piwik no script img

Investitionen in Erneuerbare in KeniaAndere Seite des Vorzeigeprojekts

Bundeskanzler Scholz lobt Kenia als Klimavorreiter. Die Zivilgesellschaft berichtet jedoch auch über Menschenrechtsverletzungen bei den Projekten.

Bundeskanzler Olaf Scholz lässt am Samstag im kenianischen Olkaria den Blick schweifen Foto: Michael Kappeler/dpa

taz | Berlin Einiges hat Olaf Scholz bei seinem Besuch von Afrikas größtem Geothermiewerk in Olkaria, Kenia, am Samstag nicht gesehen. Etwa, dass beim Bau von Olkaria auch Menschenrechte der indigenen Gemeinde der Maasai verletzt wurden. Während der deutsche Bundeskanzler Kenia als „inspirierenden Klimachampion“ lobte, kritisieren zivilgesellschaftliche Organisationen nicht nur, dass ihre Arbeit und die der Presse durch die politische Führung eingeschränkt wird.

Sie sagen auch, dass Investitionen in erneuerbare Energien nicht immer „gerecht“ verlaufen. Dabei betonen Deutschland und die EU immer wieder, im Kampf gegen den Klimawandel eine „gerechte Energiewende“ unterstützen zu wollen, etwa mit den Just Energy Transition Partnerships und Energie- und Entwicklungspartnerschaften, wie auch mit Kenia.

Purity Nyaguthii verbindet mit dem Geothermiewerk Olkaria, das auch von Deutschland finanziert wird, viel Frust. Die Anwältin engagiert sich bei der Menschenrechtsorganisation Impact für die Rechte von indigenen Völkern und leitet dort die Abteilung für verantwortungsvolle Investitionen, Wirtschaft und Menschenrechte. „Olkaria ist eine sehr traurige Geschichte“, sagt sie der taz am Telefon.

Lebensraum der Maasai durch Umsiedlung verschlechtert

Diese Geschichte beschäftigt die Organisation schon viele Jahre. Für den Bau des Werks wurden zwischen 2012 und 2014 über 1.000 Maasai von ihrem Land vertrieben. Die Anwohner kritisieren, dass sie über die Pläne vorher nicht ausreichend informiert worden seien. Dabei hätten die Regelungen bei den größten Investoren des Projekts – der Weltbank und der Europäischen Investment Bank – dies auch damals schon vorgesehen.

Zudem sei das Land für den Bau nicht rechtmäßig erworben worden, so die Maasai. Anwohner, die nach einer ersten Einigung umgesiedelt wurden, hätten nun nur noch die Hälfte der Fläche zur Verfügung. Zudem sei der Boden in den neuen Gebieten auch weniger fruchtbar, was die Ernährungssicherheit der Gemeinde bedrohe. Auch der Weg zur nächsten Stadt sei weiter. Viele der Hirten seien aber auf Nebeneinkünfte angewiesen, die sie dort erwirtschaften. Die Maasai kritisieren außerdem, dass die Anlage die Luft verschmutze, was negative Auswirkungen auf ihre Viehbestände habe.

Auch die Weltbank stellte Verstöße fest

Mittlerweile gibt es einige Dokumente, die den Fall beleuchten. 2015 bestätigte ein Bericht der Weltbank, dass Rechte der Maasai verletzt worden seien, darunter nicht ausreichende Konsultation und Umsiedlung „in Ländereien, die weniger geeignet waren als ihre alten Lebensräume“. 2016 gab es eine formale Einigung zwischen dem staatlichen Energieunternehmen KenGEN, welches das Geothermiewerk Olkaria betreibt, und der Maasai-Gemeinde.

Doch einige der Punkte seien bis heute nicht erfüllt, kritisiert Nyaguthii. 2019 verloren die Maasai ein Gerichtsverfahren zu den Landtiteln. Im Kampf um ihr Landrecht hoffen sie nun auf Hilfe der Vereinten Nationen.

„Die Prozesse dauern zu lange“, sagt Nyaguthii, „diese Investitionen zwingen die Gemeinden immer wieder, vor Gericht zu gehen, und die Gerichtsverfahren in diesem Land sind sehr langwierig, sehr mühsam und sehr teuer“, kritisiert sie. „In den meisten Fällen ist der Schaden bereits angerichtet, selbst wenn ein Urteil ergeht, kommt es zu spät.

Indegene Völker sollten von den Projekten profitieren

Ein Bericht des Business & Human Rights Resource Centre von 2022 zeigt, dass Olkaria kein Einzelfall in Kenia ist. Der Bericht stellt sechs grüne Energieprojekte vor, in denen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert wurden. Häufig geht es um die Rechte indigener Völker, unzureichende Konsultation und negative Auswirkungen auf Ernährungssicherheit und Lebensumstände der Gemeinde.

„Wir wollen auch, dass wir auf saubere Energie umsteigen, aber die Energiewende sollte gerecht sein“, sagt Nyaguthii. Investoren von erneuerbaren Energien sollten nicht die Fehler der fossilen Industrie wiederholen. Ein gerechter Übergang bedeute, dass Gemeinden schon bei Beginn der Projekte miteinbezogen werden und auch davon profitieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Nicht nur Afrika ist dafür anfällig. Das können wir auch - sehr gut sogar....

  • In Kenia ist der pro Kopf Verbrauch von Strom bei 157 KWh, in Deutschland bei 1322 KWh, diese Zahlen muss man erwähnen um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

  • "Inspirierend"! Was für eine Heuchelei von Scholz. Doppelt und dreifach. Denn offensichtlich ist in Kenia ja nicht alles gut gelaufen. Zudem soll der Kanzler mal sagen wer da eigentlich inspiriert werden soll. Im Zweifelsfall ja wohl nicht man selber. Denn da gibt es ja Konflikte. Zuhause in Deutschland muss man die Bürger ja "mitnehmen". Entwicklungsländer haben da ganz andere Möglichkeiten. Und dann kommt der Kanzler auf globaler Umwelt- Inspektionstour vorbei: ein bisschen loben, ein bisschen fordern, ein bisschen sich selber reinwaschen und bestimmt auch ein bisschen deutsche Technologie anpreisen, es ist für alle was dabei.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Das heißt, Sie haben erwartet, dass der Kanzler den Kenianern endlich mal erklärt, wie man Klimawende richtig macht?

  • Das sind doch Milliarden-Projelte, da sollte wohl genug Geld übrig bleiben um die Betroffenen anständig zu entschädigen.

    • @Jesus:

      Alte Kaufmannsweisheit: man hat es vom Behalten, nicht vom Ausgeben...

    • @Jesus:

      Bei Milliardenprojekten halten so viele die Hände auf, da wird das Geld nicht mal für Projekt selbst reichen.



      Afrika ist dafür auch sehr anfällig, siehe die überraschende Entwicklung bei den Beninbronzen.

  • An sich ist Geothermie eine flächensparsame Form der Energiegewinnung. Ein ordentlicher Umgang mit örtlich betroffenen wäre also wenig aufwändig.



    Wenn das nicht erfolgt, ist es eher ein schlechtes Zeichen für Kenia insgesamt als für diese Energieform speziell.