Interview mit AfD-Chef sorgt für Kritik: RBB versagt, Rechtsextreme jubeln
Der RBB lässt Brandenburgs AfD-Chef rund 40 Minuten in einem Sommerinterview zu Wort kommen. Ohne kritisch nachzufragen. Ein Wochenkommentar.
E xakt 39 Minuten und 16 Sekunden Sendezeit, die zu viel waren. Sendezeit für den Rechtsextremismus – der RBB hat sich ein Eigentor geschossen. Ein Fehler, denn das Interview hätte nicht gegeben werden dürfen. Und die Reaktion der Sendeanstalt, die aufgrund hagelnder Kritik nun folgte, macht leider alles schlimmer.
Es ist oft schwierig, als Journalist*in, richtig mit der AfD umzugehen. Nicht auf Provokationen hereinzufallen; nicht selbst Teil der Empörung zu werden, die geklickt und geklickt wird. Und dennoch über Relevantes der größten Oppositionspartei zu berichten.
Die Vorstellung, Journalist*innen könnten die AfD durch besonders gut geführte Interviews entlarven, führt meistens in die Irre. Gut vorbereitet, kann sie so ihre Weltansicht darlegen. Strategisch provozieren. Seit Jahren wird vor der Verschiebung öffentlicher Diskurse gewarnt. Vor der Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts. Eine Mammutaufgabe für viele ausgezeichnete und hart arbeitende Journalist*innen und Redaktionen. Ganz und gar nicht einfach.
Einfach wäre es jedoch gewesen, den Fehler des RBB am vergangenen Sonntag zu verhindern. In der Interviewreihe „Politik am See“, plauderte der Sender knappe 40 Minuten mit Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, der gemeinsam mit Höcke an der Spitze des offiziell aufgelösten, aber weiterhin aktiven rechtsextremen „Flügels“ der Partei steht. Während das Gespräch über Internetanbindung im Osten, Coronamasken und Arbeitsplätze dahinplätscherte, nutzte Kalbitz seine Chance und inszenierte sich als Opfer des Verfassungsschutzes.
Kurzer Schwenk zur HDJ
Was der RBB geschehen ließ. Denn alle Spitzenpolitiker*innen aus den Parlamenten müssten dieses Interview bekommen, so die Argumentation. Den kurzen Schwenk zu seiner Verbindung zur Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) tat er mit „juristischen Fragen“ ab. Zurück zu Popcorn und harmlosem Politikgeschwafel.
„Wow, ein sogar vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist bezeichneter AfDler bekommt beim RBB so eine Bühne. Läuft bei euch!“, kommentierte eine Zuschauerin das Gesehen. Der Sender widersprach zunächst: „Der Verfassungsschutz spricht von Hinweisen. Bewiesen ist bisher nichts.“ Ein Fehler, den der RBB später korrigieren musste. Denn sogar der Verfassungsschutz sieht das anders.
Nun setzt die Reaktion des RBB-Chefs Christoph Singelnstein am Mittwochabend allem noch eins drauf: Die Expertise des Hauses zum Thema Rechtsextremismus müsse bei solchen Gesprächen besser zum Tragen kommen; die Zusammenarbeit der Redaktionen werde verbessert. Das Gespräch an sich verteidigt er – mit einem Blablabla aus „Ausgewogenheit“ der Berichterstattung und diese Partei müsse „zu Wort kommen“.
Das ist ein Fehler. Zwischen Kalbitz „zu Wort kommen“ lassen und einem Interview ohne kritische Rückfragen liegen Welten. Nicht die Redaktionen müssen besser zusammenarbeiten: Der RBB sollte Rechtsextremismus nicht verharmlosen und normalisieren. Dieses flauschige Interview hätte es nicht geben dürfen. Kein Spiel, kein Eigentor.
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