlich anders auf als seine Vorgänger: Seit 2002 betonten die chinesischen Staatschefs während ihrer Kongressreden vor allem die wirtschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten und Wachstumsraten des Landes.

Xi Jinping hingegen spricht von „gemeinsamem Wohlstand“ und „moderater Prosperität“. Im Vordergrund stehen aber ideologische Loyalität und politische Kontrolle.

Zudem sollten Politiker in Berlin und Brüssel aufmerksam hinhören, wenn Staatspräsident Xi Jinping von internationalen Unsicherheiten spricht. In seiner Rede sagte er: Die 1,4 Milliarden Chinesen sollen sich „auf den schlimmsten Fall“ vorbereiten und gegen „gefährliche Stürme“ wappnen. Xi Jinping nannte „globale Veränderungen, wie sie in einem Jahrhundert nicht gesehen worden sind“.

Taiwan und China

Dass er damit den zunehmenden Systemkonflikt mit dem Westen unter der Führung der USA meinte, ist mehr als offensichtlich. Doch darüber hinaus beschwört Xi Jinping ständig Krisen von außen herauf, als taktisches Kalkül, um seine Macht zu legitimieren.

Aber vor allem in der Taiwan-Frage zeigte sich der chinesische Staatschef unnachgiebig. Man wolle zwar eine „friedliche Wiedervereinigung“ erreichen. „Aber wir werden niemals versprechen, auf militärische Gewalt zu verzichten“, sagte er.

Das ist inhaltlich weder neu noch überraschend. Doch die deutliche Formulierung zum aktuellen, jetzt schon historischen Zeitpunkt, hat symbolische Aussagekraft: Xi Jinping denkt nicht daran, die westliche Staatengemeinschaft diplomatisch zu besänftigen.

Jenseits der Taiwan-Straße gab sich die Regierung ob der Drohungen jedoch lässig und unbeeindruckt. „Konfrontation ist definitiv keine Option für beide Seiten“, sagte ein Sprecher von Präsidentin Tsai Ing-wen am Sonntag. Taiwan sei ein „souveränes und unabhängiges Land“. Dessen 23 Millionen Einwohner wollen Demokratie, Freiheit und ihre territoriale Integrität wahren.

Pressefreiheit beim Kongress

Das Modell Festlandchinas dürfte die meisten Taiwaner hingegen abschrecken. Wenn Xi Jinping wie am Sonntag von der „Besonderheit der chinesischen Modernisierung“ spricht, dann meint er damit eine Gesellschaft unter vollständiger Kontrolle der Partei: Die Religionsgemeinschaften sind ihr untergeordnet, die Rechte der Minderheiten, ja sogar auch die Privatunternehmen.

Und die heimischen Medien werden längst nur als Propagandisten geduldet. Doch auch die ausländischen Korrespondenten spielten bei diesem Parteitag erstmals nur eine reine Statistenrolle: Noch vor fünf Jahren konnten Korrespondenten frei auf Delegierte zugehen und Fragen stellen – direkte Antworten waren aber schon damals unmöglich. Nun musste die Presse zwei Tage in Hotelquarantäne, um dann bei der eröffnenden Pressekonferenz am Samstag in einem Raum mit Bildschirmleinwand zu landen.

Die Nuancen der über 70 Seiten langen Rede von Xi werden viele Analysten und Sinologen erst in den nächsten Tagen entziffern – für sie hat das große Kaffeesatzlesen erst begonnen. Sie werden die Rede Xi Jinpings auf ihre linguistischen Feinheiten auseinandernehmen, zwischen den Zeilen lesen und mit vorherigen Parteikongressen vergleichen. Dabei werden manchmal auch schlicht Begriffe quantitativ gezählt, um die Stoßrichtung des Landes zu erahnen.

Ein paar Besonderheiten sind aber schon klar: Den Begriff „Sicherheit“ nannte Xi mehr als 40 Mal. Eine Auseinandersetzung mit der internationalen Kritik blieb hingegen ganz aus.

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