Italienische Gemeindewahlen: Sieg nach Punkten für die Linken
Italiens populistische Rechte muss eine heftige Wahlschlappe einstecken. Das verdankt sie vor allem ihrer Klientel, die nicht an den Urnen erschien.
6 0 Prozent in Rom, 60 Prozent auch in Turin: Besser hätte es für die Bürgermeisterkandidaten der italienischen Linken kaum laufen können. Von einem „Triumph“ sprach denn auch Enrico Letta, Vorsitzender der gemäßigt linken Partito Democratico (PD), die sich nach der ersten Runde der Kommunalwahlen vor zwei Wochen – mit den Siegen in Mailand, Neapel, Bologna – jetzt über die Abrundung des Erfolgs freuen darf.
Letta hat durchaus recht. Diese Wahl ist eine schallende Ohrfeige für Italiens populistische Rechte, für die Lega unter Matteo Salvini genauso wie für die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter Giorgia Meloni. Doch wären Letta, wäre die PD gut beraten, das Resultat nicht zu sehr zu strapazieren.
Denn um gegen die Rechte zu bestehen, braucht die PD die 5-Sterne-Bewegung (M5S) als soliden Bündnispartner. Zwar kam es schon im Vorfeld der Kommunalwahlen zu lokalen Allianzen in Bologna und in Neapel, doch die 5 Sterne gehören mit miserablen Resultaten im Norden genauso wie im Süden des Landes zu den großen Verlierern der Wahl.
Ob ihr neuer Chef, der frühere Ministerpräsident Giuseppe Conte, den Niedergang der Bewegung aufhalten und ihr ein neues Profil verschaffen kann, wird sich noch zeigen. Mit dem Sieg der PD bei den jetzigen Kommunalwahlen sind die Chancen, eine breite, erfolgversprechende Allianz gegen die Rechte zu schmieden, zwar gestiegen, sicher ist indes noch nichts. Nur gute 40% der Wähler*innen fanden in der zweiten Runde den Weg an die Urnen.
Das heißt, dass die Rechte weniger wegen massiver Abwanderungen ins andere Lager verloren hat, sondern weil ihre Klientel wahlmüder war als das der anderen Seite. So überrascht es nicht, dass sich in den nationalen Meinungsumfragen das Bild keineswegs gedreht hat. Dort liegen die Lega und die FdI weiterhin bei je 20%; mit ihren anderen rechten Bündnispartnern würden sie gegenwärtig Parlamentswahlen aus dem Stand gewinnen.
Dennoch sind nicht nur die Bürger*innen Roms die Gewinner der Wahl, können sie sich doch freuen, dass in den nächsten fünf Jahren statt einer rechten Witzfigur – als solcher hatte sich der populistische Kandidat präsentiert – nun mit dem früheren Finanzminister Roberto Gualtieri ein kompetenter Politiker Italiens Hauptstadt regiert.
Auch Italiens Linke kann dieses Resultat nutzen. Ein Resultat, das im ersten Schritt nur psychologisch wichtig ist, das aber mehr werden kann, wenn die Linke begreift, dass sie mit einem überzeugenden Programm, mit einer breiten Allianz gegen Italiens Rechte durchaus konkurrenzfähig wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag