Japans AKWs: Scharfe Sicherheitsnormen
Relativ hohe Standards für den Betrieb werden den Neustart der Reaktoren deutlich verzögern. Konzerne hoffen auf verwässerte Richtlinien.
TOKIO taz | Die japanischen AKW-Betreiber hatten nach der Rückkehr der atomfreundlichen Liberaldemokraten an die Regierung auf einen schnellen Neustart ihrer Kraftwerke spekuliert. Doch ausgerechnet die staatliche Atomaufsicht NRA, früher der Handlanger der Nuklearindustrie, kündigte am Beginn der Woche an, die Sicherheitsvorschriften zu verschärfen.
Einige der Auflagen haben die Betreiber zwar schon erfüllt, darunter mobile Backup-Generatoren und Werksfeuerwehren. Aber anderes kostet viel Geld: Jedes AKW braucht nun ein zweites, entfernt gelegenes Kontrollzentrum zur Fernsteuerung der Reaktoren und Pumpen, um den Sicherheitsbehälter im Notfall mit Kühlwasser zu fluten. Zudem müssen die AKW-Kuppeln gegen Flugzeugabstürze oder Terrorangriffe verstärkt werden.
Die neuen Regeln seien der „Beginn der ersten wirklichen Regulierung“ von Japans Atomindustrie, erklärte NRA-Präsident Shunichi Tanaka. Bis zum GAU in Fukushima durften die Kraftwerksbetreiber die AKW-Sicherheit selbst regeln. Doch das alte „Atomdorf“ aus Beamten, Politikern, Forschern und Managern existiert nicht mehr.
Die Atomaufsicht operiert jetzt unabhängig vom Industrieministerium Meti. Als der neue Meti-Minister Toshimitsu Motegi forderte, alle Atommeiler sollten innerhalb von drei Jahren zurück ans Netz, widersprach ihm NRA-Chef Tanaka sofort: Das sei schon vom zeitlichen Aufwand her nicht möglich.
Explodierender Wasserstoff
Die AKW-Betreiber hoffen, dass sich die neuen Richtlinien bis zu ihrer Verabschiedung im Juli noch verwässern lassen. Unter anderem sperren sie sich gegen ein Absaugsystem für Wasserstoff. In Fukushima hatte explodierender Wasserstoff die Reaktorgebäude schwer beschädigt.
Grünes Licht für den Neustart der AKW will die NRA nur geben, falls die Betreiber die verschärften Standards innerhalb von drei bis fünf Jahren verwirklichen. Dazu kommen neue Untersuchungen über die Erdbeben- und Tsunami-Sicherheit einiger Anlagen sowie geänderte Vorschriften für Evakuierungen.
Einem Mitarbeiter der japanischen Atombehörde JNES erschien daher eine schnelle Renaissance von Atomstrom so unwahrscheinlich, dass er in der vergangenen Woche 47 japanische Reaktoren bei der UN-Atombehörde IAEA in den Status „Langzeitstillstand“ versetzte. Es dauerte zwei Tage, bis die IAEA diesen „Schreibfehler“ korrigierte. Seitdem sind Japans Atommeiler wieder offiziell „in Betrieb“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja