Italien nicht beim Turnier in Katar: Konsequente WM-Boykotteure

Italien scheitert gegen Nordmazedonien an der Qualifikation für die Fußball-WM – wieder einmal. Zur Spielidee fehlen die passenden Spieler.

Zwei italienische Nationalspieler mit Verzweiflungsgesten auf den Knien

Zum Verzweifeln: Italiens Nationalspieler bei der Trauerarbeit Foto: Antonio Calanni/ap

Wer weiß, vielleicht werden italienische Nationaltrainer noch einmal zu Kandidaten für den Friedensnobelpreis oder den Weltumweltpreis. Gian Piero Ventura schaffte es mit totaler Spielververweigerungsphilosophie bereits, dass kein italienischer Politiker anlässlich der Fußball-WM in Russland aufs Foto mit Gastgeber Putin musste. Die Squadra Azzurra verpasste damals die WM. Jetzt sorgt die von Nachfolger Roberto Mancini gecoachte Mannschaft dafür, dass die Lust von Ita­lie­nern, Flugzeugbenzin beim Trip zur Winter-WM im Wüstenstaat Katar zu verbrennen, massiv sinkt. „Wieder eine WM vom Sofa aus“, kommentierte die Tageszeitung La Repubblica das erneute Ausscheiden vor dem eigentlichen Turnier.

Gut, ganz freiwillig war der Verzicht nicht. Die Fußballer in den blauen Trikots bemühten sich schließlich eifrig um offensives Spiel Richtung nordmazedonisches Tor. 64 Prozent Ballbesitz gab es, 67 zu 15 Angriffe und 32 zu 4 Abschlüsse für Italien. Einer der vier Torversuche reichte dem Gegner aber. Keeper Gianluigi Donnarumma sah dabei nicht sonderlich gut aus. Dem anderen Gianluigi, Nachname Buffon, 44 Jahre alt, rutschten jetzt bei Parma Calcio in der zweiten Liga allerdings ähnliche Bälle ebenfalls unter dem Körper durch.

Der auf Position 2 gesetzte Keeper, der im Abstiegskampf beim FC Genua gestählte Salvatore Sirigu, hätte sicher eine bessere Figur abgegeben. Mancini setzte aber nicht auf aktuelle Form, sondern auf große Namen. Das war im Mittelfeld ähnlich – dort musste der schon bei Inter Mailand ausgelaugte Nicolo Barella bis tief in die zweite Hälfte seinen erschöpften Körper über den Rasen schleppen. Und ebenso im Sturm. Da mühte sich Ciro Immobile so fleißig wie immer, aber auch so glücklos wie fast immer, wenn er das dunkelblaue Trikot der Na­tio­nalelf anstelle des helleren Blaus seines Heimatvereins Lazio Rom überstreift. Alternativen saßen auf der Bank. Mancini setzte sie aber nicht oder nur sehr spät ein. Die einstige Skandalnudel Mario Balotelli, in der türkischen Liga weniger kapriziös, dafür aber treffsicherer geworden, wurde hingegen nicht eingeladen.

Mancini begründete das mit der geringen Zeit zum Probieren. Natürlich hätte er selbst Balotelli, den er sich mehrfach live im Stadion ansah, schon früher zum Lehrgang berufen können. Ihm machte aber auch die halsstarrige Haltung der italienischen Profiklubs einen Strich durch die Rechnung. Denn die zogen ihren Spieltag am Wochenende vor den Entscheidungsspielen ungerührt durch.

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Bei den Vereinen gebettelt

Mancini hatte um eine Verlegung gebettelt. „Es ist schade, dass unsere Jungs nur einen Trainingstag hatten“, machte Gabriele Gravina, Präsident des Fußballverbands FIGC, auf eine traditionelle Problemstellung aufmerksam. „Wir müssen ein besseres Gleichgewicht zwischen den Interessen der Klubs und denen der Nationalmannschaft finden“, forderte er.

Dieser Gegensatz ist freilich nicht neu. Die Anzahl ausländischer Profis in der Serie A ist von 2018, dem Amtsantritt Mancinis, von 57auf 62 Prozent angewachsen. Im Nachwuchsbereich liegt der Ausländeranteil sogar bei 70 Prozent, warnte Gravina. Wie sollen sich da überhaupt einheimische Taklente entwickeln können?

Diese strukturellen Probleme sind schon länger bekannt. Lösungen werden gebetsmühlenartig versprochen, gerne bei Verbandswahlen oder nach historischem Scheitern. Umgesetzt wird dann aber wenig.

Das größte Problem von Ita­liens Nationalmannschaft bleibt freilich, dass sie nur Angreifer neuen Typs hat: solche, die fleißig auch nach hinten arbeiten, die aber den Egoismus, den Killerinstinkt, den unbedingten Willen, ein Tor zu erzielen, vermissen lassen. Ein Versuch mit Balotelli wäre hier sinnvoll gewesen. Mangelndes Zutrauen beim Coach und Egoismus der Klubs verhinderte dieses Experiment. Und deshalb muss Italien jetzt wieder neu aufbauen. Nicht von ganz unten, wie 2018 noch, als nicht nur die Ergebnisse fehlten, sondern auch eine Spiel­idee. Die war auch jetzt, beim Scheitern in Palermo, deutlich zu erkennen.

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