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Intelligenz bei RabenProtestantische Gesinnungskräher

Raben sind noch klüger als gedacht. Sie können planen und verzichten – und zwar mit einer Leichtigkeit, die einer schwedischen Kleinfamilie abgeht.

Die Statue eines Raben vor dem einstigen Wohnhaus des Schriftstellers Edgar Allan Poe Foto: dpa

Dass Rabenvögel ziemlich intelligent sind, weiß man schon lange. Dass sie sich auch von einer protestantischen Gesinnungsethik leiten lassen, ist eine neue Erkenntnis. Es geht um die Bereitschaft zum Bedürfnisaufschub, das heißt: um Verzicht zugunsten einer späteren – besseren – Befriedigung. Entdeckt haben das schwedische Kolkrabenforscher an der protestantischen Universität Lund.

Raben und Krähen sind „Allesfresser“, im Gegensatz zu den meisten Tieren sind sie also nicht auf ein bestimmtes Nahrungsspektrum festgelegt, sondern allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, zudem werden sie sehr alt und leben in sozia­len Verbänden, daraus resultiert ihre verblüffende Intelligenz.

Speziell bei den neukaledonischen Krähen kommt noch ein besonders geschickter Umgang mit Werkzeug hinzu. Sie können mittels verschiedener Stöcker und Drähte, die sie zum Teil umbiegen, Futterstücke aus kompliziert verschachtelten Gefäßen angeln. Sie lernen dies bereits in ihren heimatlichen Wäldern, wo sie mit ähnlichen Werkzeugen Nahrung unter Rinden und in Erdlöchern finden.

Die schwedischen Zoologen Can Kabadayi und Mathias Osvath fügten nun bei ihren Experimenten noch den Faktor Zeit hinzu. Die gefangenen Kolkraben mussten einen Stein bestimmter Größe in ein Rohr fallen lassen, woraufhin unten ein Stück Fleisch herauskam. Die Vögel mussten den passenden Stein allerdings bereits 15 Minuten vor dem Versuch aus mehreren Steinen auswählen – und diese Zeit des Bedürfnisaufschubs wurde von den Forschern dann noch auf 17 Stunden erweitert.

Vorteil klar erkannt

Als wäre das noch nicht protestantisch genug, bekamen die Kolkraben neben Steinen auch noch Futterstücke zur Auswahl, die weniger begehrenswert für sie waren als die Fleischbrocken, die sie später zur Belohnung für den richtigen Gebrauch der Steine erhielten. „Die Vögel mussten also Selbstkontrolle beweisen“, schreibt die Welt, „und das schafften sie auch. In drei Vierteln der Versuche verschmähten die Tiere den Schnellimbiss und warteten lieber geduldig auf den Festschmaus.“

Der Protestantismus der Kolkraben, auch wenn er dabei nur zu 75 Prozent in Erscheinung trat, unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den schwedischen Kleinfamilienmenschen. Diese müssen ihrer Brut den Bedürfnisaufschub mühsam über Jahrzehnte hinweg und das täglich mehrmals anerziehen (wobei über 50 Prozent an der Konsumgesellschaft scheitern) und dürfen dabei auch vor einem gewissen Zwang nicht zurückschrecken, um protestantisches Langzeitdenken in ihren Kindern zu versenken („Iss nicht schon wieder ein Nutellabrot, Mutter kocht uns was Gutes!“ „Erst wenn du deine Hausaufgaben gemacht hast, darfst du raus!“ „Wenn du jetzt die Zähne zusammenbeißt und bis zum Abi durchhältst, hast du später weitaus bessere Chancen!“ und so weiter).

Die Vögel kapierten sofort, dass sie ihre forschenden Gefangenschaftswärter glücklich machten

Die Zoologen hatten es mit ihren Kolkraben, besonders mit Juno, weitaus leichter: Die Vögel kapierten quasi sofort, worin der Vorteil vorausplanenden Verhaltens bestand und dass sie damit ihre forschenden Gefangenschaftswärter glücklich machten, so dass diese ihre Ver­suchs­ergebnisse, als wären es ihre eigenen, sofort in alle Science-Welten hinausposaunen.

Den wirklich ernsthaften Rabenforschern, wie dem Deutschen Josef Reichholf oder dem Amerikaner Bernd Heinrich (beide katholisch!), imponierten die Experimente in Lund jedoch nicht: „Ich finde es merkwürdig, dass das Leben an sich nicht allen Leuten beeindruckend erscheint“, meinte Letzterer. „Aber aus irgendeinem Grund beeindruckt sie das ‚intelligente‘ Leben. Wenn man das Leben insgesamt betrachtet, ist Intelligenz nur eine Borste am Schwein.“

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19 Kommentare

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  • 9G
    97684 (Profil gelöscht)

    Huer8ein Morgensterngedicht.



    Thema Intelligenz im weiteren Sinne.



    Was mit "Intelligenz" passiert .

    Derr Rabe Ralf

    will will hu hu

    dem niemand half

    still still du du

    half sich allein

    am Rabenstein

    will will still still

    hu hu

    Die Nebelfrau

    will will hu hu

    nimmt's nicht genau

    still still du du

    sie sagt nimm nimm

    's ist nicht so schlimm

    will will still still

    hu hu

    Doch als ein Jahr

    will will hu hu

    vergangen war

    still still du du

    da lag im Rot

    der Rabe tot ,

    will will still still

    du du

  • 9G
    97684 (Profil gelöscht)

    "On drei Vierteln der Versuche verschmähten die Tiere den Schnellimbiss und warteten lieber geduldig auf den Festschmaus.“



    Na da sind die doch dem gemeinen-Menschen überlegen.



    "Kaufen Sie zwei statt drei und Sie sparen 50 %".



    Auf den Scheiss fallen wir rein. Wir Intelligenzbestien.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Rabe forever

    for Kanzler

    • @571 (Profil gelöscht):

      Rabenmutter oder -vater? Hatten wir doch schon.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @lions:

        Die Kanzler der letzten Jahre glänzten mehr oder minder allesamt durch ihr Rabentum.

        Rabenmutti? Fehlanzeige.

  • "Es geht um die Bereitschaft zum Bedürfnisaufschub, das heißt: um Verzicht zugunsten einer späteren – besseren – Befriedigung."

    Wie jetzt protestantisch? Den Katholiken wird auch eine postmortale Befriedigung nach einem spärlich-irdischem Leben prophezeit... an das sie mehr oder weniger glauben mögen.

    Mich treibt um, ob Rabenvögel nicht so ne Art Linke sein könnten.

    Den Forschern an dieser Uni scheint ja mächtig langweilig zu sein.

    • @lions:

      Bei Katholiken kann man beichten und hat dann wieder einen gewissen Ausgleich, wenn man seine Bedürfnisse gleich befriedigt. Grundsätzlich sind Charakterfehler durch monetäre und frömmelnde Leistungen aufrechenbar.

       

      Bei Protestanten hat man das nicht so und bei den ganz strengen sind Charakterfehler wie die fehlende Bereitschaft zum Bedürfnisaufschub grundsätzlich schon einmal ein Zeichen dafür, nicht die Gnade Gottes zu haben.

       

      Mit dem katholischen Gott kann man handeln, der protestantische sucht sich seine Kandidaten vorher schon aus und die können eigentlich nichts mehr falsch machen. Denn wenn jemand was falsch macht, kann Gott ihn kaum ausgewählt haben.

      • @sart:

        Auch der protestantische Gott vergibt den räuigen Sündern. Allerdings kann man diesen Sündenerlass bei den Protestanten nicht kaufen. Nicht mit Geld wie im Mittelalter und auch nicht mit dem Aufsagen von Versen. Zudem entscheidet auch kein Priester darüber, ob und wie die Sünden vergeben sind. In der katholischen Kirche kann man auch nicht mit Gott - sondern nur mit dem Priester handeln. Mit Gott muss in der evangelischen Kirche jeder selbst ins Reine kommen. Daraus zu schließen, dass es bei den Protestanten keine Vergebund gäbe und es vorbestimmt sei, wer in den Himmel kommt, halte ich für ziemlich abwegig.

    • @lions:

      Eine protestantische Uni nennt den intelligenten Bedürfnisaufschub "protestantisch". Eine vermutlich linke Kommentatorin "links". Bei den rechten (aber auch linken) Ideologien hat es an Bedürfnisaufschub in der Erziehung der Jugend überhaupt nicht gemangelt - eher im Gegenteil.

      Die Fähigkeit Bedürfnisse aufzuschieben scheint eine menschliche Fähigkeit zu sein, die wir Tieren eher nicht zutrauen. Bei genauer Betrachtung gibt es jedoch auch andere Beispiele, wie z.B. die Eichhörnchen, die Nüsse verscharren. Das besondere an den Raben ist jedoch, dass sie diese Fähigkeit nicht instinktiv machen, sondern dass sie dies für eine in der Natur nicht vorkommende Situation lernen können.

      • @Velofisch:

        Aufschub heißt ja nicht Verzicht, so rief seinerzeit Ferdinand Lassalle den "Kampf wider die verdammte Bedürfnislosigkeit" aus.

  • ;)) Aber Hallo! 's Mowgli

     

    Schon mein Urgroßvater pflegte anzumerken - "Papst? Vatikanstaat? -

    Nur weil ein Paffe in Rom sich so & seine zusammengeraubten paar Quadratkilometer Staat zu benennen beliebt - braucht uns das doch noch lange nicht weiter zu interessieren!"

     

    ("Vatikanstaat? - Wieviel Armee?"

    Des Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili war da noch in weiter Ferne. Aber.

    "Ach man will auch hier schon wieder nicht so wie die Geistlichkeit" in 'Pater Filucius' by

    Wilhelm Busch at hand!;)) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Pater_Filucius

    Der heutige Hype um diese Herrschaftsgezeiten in Rom -

    (& andere Nullovertspieler!)

    War dem insoweit aufgeklärterem 19.Jahrhundert komplett fremd!

     

    Der hier gerade verzapfte Treppenwitz ala taz "Evolutionstheorie ist islamisch"

    Ein herrliches Beispiel für derartige

    Wirrnis klerikal.

    kurz - Rein tonn katolsch warrn.

    http://www.taz.de/!5426689/#bb_message_3506908

  • "„Iss nicht schon wieder ein Nutellabrot, Mutter kocht uns was Gutes!“ „Erst wenn du deine Hausaufgaben gemacht hast, darfst du raus!“

     

    Wie machen das die Katholen? Dürfen die Kinder da essen wann sie wollen und müssen keine hausaufgaben machen?

    Interessiert mich.

  • Nu. Die Zurückhaltung der Katolen ist ja mehr als verständlich - Newahr!

    Sie zeien die Kolkies ja - unausgesprochen - von den

    7 Todsünden -

    Stolz

    Habsucht

    Neid

    Zorn

    Unkeuschheit

    Unmäßigkeit

    Trägheit oder Überdruss (acedia)

    Die 1. 2. 3. 5. & - doch doch -

    6. (warten auf den fetten Happen) -

    Mindestens! Aber Hallo!

    Na & Zur Beichte "kräht keine Krähe nach" - Gehen Protestanten - gell!

    In welcher Äußerlichkeit verhaftet auch immer - kerr!

    Ja nu ooch nich - wa!

    So geht das.

     

    kurz - "Wenn man das Leben insgesamt betrachtet, ist

    Intelligenz nur eine Borste am Schwein.“

    Aber - Soviel Schwein mußte erstmal haben - woll!

    Auch wieder wahr!

    • @Lowandorder:

      Gewisse "Katholiken" werden DEN Protestanten die Abfuhr nie vergeben, die ihr Papst vor fünf Jahrhunderten erfahren hat.

       

      Überhaupt: Gekränkte Eitelkeit kann ziemlich nachtragend sein. Vor allem, wenn sie nie gelernt hat, wie man sich beherrscht, um wieder eine Chance zu kriegen, nachdem man die schon mal versemmelt hat.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...nur junge, männliche Krähen leben im sozialen Verband.

    Erwachsene Krähen haben eine lebenslange Paarbeziehung.

    Diese Paare haben ein genau abgegrenztes Revier, dass sie gegenüber anderen Paaren verteidigen.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Während die postsäkularen schwedischen Ex-Protestanten nicht einmal mehr stabile Familienverbände formen können.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @kleyrar:

        ...von der Krähe lernen.