Journalistische Führungspositionen: Monokultur in den Chefetagen
Im nächsten Jahr werden die neuen WDR-Direktoren ernannt. Frauen stehen fast überhaupt nicht zur Wahl. Gefördert wurden sie auch nicht.
Als Pro Quote am Wochenende eine neue Statistik zur Männerdominanz in Führungspositionen in Medien präsentierte, war eine schlagzeilenträchtige Zahl darunter. 98 Prozent der Chefredakteurspositionen bei Zeitungen seien mit Männern besetzt, teilte die Organisation mit, der unter anderem die Moderatorinnen Anne Will und Dunya Hayali angehören.
Der in Hamburg ansässige Verein fordert, dass mindestens 30 Prozent der journalistischen Führungspositionen mit Frauen besetzt sein sollen.
Doch mehr Brisanz hat eine Äußerung der Vereinsvorsitzenden Annette Bruhns, die sich auf aktuelle Personaldebatten bei der größten Landesrundfunkanstalt der ARD bezieht. „Der wichtigste Intendant, WDR-Chef Tom Buhrow, muss bei den anstehenden Neubesetzungen an der Spitze unbedingt auf das Mann-Frau-Verhältnis achten“, sagt Bruhns.
Beim WDR stellt sich die Lage derzeit so dar: Ende April 2014 scheiden die derzeitigen Direktoren für Fernsehen und Hörfunk aus, der selbst gerade erst gewählte Intendant Buhrow sucht nun die Nachfolger. Gewählt werden sie zwar vom 48-köpfigen Rundfunkrat, aber der hat kein Vorschlagsrecht. Er kann zu den Kandidaten Buhrows nur ja oder nein sagen, mehr Mitbestimmung ist nicht drin.
Als sicher gilt, dass Jörg Schönenborn, seit mehr als einem Jahrzehnt Chefredakteur des WDR Fernsehens, befördert wird. Zudem könnte Jochen Rausch, der Chef des erfolgreichen Radioprogramms 1Live, auf den Hörfunkdirektorenposten klettern. Als geeignet für diesen Top-Job gilt auch Jona Teichmann, Leiterin der Landesprogramme im Hörfunk. Die ist aber „ausgerechnet“ (Süddeutsche Zeitung) mit Schönenborn verheiratet. Andere Frauen stehen offenbar nicht zur Debatte.
Charme des Bürokraten
Wenn zwei Männer die am besten geeigneten Kandidaten sind, ist es dann nicht kontraproduktiv, reflexartig zu fordern, dass „auf das Mann-Frau-Verhältnis“ geachtet werden muss, fragen sich nun auch Pro-Quote-Anhänger. Die Gegenfrage lautet: Warum ist Schönenborn eigentlich schon so gut wie sicher Fernsehdirektor? Immer wieder ist zu hören, es sei fällig, dass man ihn einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter machen lasse.
Der Chefredakteur hatte schon bei der Intendantenwahl zum engeren Kandidatenkreis gehört. Außerdem führen die Anhänger Schönenborns seine Präsenz ins Feld. Er erklärt Wahlergebnisse und präsentiert Umfragen – allerdings mit dem Charme eines Bürokraten.
Durch Kompetenz im Bereich der Unterhaltung ist Schönenborn bisher nicht aufgefallen; die sollte ein Fernsehdirektor aber haben. Angesichts der Provinzialisierung des WDR Fernsehens – für die Schönenborn mitverantwortlich ist – kann dem Sendergiganten frischer Wind nicht schaden. Dass es innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems keine Frau gibt, die dafür sorgen kann, ist schwer vorstellbar. Deswegen ist Bruhns’ Hinweis an Buhrow hilfreich.
Keine Förderung von Kandidatinnen
Die Causa ist aber komplizierter: Wenn der Exintendantin Monika Piel so sehr wie den Kolleginnen bei Pro Quote daran gelegen gewesen wäre, dass heim WDR künftig Frauen hohe Positionen ausfüllen, hätte sie entsprechende Kandidatinnen fördern müssen.
Weil vor der Wahl der WDR-Direktoren noch die Bundestagswahl ansteht, hat Pro Quote gerade Politiker zur Verteilung der Führungspositionen in den Medien befragt. Wie es sich für eine Vertreterin einer Wirtschaftspartei gehört, interpretiert Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Quotengegnerschaft als Wettbewerbsnachteil: „Wer heute noch Monokulturen pflegt“, gehe das Risiko ein, „vom Markt zu verschwinden“. Das mag fachfräulich prophezeit sein. Dem öffentlich-rechtlichen WDR droht indes nichts dergleichen.
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