Italienischer Fußball: Turbulenzen und Trotz

Vor der Partie gegen England befindet sich die Squadra Azzurra im Aufwind. Blöderweise ist Italiens Fußball nun von einem Wettskandal betroffen.

Luciano Spalletti gestikuliert.

Engagiert: Italiens neuer Trainer Luciano Spalletti bringt Schwung aufs Spielfeld Foto: Alessandro Garofalo/reuters

Die Tifosi sind erst einmal happy. „Wir hatten zwar eher ein 7:0 erwartet, aber auch ein 4:0 ist schön“, sagte ein Fußballpapa, seinen Sprössling an der Hand haltend, beim Verlassen des Stadio San Nicola in Bari. „Ich komme sicher wieder ins Stadion“, strahlte ein Zehnjähriger, dessen Gesicht stilgemäß mit den Farben der italienischen Tricolore verziert war. 4:0 fertigte Italien Außenseiter Malta ab. „Wir haben drei wichtige Punkte in der Qualifikation geholt. Die Einstellung der Mannschaft hat mir gefallen. An Rhythmus und Präzsion müssen wir aber noch arbeiten“, fasste Coach Luciano Spalletti zusammen.

Das San Nicola, vom Star­architekten Renzo Piano designt und zur WM im eigenen Lande 1990 eingeweiht, war auch früher ein Hoffungskessel für die Squadra Azzurra. Bei der WM 1990 gewann sie hier das kleine Finale gegen England. 2011, im Jahr nach dem blamablen Ausscheiden bei der WM in Süd­afrika, gab es ein 2:1 gegen die damals weltmeisterlichen Spanier. Auch nach der nächsten Stunde null, dem Ausscheiden in der Vorrunde der WM 2014, gab es in Bari mit dem 2:0 gegen­ den WM-Dritten Niederlande eine feine Trotzreaktion.

Danach allerdings wurde es noch finsterer. 2018 und 2022 scheiterte Italien bereit in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Und in diesem Sommer löste Europameister-Macher Roberto Mancini mit seiner vor allem vom Geld getriebenen Flucht nach Saudi-Arabien die nächste Krise aus.

Die schien sich sogar noch zu vertiefen. Denn am Donnerstag letzter Woche tauchte die Polizei im Trainingsquartier Coverciano auf und verhörte die Nationalspieler Sandro Tonali und Nicolò Zaniolo. Sie sollen auf illegalen Plattformen gewettet haben. Tonali gab später unter Tränen zu, an Spielsucht zu leiden. Über seine Anwälte ließ er mitteilen, niemals auf Fußballspiele gewettet, sondern lediglich Poker und Blackjack gespielt zu haben.

Verdächtige Handy-Spuren

So lautet auch die Verteidigungsstrategie Zaniolos. Gegen den steht allerdings der Verdacht im Raum, er habe in seiner Zeit beim AS Rom sogar auf der Bank sitzend auf ein Pokalspiel seines Vereins gewettet.

Zaniolo wird verdächtigt, von der Bank des AS Rom aus auf ein Pokalspiel seines Vereins gewettet zu haben

Das behauptet zumindest Fabrizio Corona. Der ist eine schillernde Gestalt. Als „König der Paparazzi“ verkaufte er seine Bilder von Prominenten nicht nur an Glamourmagazine. Mit kompromittierenden Fotos erpresste er einige von ihnen auch – und wurde zu insgesamt 13 Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt.

Kontakte in die Halbwelt und in die Glamourwelt hat er weiter. Von ihm kam auch der Hinweis auf den ersten verdächtigen Spieler, Juventus-Profi Nicolò Fagioli. Der gab nach Verhören durch die Turiner Antimafiastaatsanwältin Manuela Pedrotta schließlich zu, auf Fußballspiele gesetzt zu haben. Aus den Chat-Verläufen seines Handys führten Spuren zu Zaniolo und Tonali.

Leonardo Bonucci, der bei Juventus brüsk degradiert wurde und so spektakulärer Neuzugang des 1. FC Union Berlin wurde, taucht der Tageszeitung Repubblica zufolge in den Chats ebenfalls auf. Allerdings nur als jemand, der von der Spielsucht seines damaligen Teamkollegen gewusst habe.

Wie groß der Umfang der illegalen Aktivitäten ist, was davon strafbar ist bei der Sportgerichtsbarkeit und bei der Strafjustiz und ob sogar Manipulationen von Spielen vorgenommen wurden wie beim großen Wettskandal des Jahres 2011, muss jetzt von der Turiner Staatsanwaltschaft ermittelt werden. Für das Benutzen illegaler Plattformen fallen Geldstrafen bis zu einer halben Million Euro und Haftstrafen bis zu drei Monaten an. Sollten den Profis Fußballwetten nachgewiesen werden, sieht das italienische Sportrecht Sperren von mindestens drei Jahren und Geldstrafen ab 25.000 Euro vor.

Auf die nach Bari gereisten Nationalspieler hatten die Turbulenzen offenbar stimulierende Wirkung. Lange sah man die Squadra Azzurra nicht so enga­giert zu Werke gehen. Jetzt gilt es, den Schwung beim Aufeinandertreffen am Dienstag mit England mitzunehmen. Unklar allerdings ist, ob noch weitere Ausfälle wegen illegaler Wetten zu kompensieren sind. Bis zu 30 Beteiligte soll es nach Spekulationen italienischer Medien geben. Reichlich Potenzial für weitere Trotzreaktionen auf dem Rasen.

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