Jugendliche müssen endlich feiern dürfen: Right to party

Die Jugend hat unter Corona am meisten gelitten. Jetzt muss sie jung sein und entsprechend leben dürfen, statt schon wieder gegängelt zu werden.

Eine Reihe Polizist:innen vor einer Menschenmenge

Sollten lieber die Schulen räumen: Po­li­zis­t:in­nen im Hamburger Schanzenviertel Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Ich geb’s zu: Ein wenig mulmig war auch mir zumute auf dem Schulterblatt am frühen Freitagabend der vergangenen Woche. Ich mochte meine Maske nicht abnehmen, so brechend voll war es. Dabei hatte die erste Partynacht in der Schanze noch nicht mal angefangen. Und als ich mein Rad am Sonntagmorgen durch abertausende Glassplitter wieder zum Büro steuerte, dachte ich tatsächlich einen Moment lang: Vielleicht war der Lockdown gar keine so schlechte Sache?

Aber wenn die jungen Leute nach Monaten des Eingesperrtseins nichts weiter tun, als Flaschen auszutrinken und sie hinterher zu zerdeppern – müssen wir dann nicht dankbar sein? Es herrschte in den vergangenen Wochen breiter Konsens darüber, dass die Jungen die Verlierer der Pandemie sind: Sie haben so viel verpasst, für das sie nun großzügig entschädigt werden sollten – mit Lernferien, Nachhilfepaketen, Notenrabatten oder verlängerten Regelstudienzeiten.

Dabei haben sie vor allem Zwischenmenschliches verpasst: Rumhängen mit Gleichaltrigen, Quatsch machen, Demos, Kino, Körperkontakt, Drogenerfahrungen – was eben so dazugehört zum Erwachsenwerden. Für all das kann die Politik keinen Ersatz schaffen. Das holen sich die Jugendlichen selbst zurück.

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) redete dem Partyvolk zunächst fast kumpelhaft ins Gewissen: „Was sich am Wochenende in der Schanze abgespielt hat, war total daneben.“ Gefolgt von einer Drohung: „Wir werden im Senat über Maßnahmen beraten müssen, wenn sich die Lage nicht durch Einsicht entspannt.“ Gesagt, getan: Bevor die jungen Menschen Einsicht zeigen konnten, verbot der Senat auf ganz St. Pauli und in der Schanze den Außer-Haus-Verkauf und sogar das „Mitführen“ von Alkohol nach 20 Uhr. Den gibt’s dann nur noch in der Innengastronomie, die bizarrerweise am gestrigen Freitag wieder öffnen durfte – für alle, die sich’s leisten können.

Coronaverbote könnten auch künftig für Ordnung sorgen

Fegebank gab zwischen den Zeilen auch einen deutlichen Hinweis darauf, dass man mit den in der Pandemie erprobten Mitteln auch in Zukunft für Ordnung in der Stadt sorgen könnte: „Das ist nicht nur ein Problem für die Eindämmung der Pandemie, sondern auch für die Menschen, die in der Schanze leben“, teilte sie mit.

Tatsächlich gibt es kaum einen Grund, Treffen an der frischen Luft zu unterbinden: Beim Raven im Florapark ist die Infektionsgefahr viel geringer als in den vollgepackten Klassenzimmern, in denen viele Jugendliche jetzt wieder sitzen – ohne Belüftungsgeräte, mit überwiegend ungeimpften Lehrkräften, die zwischen den Klassen hin und her springen. Und das drei Wochen vor den Sommerferien, wo fast alle Noten schon feststehen.

Man möchte den Kindern zurufen: Schwänzt die Schule und geht lieber feiern! Diesmal stimmt der Beastie-Boys-Klassiker wirklich: „You gotta fight for your right to party!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.