Iranischer Regisseur Jafar Najafi: Deutsches Asylrecht, schwer zu begreifen
Die deutschen Behörden verweigern dem iranischen Dokumentarfilmer Jafar Najafi politisches Asyl. Dagegen protestiert nun die hessische Filmszene.
Auf der Videoplattform Youtube findet sich ein Link zu einem einfühlsamen und poetischen Dokumentarfilm des iranischen Regisseurs Jafar Najafi. „Asho“ erzählt in ruhigen und schönen Bildern von einem Jungen in der iranischen Provinz.
Der Film zeigt, wie er in einer abgelegenen, gebirgigen Region Schafe hütet, Volkslieder der Bachtiyāri singt und im vorpubertären Kopf unter dem Strohhut große Träume hegt. Denn ein Cousin ist an der Film-Uni in Teheran und versorgt den Jungen mit Filmtipps und Streaming-Links aus der Stadt.
Der Schafhirte wächst so mit den Vorstellungen von „Alice in Wonderland“, „About Elly“ oder „Babel“ auf, liebt Tim Burton, Johnny Depp, Monica Belluci oder Emma Stone. Sein Vater hält ihn für spleenig, schaut aber selbst gerne die Filme Akira Kurosawas an. Aktuell ist das Tablet allerdings kaputt.
Und was der Junge auch gar nicht mag, ist, dass Regisseur Najafi seine ihm schon versprochene Cousine ebenfalls vor die Kamera holt. Die Stimmung in dem ländlichen Ambiente schlägt da leicht um. Recht drastisch etwa auch in „Alone“, einem anderen Dokumentarfilm Najafis. Da rastet ein Junge aus, als seine Cousinen es wagen, ihm vor laufender Kamera zu widersprechen.
Kinder und Frauen
Unterwürfigkeit ist nicht geschlechtlich angeboren, Unterwerfen ein sozial durchgesetztes System. Najafi fängt all dies ein, ohne Kinder oder Erwachsene, einfache Menschen vom Land, vorzuführen. Indem er darstellt, was ist (und trotz allem Respekt auch bei Gewalt einschreitet), öffnet sich der Raum, um zu sprechen.
Wie könnte eine Politik aussehen, die auf Ankommen statt Abschotten setzt? Was können wir lernen aus 2015? Und wo sind die Orte, an denen der restriktiven Politik von oben eine solidarische Politik von unten entgegengesetzt wird? Diesen Fragen haben wir über das im Jahr 2025 fünf Sonderausgaben zu Flucht und Migration gewidmet.
Mit der wochentaz vom 20. Dezember findet das Projekt seinen Abschluss. Es ist keine besinnliche Zeitung geworden – aber eine, die sich um ein Thema dreht, das zu Weihnachten einen besonderen Klang bekommt. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was „Zuhause“ eigentlich ist, was es braucht, um sich an einem Ort zu Hause zu fühlen – und wie die Hoffnung darauf oft zerstört wird.
Alle Texte aus dieser Sonderausgaben erscheinen nach und nach hier. In dem Online-Schwerpunkt finden Sie auch die Texte aus den vier vorherigen Sonderausgaben.
Seine Filme zeigen das ländliche Leben in seiner Widersprüchlichkeit, bewegen sich auf Augenhöhe mit Kindern und Frauen, gedreht in wunderbaren Landschaften, geprägt von patriarchalen Traditionen.
Doch Patriarchat hin oder her, auch in der tiefsten iranischen Provinz ist man im Jahre 2025 der Herrschaft der Islamisten überdrüssig. In „Asho“ nennt der Schafhirte das zu Schlachtung und Verköstigung ausgewählte Tier den Präsidenten.
Bislang schlüpften diese eher leisen Filme Najafis durch die Zensur, allerdings durften sie nur im Ausland und auf internationalen Filmfestivals offiziell gezeigt werden. Doch seit Frühjahr hat sich seine Lage verschärft, wie der iranische Regisseur in Anwesenheit seiner Darmstädter Anwältin Venous Sander auf einer von Melanie Gärtner, Hannes Karnick (beide AG DOK Hessen) sowie Leila Haschtmann (Film- und Kinobüro Hessen) einberufenen Online-Pressekonferenz am 16. Dezember schildert.
Hausdurchsuchung in Teheran
Während er im März zur Vorführung seines Films „Alone“ in Frankfurt am Main weilte, wurde Jafar Najafis Wohnung in Teheran durchsucht. Dabei wurde auch von ihm gedrehtes Material beschlagnahmt, das die brutale Polizeigewalt während der Frau-Leben-Freiheit-Proteste im Iran dokumentiert.
Der Regisseur berichtet, dass er ebenfalls online unmittelbar bedroht wird, bei einer Rückkehr in den Iran sei für ihn mit Gefängnis und Folter zu rechnen. Dennoch wurde sein Antrag auf Asyl vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Mai abgelehnt, eine Entscheidung ist nun beim Verwaltungsgericht Darmstadt anhängig.
Das Filmbüro Hessen sammelt in einen offenen Brief Unterschriften, mit denen man helfen will, Abschiebung und Auslieferung Jafar Najafis an das iranische Mullah-Regime zu verhindern.
Najafi hatte nie vor, seine Heimat zu verlassen. Trotzdem könnte er nun in Deutschland endlich seinen Film über die Frau-Leben-Freiheit-Proteste in Iran fertigstellen. Die Entscheidung des Bamf, man versteht sie nicht.
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