Julia Nawalnaja: Für ein freies Russland kämpfen
Nach dem Tod ihres Mannes sagt Julia Nawalnaja in einer emotionalen Rede Putin den Kampf an. Sie nimmt damit eine neue politische Rolle ein.
In knapp neun Minuten macht die 47-Jährige auf dem Youtube-Kanal ihres Mannes deutlich, dass sie es nun ist, die seinen Kampf weiterführen will. „Indem Putin Alexei tötete, tötete er auch eine Hälfte von mir. Aber ich habe noch eine andere Hälfte, und diese sagt mir, dass ich kein Recht habe aufzugeben“, sagt Julia Nawalnaja im Studio des „Team Nawalny“.
All die Jahre hatte sich die Moskauerin geweigert, eine eigenständige politische Rolle einzunehmen. Sie war stets die kühl wirkende Frau an der Seite ihres Mannes. Nun hat das Schicksal Julia Nawalnaja in diese Rolle gedrängt. Und sie zeigt der Welt gerade, dass sie diese annimmt: „Ich werde die Sache meines Mannes fortführen, für ein wunderbares Russland der Zukunft, ein Land, wie Alexei sich das immer vorgestellt hatte“, sagt sie eindringlich, die Trauer ist ihr ins Gesicht geschrieben. Doch weinen, nein, weinen wird sie auch dieses Mal nicht, sie wird ihrem Wort, das sie vor mehr als zehn Jahren erstmals vor einem Gericht öffentlich aussprach, weiter treu bleiben: „Diese Schweinehunde werden unsere Tränen niemals sehen.“
Es war die Vergiftung Nawalnys mit dem Nervengas Nowitschok 2021, die sie erstmals ins Rampenlicht rückte. Sie betrat die öffentliche Bühne, weil er es nicht mehr konnte, und kämpfte, mit Sonnenbrille und in Lederjacke, wie eine Löwin für sein Überleben. Sie war es, die Putin bat, ihren Mann nach Deutschland ausfliegen zu lassen, sie forderte Dokumente von den Ärzten, gab zahlreiche Interviews. Die Stille war plötzlich laut geworden. „Du hast mir das Leben gerettet“, hatte Nawalny in seinem erstem Post nach seinem Koma bei Instagram geschrieben. „Ich liebe dich“, schrieb Julia Nawalnaja unter einem Bild der beiden nach seinem Tod, ebenfalls bei Instagram.
Seit 2010 in der Öffentlichkeit
Die beiden hatten sich 1998 im Urlaub in der Türkei kennengelernt, er, der Jurist aus Moskau, sie, die an der renommierten Moskauer Plechanow-Universität „Internationale Beziehungen“ studierte und später bei einer Bank arbeitete. 2000 heirateten sie, im Jahr, als Putin an die Macht kam. 2001 kam Tochter Darja zur Welt, 2008 Sohn Sachar. Die Nawalnys führten seit 2010 ein Leben in der Öffentlichkeit; bei seiner Kampagne zur Präsidentenwahl 2018, zu der er schließlich nicht zugelassen wurde, waren Julia, Darja und Sachar stets mit dabei. Auch seine Verhaftungen bekamen die Kinder oft hautnah mit.
Es waren auch sie, für die Nawalny gekämpft hatte, weil er wollte, dass seine Kinder in einem freien Land groß werden. Nun leben Julia und Sachar in Deutschland, Darja studiert in Kalifornien. „Ich spüre Zorn und Hass auf die, die es gewagt haben, unsere Zukunft zu töten. Es ist eine Schande, nun nichts zu tun“, sagt Julia Nawalnaja im Video, dessen letzte Bilder Alexei Nawalny zeigen, lächelnd, als wäre er noch am Leben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag