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Justizreform in ItalienMelonis Koalition für Berlusconis Traum

Schon lange arbeitet die Rechte in Rom an einer Justizreform, um die Staatsanwälte einzuengen. Nun ist die Regierung damit einen Schritt weiter.

Italiens Justizreform wäre Berlusconi wohl nicht besser gelungen Foto: Ciro Fusco/ANSA/epa

Rom taz | „Silvio Berlusconis Traum wird wahr.“ Treffende Worte fand Antonio Tajani, Vize-Ministerpräsident in der Rechtsregierung Giorga Melonis und Vorsitzender der Berlusconi-Partei Forza Italia, für die am Dienstag vom Senat in Rom gebilligte Justizreform.

Dabei klingt diese Reform eher technisch. In Zukunft sollen in Italien Richter und Staatsanwälte völlig getrennte Laufbahnen vollziehen, anders als bisher. Immer schon gehörten in Italien beide Kategorien zum Berufsstand der Magis­trate. Für sie gab es ein gemeinsames Stellenausschreibungsverfahren, und sie verwalteten sich selbst über den Consiglio Supremo della Magistratura, der allein über Beförderungen, Versetzungen, Disziplinarverfahren entschied. Die Exekutive dagegen konnte in die völlig unabhängige Justiz nicht hineinregieren.

Was die völlige Autonomie der Staatsanwaltschaften bedeutet, bekam vorneweg Silvio Berlusconi immer wieder zu spüren. Der Unternehmer, der 1994 mit der Gründung der Partei Forza Italia in die Politik eingestiegen war und dann Italien über viele Jahre mit Unterbrechungen regiert hat, musste sich zahlreichen Verfahren stellen, wegen Bilanzfälschung, wegen Steuerbetrugs, wegen Bestechung von Politikern und Richtern.

Immer schon hatte er argumentiert – ganz wie heute Donald Trump -, er sei Opfer einer „politischen Justiz“, er werde von „roten Roben“ verfolgt. Die meisten seiner Verfahren endeten allerdings glimpflich für ihn, entweder weil er per Gesetz den Straftatbestand Bilanzfälschung abschaffte oder weil seine Anwälte die Prozesse bis zur Verjährung verschleppten. Aber im Jahr 2013 wurde er dann doch wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt – und verlor auch sein Mandat im Parlament.

Kleinkrieg gegen die Justiz

Immer schon führte Berlusconi deshalb auch im Parlament seinen Kleinkrieg gegen die Justiz. Sein Ziel: eine Justizreform, um die Staatsanwaltschaften zu bändigen. Und auch die heute regierende Rechtskoalition – in ihr sind die postfaschistische Fratelli d’Italia Giorgia Melonis, die Berlusconi-Partei Forza Italia und die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega unter Matteo Salvini vertreten – hat diese Reform in ihr Programm geschrieben.

Angespornt wurde Italiens Rechte nicht zuletzt dadurch, dass auch ganz ohne den im Jahr 2023 verstorbenen Berlusconi die Konflikte mit der Justiz weiter andauern. So grätschten Gerichte der Regierung Meloni bei der Eröffnung des Abschiebelagers in Albanien rein, weshalb das Lager heute weitgehend leer steht.

Und so musste sich Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini in einem Prozess wegen Freiheitsberaubung verantworten, weil er in seiner Zeit als Innenminister im Jahr 2019 Flüchtlingen wochenlang den Landgang verweigert hatte. Er wurde zwar in erster Instanz freigesprochen, doch vor wenigen Tagen ging die Staatsanwaltschaft in Berufung, zur hellen Empörung der Rechtsregierung.

Die jetzt anstehende Justizreform soll das ändern. Denn von den Gerichten abgekoppelte Staatsanwaltschaften könnten in einem zweiten Schritt dann der Weisungsbefugnis der Exe­kutive unterworfen werden. Sowohl der Verband der Richter und Staatsanwälte als auch die Oppositionsparteien sehen allein hierin die Logik der verfassungsändernden Reform.

Volksabstimmung mit offenem Ausgang

Bisher ist die Verfassungsänderung vom Abgeordnetenhaus und nun auch vom Senat verabschiedet worden. Im Herbst muss sie noch einmal in zweiter Lesung von beiden Häusern gebilligt werden. An der nötigen absoluten Mehrheit gibt es keinen Zweifel. Dann aber steht eine Volksabstimmung an, deren Ausgang offen ist.

Sollte Meloni sie gewinnen, hätte die Rechte wenigstens diese eine Reform durchgesetzt. Weder die Ausweitung der Autonomie der Regionen (das Lieblingskind der Lega) noch die Direktwahl des Regierungschefs (von der Meloni träumt) dürften dagegen in dieser Legislaturperiode realisiert werden.

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1 Kommentar

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  • „Die jetzt anstehende Justizreform soll das ändern. Denn von den Gerichten abgekoppelte Staatsanwaltschaften könnten in einem zweiten Schritt dann der Weisungsbefugnis der Exe­kutive unterworfen werden.“



    Wenn derart kritisch die beabsichtigte Justizreform in Italien beäugt wird, sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass in Deutschland die Staatsanwaltschaft seit langem gegenüber der Exekutive weisungsbefugt und abhängig ist. Immer wieder kommt es vor, dass ( wahrscheinlich politisch nicht genehme) Generalstaatsanwälte von Ministern in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.