Jüdisches Museum in Berlin: Grüne streiten über Jerusalem-Schau
Nach scharfer Kritik von Volker Beck verteidigen Parteikollegen eine Ausstellung in Berlin. Auch die AfD schaltet sich in die Debatte ein.
„Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen“, sagte die Bundestags-Vizepräsidentin am Rande eines Besuchs des Museums am Freitag. Sie sprach von einer „tollen Ausstellung“, die zum Nachdenken anrege.
Beck hatte die Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ in der vergangenen Woche scharf kritisiert. Er hob verschiedene Auslassungen hervor, die seines Erachtens hätten berücksichtigt werden müssen. Die Schau sei „geschichtsklitternd, unwahrhaftig und einseitig“, kritisierte Beck.
Hintergrund ist eine an die Bundesregierung gerichtete Beschwerde aus Israel. In einem Papier, über das die taz Anfang Dezember berichtete und das offenbar aus Kreisen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu kommt, wurde die Ausstellung dafür kritisiert, dass sie „hauptsächlich die muslimisch-palästinensische Sichtweise“ wiedergebe. Dem Museum wurden „antisraelische Aktivitäten“ vorgeworfen.
„Netanjahus Intervention ist daneben“, schrieb Beck zwar. Der Kritik an der Ausstellung schloss sich der Politiker jedoch an. So würde etwa die Vertreibung von Juden aus arabischen Staaten nach der Staatsgründung Israels nicht erwähnt. Auch würden Verbindungen des ehemaligen Jerusalemer Großmuftis zu deutschen Nationalsozialisten verschwiegen.
Roth fordert Solidarität mit KünstlerInnen
„Wenn man sich selektiv bestimmte Dinge anguckt, dann sind bestimmte Kritikpunkte berechtigt“, sagte Nouripour gegenüber der taz. „Aber wenn man sich die Gesamtausstellung anschaut, teile ich die Kritik keineswegs.“ Er verstehe die Kritik Becks einfach nicht.
Verwundert zeigte sich Nouripour darüber, dass Beck Konsequenzen fordere: „Ich habe keinen Plan, was er damit meint, ich will’s auch gar nicht wissen.“ Beck hatte geschrieben: „Die Entgleisungen […] müssen beim künftigen Kuratieren für das Jüdische Museum Konsequenzen haben“.
Roth wies darauf hin, dass es bei der Beschwerde aus Israel um mehr gehe als um die Jerusalem-Ausstellung in Berlin. Das Schreiben stelle einen Versuch dar, den Druck, den die Netanjahu-Regierung auf Künstler und Künstlerinnen in Israel ausübe, zu internationalisieren. Einer Intervention wie der Netanjahus müsse man eine klare Position entgegensetzen, so Roth.
Sie hätte sich gewünscht, dass Beck sich mit den israelischen Künstlern und Künstlerinnen solidarisiere, die sich gegen den Versuch der israelischen Regierung ausgesprochen hatten, kritischen Diskurs einzuschränken.
In einem Schreiben, das die taz veröffentlichte, hatten mehrere Dutzend Kulturschaffende erklärt: „Wir lehnen die Versuche, die Freiheit des kulturellen Ausdrucks einzuschränken, ab.“ Ziel dieser Kampagne sei es, „den Spielraum des kritischen Denkens einzuschränken und, wenn möglich, dieses zum Schweigen zu bringen.“
AfD fragt nach Antisemitismus
In die Debatte um die Jerusalem-Ausstellung hatte sich zuvor auch die AfD eingeschaltet. In einer schriftlichen Anfrage wandte sich Beatrix von Storch, Vize-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Darin fragt sie, ob der Bundesregierung bekannt sei, dass „das vom Bund finanzierte Jüdische Museum Veranstaltungen mit Unterstützern der weltweiten BDS-Bewegung durchgeführt hat“.
Damit wiederholte die AfD-Politikerin Vorwürfe, die auch in dem Schreiben aus Israel erhoben werden. Die BDS-Bewegung ruft zu einem Boykott Israels auf. Sie ist in weiten Teilen israelfeindlich und gilt vor allem in Deutschland als antisemitisch. Die Netanjahu-Regierung hat ihr offen den Kampf angesagt, instrumentalisiert sie jedoch gleichzeitig, um generell Kritiker der israelischen Regierung zum Schweigen zu bringen.
Auf die AfD-Anfrage antwortete die Kulturstaatsministerin, die dem Stiftungsrat des Museums vorsitzt, sie lehne – wie auch das Jüdische Museum – „eine Unterstützung der BDS-Bewegung kategorisch ab.“ Soweit sie wisse, plane das Museum auch nicht, BDS-Unterstützern eine Bühne zu bieten.
Nachdem die israelische Zeitung Israel HaYom über das Thema berichtete, verbreitete der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin den Bericht über Twitter und fasste ihn dahingehend zusammen, dass das Museum in der Vergangenheit mit BDS kooperiert habe, Grütters dies in Zukunft aber verhindern wolle. Auf Kritik stieß, dass er nicht erwähnte, dass die Anfrage von der AfD kam. Dies war allerdings auch in dem Zeitungsbericht nicht erwähnt.
Museumsdirektor steht zu „Kritik an Israel“
Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums, hat den Vorwurf, BDS-Unterstützer zu hofieren, mehrfach zurückgewiesen. Die Behauptung, „wir laden ständig solche Anhänger ein, ist falsch und unfair“, sagte er in einem am Freitag in der Welt veröffentlichten Interview. „Allerdings lassen wir Kritik an Israel zu.“
Gegenüber der taz zeigte er sich verärgert über die Vorwürfe Volker Becks. Über Einzelheiten wie die Verbindungen des Jerusalemer Großmuftis zu den Nazis könne man diskutieren. Ein Missverständnis sei aber, dass „Welcome to Jerusalem“ eine Ausstellung über Jerusalem als Hauptstadt Israels sei. Dies sei nicht der Fall, Thema seien „die drei monotheistischen Religionen, die sich in Jerusalem konzentrieren mit allen sich daraus ergebenden Konflikten.“ Kritiker würden dies teilweise nicht begreifen wollen.
Einen weiteren Kritikpunkt Becks, das Museum stelle israelische Juden als „Sonderlinge“ und „Freaks“ dar, wies Schäfer entschieden zurück. Beck hatte kritisiert, dass die in der Ausstellung thematisierte „Bewegung zum Aufbau eines dritten Tempels“ eine unbedeutende Minorität im Judentum sei. Schäfer dagegen sieht in der Bewegung eine zwar kleine, aber immens einflussreiche und gefährliche Gruppe.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin habe behauptet, „dass das Jüdische Museum in der Vergangenheit mit BDS kooperiert habe.“ Dies ist nicht korrekt. Er hat lediglich einen Zeitungsbericht dahingehend zusammengefasst. (04.02.2019, 15.45 Uhr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene