Wiederaufbau der Dresdner Carolabrücke: Kaputte Brücken sind Chancen
Die neue Brücke in Dresden soll vierspurig werden. Zwei Spuren hätten es auch getan oder noch besser: eine in die Zukunft weisende ÖPNV-Brücke.

S eitdem sie im vergangen September völlig unerwartet kollabiert ist, steht die Dresdener Carolabrücke stellvertretend für Deutschlands marode Infrastruktur. Nun könnte auch die Debatte über ihren Wiederaufbau Schule machen. Am Donnerstag entscheidet der Dresdener Stadtrat über einen CDU-Antrag, nachdem die Stadt die Brücke wieder vierspurig aufbauen will.
Dagegen plädieren Aktivist:innen und Verkehrsplaner:innen für deutlich reduzierte Versionen, in denen die Verkehrswende schon mitgedacht wird. So fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nur zwei Fahrspuren. Die Initiative Verkehrswende Dresden fordert sogar, der Neubau solle eine reine ÖPNV-Brücke werden, nur für Straßenbahn, Rad- und Fußverkehr. Die Initiative Carolabrücke sammelt derzeit Unterschriften für die Rekonstruktion der historischen Brücke von 1895.
Diese sei nicht nur schöner, sondern auch nachhaltiger, da Bogenbrücken leichter zu reparieren seien. Allerdings wäre sie auch deutlich teurer. Auch wenn der Stadtrat sich wahrscheinlich für die autofreundliche Variante entscheidet, zeigt die Debatte über die Carolabrücke: Eine kaputte Brücke ist eine Chance, die Verkehrspolitik für die nächsten Jahrzehnte zu prägen. Es wird noch weitere Gelegenheiten zur Genüge geben.
Rund 50.000 Brücken müssen in den nächsten Jahren bundesweit ersetzt werden, schätzt der Thinktank T&E, darunter mehr als ein Drittel aller Brücken im Fernstraßennetz. In den meisten Fällen dürfte der Ersatzneubau eine den modernen Vorgaben angepasste Kopie des Vorgängers sein. Das ist die schnellste Variante, und da Brücken mehrheitlich Nadelöhre sind, deren Ausfall in der Regel große Auswirkungen auf den Verkehrsfluss haben, ist es verständlich, dass viele Kommunen diesen Weg bevorzugen.

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