Israels Regierungschef in Deutschland: Kritik an Netanjahus Berlin-Besuch
Israels Regierungschef kommt nach Berlin. 1.000 kulturschaffende Israelis fordern eine Absage des Besuchs. Auch aus Deutschland kommt Protest.
Rund 1.000 israelische Künstler*innen und Akademiker*innen haben nun in einem Schreiben an die Botschafter Deutschlands und Großbritanniens die Absage der Besuche gefordert. Haaretz berichtete am Dienstag, zur Begründung hätten sie geschrieben, Israel befinde sich in der schwersten Krise seiner Geschichte und „auf dem Weg von einer lebendigen Demokratie zu einer theokratischen Diktatur“. Zu den Unterzeichner*innen gehören der Schriftsteller David Grossman und die Bildhauerin Sigalit Landau.
Weiter heißt es: „Angesichts der gefährlichen und zerstörerischen Führung Benjamin Netanjahus und angesichts des Widerstands vieler israelischer Bürger*innen gegen die Gesetzgebung und den von ihm betriebenen Abbau staatlicher Institutionen fordern wir von Deutschland und Großbritannien, den Angeklagten Netanjahu über die sofortige Absage seiner geplanten politischen Besuche bei ihnen in Kenntnis zu setzen.“ Netanjahu steht wegen mehrfachen Korruptionsverdachts vor Gericht.
Auch in Deutschland haben sich am Dienstag etliche jüdische und israelische Intellektuelle in einem Schreiben gegen den Besuch Netanjahus gewandt – ohne allerdings eine Absage zu fordern. In der gemeinsamen Erklärung fordern sie die Bundesregierung auf, „sich klar und öffentlich von der antidemokratischen und rassistischen Politik der Regierung Netanjahus zu distanzieren“.
Die Bundesregierung müsse Stellung beziehen zur Justizreform, die das Ziel verfolge, die demokratische Gewaltenteilung in Israel abzuschaffen. Außerdem müsse sie sich klar aussprechen gegen den von der Netanjahu-Regierung erhobenen Anspruch Israels auf das gesamte Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer. Damit ist unter anderem das palästinensische Westjordanland gemeint. Die Regierung, die Ende Dezember ihre Arbeit aufnahm, hat in ihrem Koalitionsvertrag als erste israelische Regierung einen exklusiven Anspruch auf das gesamte Gebiet festgehalten.
Die Unterzeichnenden der deutschen Erklärung, zu denen Publizist*innen, Kulturschaffende und Intellektuelle wie Micha Brumlik, Eva Menasse und Hanno Loewy gehören, rufen Jüd*innen und jüdische Gemeinschaften in Deutschland zudem dazu auf, Netanjahu während seines Besuchs keine Bühne zu bieten.
Dass sie als Jüd*innen in Deutschland gegen den Besuch von Israels Regierungschef protestieren, begründen sie damit, dass „die jüdische Gemeinschaft in Deutschland – zu der auch Israelis gehören – sich dem Staat Israel Zeit seines Bestehens eng verbunden fühlt.“ Viele hätten berufliche Verbindungen, Familie und Freunde in Israel. „Wir können und wollen nicht tatenlos zuschauen, während Netanjahus Regierung im Eiltempo die Demokratie zerstört und die Gewalt zwischen Israelis und Palästinenser*innen anheizt.“ (mit dpa)
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip