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Justizreform in IsraelEins nach dem anderen

Kommentar von Susanne Knaul

Die Proteste gegen die ultrarechte Regierung dauern trotz Einlenken Netanjahus an. Um die Massen zu mobilisieren, darf die Besatzung kein Thema sein.

Demo in Tel Aviv gegen die ultrarechte Regierungskoalition Netanjahus Foto: Nir Elias/reuters

E s wäre keineswegs nur eine kleine Korrektur, würde Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die Aufhebungsklausel einmotten. So zumindest hatte er es angekündigt, um dann doch wieder den ultrarechten Koalitionspartnern nachzugeben. Die Aufhebungsklausel würde das Ende der Gewaltenteilung bedeuten und war von Beginn der neuen Regierung an zentraler Punkt für die Protestbewegung.

Netanjahu strebt offensichtlich eine Art „Justizreform light“ an. Ein Balanceakt, um die Koalitionsparteien im Boot zu behalten und die Konsequenzen für deren Reformvorstellungen auf ein Minimum zu beschränken. Die rund 150.000 Leute, die am Wochenende erneut vor das Tel ­Aviver Rathaus zogen, hat er wenig überzeugt.

Den Regierungschef dürften allerdings nicht zuerst die Massendemonstrationen zum Einlenken motiviert haben, sondern vielmehr der hohe Preis der geplanten Rechtsreformen. Um rund 80 Prozent sind die Investitionen allein im IT-Bereich geschrumpft, und Rettung ist nicht in Sicht. Die erklärte Abkehr von der Aufhebungsklausel galt den ausländischen InvestorInnen.

Doch auch ohne die Klausel bleibt die Liste der umstrittenen Gesetzesreformen lang. Allein die Regelung, dass fortan eine Dreiviertelmehrheit in der Knesset nötig ist, um dem Regierungschef die Immunität zu nehmen, stinkt zum Himmel. Völlig richtig ist es deshalb, dass die unermüdlichen DemokratInnen im Land ihren Kampf gegen die Regierung fortsetzen.

Richtig auch, diesen Kampf nicht mit der Besatzung in den Palästinensergebieten zu vermischen, obschon natürlich eine direkte Verbindung besteht. Zwei Generationen sind es schon, die in dem Gefühl aufwachsen, es sei völlig in Ordnung, einem anderen Volk Freiheit und Selbstbestimmungsrechte abzusprechen. Nicht gerade die beste Voraussetzung für ein gesundes Demokratiebewusstsein.

Doch ginge es jetzt auch um Gerechtigkeit für die PalästinenserInnen, würde der Protest massiv zusammenschrumpfen. Deshalb gilt „Para, Para“, wie es ein israelisches Sprichwort sagt. „Eine Kuh nach der anderen“ – ab zum Schlachter.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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3 Kommentare

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  • Für die Opposition, die gegen die Politk der Regierung Netanjahu protestiert, könnte die Palästinenserfrage spaltend wirken, insofern leuchtet die Strategie ein, diese Frage gar nicht zu stellen.

    Die Worte "eins nach dem anderen" suggerieren aber eine unrealistische Hoffnung, nämlich dass es nach einem Sieg der Demokratiebewegung über Netanjahu auch zu einer friedlichen verhandelten Lösung der Palästinenserfrage kommt.

    Es gibt in Israel zwar Menschen und Organisationen, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, den meisten Israelis ist aber die Entrechtung der Palästinenser egal. Netanjahus Regierung vefolgt das gleiche Ziel wie die Vorgängerregierung, das was die meisten Israelis wollen: die einseitige Trennung und die Annexion des größten Teils des Westjordanlandes.

    Schlimm ist dabei auch, dass die USA und Deutschland diese israelische Annexionspolitik unterstützen. Die gelegentlichen Erklärungen von Joe Biden oder Olaf Scholz über eine "Zweistaatenlösung" sind vollkommen unglaubwürdig.

  • “Richtig auch, diesen Kampf nicht mit der Besatzung in den Palästinensergebieten zu vermischen, obwohl natürlich eine direkte Verbindung besteht.”



    Strategisch mag das kurzfristig durchaus richtig sein, aber das mit dieser israelischen Rechtsregierung offenbar gewordene Demokratieproblem bleibt bestehen, selbst dann, wenn die geplante Justizreform abgewehrt oder nur als Lightversion umgesetzt werden kann.



    Solange die ungerechte, völkerrechtswidrige Besatzungs- und Siedlungspolitik aufrechterhalten wird, wird diese ein (immer schwerer werdender) Mühlstein am Halse der israelischen Demokratie bleiben … und die Regierungskoalition Netanyahus macht überdeutlich, dass sie dafür sogar bereit ist, die Demokratie zu opfern.



    Darum ist es - langfristig gesehen - illusorisch, die Themen nach und nach “abarbeiten” zu wollen. Dann ist es für den demokratischen Protest auf der Straße nämlich irgendwann zu spät.

  • Stimmt.