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Instagram-Account gegen BelästigungNein, es ist kein Kompliment

Eine Niederländerin veröffentlicht Selfies mit Männern, die sie sexuell belästigen. Die Aktion ist neu, das Problem dahinter ganz und gar nicht.

Hinterherpfeifen ist so 60s! Foto: dpa

Vor ein paar Tagen ging das Instagram-Profil „@dearcatcallers“ einer 20-jährigen Niederländerin durch die Medien. „Catcalling“ – so wird sexuelle Belästigung genannt, die auf offener Straße durch einen Mann gegenüber einer Frau geschieht, indem er ihr hinterruft, -pfeift, oder -kommentiert. Auf dem Instagram-Account veröffentlichte Noa Jansma einen Monat lang Selfies, auf denen neben ihr selbst auch ihre „Catcaller“ zu sehen sind – also die Männer, die sie gerade auf diese Art und Weise belästigt haben.

23 solcher Fotos finden sich auf dem Profil – und dabei hat Noa Jansma nicht jedes Mal fotografiert, als sie belästigt wurde, sondern nur in Situationen, in denen sie sich sicher genug gefühlt hat. Erschreckend, wenn man bedenkt, dass diese Fotos alle in nur einem Monat entstanden sind. Noch erschreckender sind allerdings die Posen und Gesichtsausdrücke der Männer, die auf den Fotos zu sehen sind.

Die meisten grinsen so stolz, als hätten sie gerade einen Marathon geschafft, manche legen dabei ihren Arm um Noa, manche sehen sie dabei anzüglich an. Klar, Noa hat ihnen nicht gesagt, zu welchem Zweck sie die Fotos macht. Trotzdem wird dabei deutlich: Die Männer fühlen sich großartig, nachdem sie einer Frau Sachen wie „hmmmm you wanna kiss?“ hinterherrufen und denken auch noch, die Frau fühlt sich danach genauso großartig. Noa Jansma selbst hat auf allen 23 Selfies den gleichen Gesichtsausdruck: Distanziert, kalt, neutral. Dadurch will sie zum Ausdruck bringen, dass sie ihn solchen Situationen nicht mehr als nur ein Objekt ist, das die Männer da angaffen.

Dass Catcaller in Amsterdam ab dem 1. Januar 2018 bis zu 190 Euro Strafe zahlen müssen, hält Noa Jansma zwar symbolisch für ein gutes Zeichen (In der niederländischen Stadt Rotterdam folgen dann sogar bis zu 1.400 Euro oder drei Monate Gefängnis). Wie leicht das Gesetz umgesetzt werden kann, ist jedoch fraglich. Sicher ist, dass es auch in anderen Ländern Überlegungen gibt, wie mit Catcallern umgegangen werden soll: Peru verabschiedete ein Gesetz im März, in Panama wird noch darüber diskutiert, Argentinien könnte demnächst nachziehen.

Grenzen sind fließend

Der Instagram-Account von Noa erreicht ähnlich viel Aufmerksamkeit wie der #Aufschrei Anfang 2013 oder wie das Youtube-Video einer jungen Frau, die durch New York läuft und mit versteckter Kamera gefilmt wird, wie oft sie blöd angemacht wird. Das Youtube-Video wurde im Oktober 2014 veröffentlicht und ward damals genau wie Noas Instagram-Account von allen großen Medien besprochen. Alle waren geschockt, wie viel Alltagssexismus Frauen doch tagtäglich ausgesetzt sind – für ein paar Wochen. Dann geriet das Video in Vergessenheit und alle konnten wieder so weitermachen wie davor.

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Mehr als ein Jahr später dann: die berüchtigte Silvesternacht in Köln. Für die zahlreichen sexuellen Übergriffe in der Nacht müssen ausländische und „exotisch aussehende“ Männer als Sündenböcke herhalten, aber es entsteht erneut eine öffentliche Diskussion über Alltagssexismus und sexuelle Übergriffe. Die Übergriffe, die in der Kölner Silvesternacht passierten sind zwar anders – wenn man so will: schlimmer – als das Catcalling.

Dass die Grenzen zwischen verbaler und körperlicher Belästigung aber oft fließend sind, wird allerdings unter anderem in dem taz-Blog deutlich, der nach der Kölner Silvesternacht ins Leben gerufen wurde: Frauen erzählen hier von sexuellen Übergriffen, die ihnen auf dem Heimweg oder woanders passiert sind, darunter finden sich zahlreiche verbale als auch physische Übergriffigkeiten, die oft ineinander übergehen.

Die Idee von Noa Jansma, Selfies mit ihren Catcallern zu machen, ist neu. Das Sexismus-Problem nicht und es ist auch noch lange nicht aus der Welt, wie viele Männer oft behaupten – und dann mit Merkel als Bundeskanzlerin daherkommen. Es bräuchte öfter so medienwirksame Aktionen wie „@dearcatcallers“. Denn sonst ist das Sexismus-Problem auch weiterhin nur alle paar Monate mal Thema.

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15 Kommentare

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  • Genossen,

    es geht doch darum, dass man einer Frau respektvoll gegenübertritt. "Niemand" will sicherlich neokatholische Moralmodelle - aber eben auch kein prolliges "Ey Mausi! Bei mir ficken oder bei dir?"

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "...als ich das Thema »Cat Calling« zur Sprache brachte. In der daraus entstandenen Diskussion stellte ich fest, dass meinen männlichen Kommilitonen gar nicht klar war, wie oft Frauen belästigt werden – und, noch wichtiger, dass ihnen nicht bewusst war, was Frauen überhaupt als Belästigung empfinden. "

     

    ^^Was ich bei dieser Debatte übrigens auch interessant finde. Sie spricht von "den" Frauen. Stellvertretend.

     

    Eine (übrigens nicht unattraktive) Bekannte von mir beschwert sich regelmäßig darüber, das sie nie angesprochen und angeflirtet wird und Tyen auf ihre Flirtversuche abweisend reagieren.

    Ich versuche ihr immer klarzumachen das es nicht daran liegt, das sie als unattraktiv wahrgenommen wird, sondern an ihrer ziemlich taffen Austrahlung die manch einen Typen einschüchtert.

     

    Ich hoffe sie liest dieses Interview nicht, wonach es angeblich üblich ist, als Frau einmal am Tag angebaggert zu werden.

     

    Mal Butter bei die Fische. Diese Frau Jansma ist ziemlich hübsch. Ich glaube nicht, das eine tägliche Anmache von Typen Standart bei Frauen im Durchschnitt ist.

    Warum wird immer so dermaßen übertrieben?

  • Ich finde erstmal erschreckend, dass dem Autor nicht aufgefallen ist, dass die Fotos in Barcelona entstanden sind. Würde mich auch wundern, wenn das gleiche in Amsterdam in der Frequenz passieren würde. Jedenfalls muss ich jetzt glauben, dass der Rest dieses Artikels auch auf Mutmaßungen und falschen Zusammenhängen beruht.

  • Als Denkexperiment:

    Jetzt sollten sich all die Männer (vermutlich: hardcore-Heteros), die das Thema irgendwie lächerlich finden, mal vorstellen: ihr geht an einer Schwulenbar vorbei und werdet alle 5 Meter angebaggert, für euren knackigen Hintern komplimentiert (wofür der wohl gut wäre), ob ihr küssen wollt...dann kommen tatsächlich einige so nah und legen euch den Arm um die Schulter halb auf eure Brust, fassen euch an.

    Ich glaube, ihr würdet ausflippen. Um euch schlagen, die Polizei rufen. "Schwule Sau" rufen und ähnliches?

    Aber irgendwelche notgeilen, testosterongesteuerten Dumpfbacken dürfen einfach fremde Frauen angrapschen und verbal belästigen?

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Mitch Miller:

      Okay, ich stelle mit das nun vor, bin allerdings bisexuell. Die Frau oben im Artikel ist lesbisch? Konnte ich gar nicht rauslesen...

      Warum ich das wichtig finde? Weil du davon ausgehst das Frauen Männer ähnlich asexuell betrachten, wie du es anscheinend tust.

       

      Ich behaupte mal, als Bisexueller einen gewissen praktischen Vorteil in der Beurteilung der Sexualität von beiden Geschlechtern zu haben.

       

      Deshalb empfinde ich auch beide Seiten mit ihren Behauptungen als unehrlich.

  • Erschreckend das 23 Männer einer Jungen Frau hinterher rufen? In was für einer Welt ist das erschreckend?

     

    Ich finde vielmehr erschreckend dass es dafür eine Geldstrafe gibt. Wie sieht die Auslegung hierzu aus? Ab wann ist es Belästigung? Wollen wir in einer Gesellschaft leben in der jede nicht erwünschte Kommunikation / Handlung mit einer Geld- oder gar Haftstrafe belegt wird?

     

    Ich nicht.

    • @Franco:

      @Franco: Die hellste Kerze auf der Torte scheinst Du nicht zu sein, dass du einen so unreflektierten Kommentar raushaust. Diese Art von Nachstellung ist beängstigend und in ihrer Penetranz beleidigend und herabwürdigend. Es ist ein sexuell motivierter Übergriff, der einfach so nicht zu dulden ist. Ist das so schwer zu begreifen?

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @Kurfuerst:

        Was genau ist ein sexueller Übergriff?

         

        Eine anzügliche, ekelhafte Bemerkung? Laut Defintion ist das erstmal kein Übergriff, aber trotzdem natürlich sehr unschön.

         

        Ab wann ist ein Kommentar anzüglich?

         

        Ist ein "Hallo, ich würde dich gerne kennen lernen" anzüglich? Das bestimmt dann wohl der Empfänger.

         

        Sieht eigentlich keiner vor lauter moralischer Empörung die Gefahr, wenn das Ansprechen von Frauen in der Öffentlichkeit verboten werden soll? Oder wie soll man das schöner umformulieren, nachdem man dieses New York Video gesehen hat, wo auch schon ein einfaches "Hello" unterschiedlos zur Belästigung dazugezählt wird?

         

        Das wirklich ein Bärendienst, den uns momentan diese Neofeministinnen einbrocken.

        Frauen auf Bildern in der Öffentlichkeit und Werbung bitte nur noch in unsexy und mit verhülltem Körper, Anredeverbot von Frauen in der Öffentlichkeit wie in Amsterdam, Verbot von breitbeinigem Sitzen in Madrid...

        Brilliant!

      • @Kurfuerst:

        Danke für die Persönlichkeiten, ich hoffe Du bist eine hellere Kerze.

         

        Zur Sache: so lange nicht bedroht, beleidigt oder gar angefasst wird, ist es vielleicht lästig, aber noch lange nicht strafwürdig. (In meinen Augen.)

         

        Schade das SIE nicht begreifen welche weitreichenden Folgen es haben kann für eine Gesellschaft wenn das bloße Ansprechen von Menschen unter Strafe gestellt wird.

    • @Franco:

      Fändest du es wirklich so toll, wenn dir auf der Straße wildfremde Männer, mit denen du nicht mal ein Bier trinken, geschweige denn irgendwelche erotischen Dinge tun willst, hinterherpfeifen, hinterherlaufen und dir ungefragt "Komplimente" über deine Augen oder deinen Arsch machen würden? Und das nicht einmal, sondern quasi täglich?

       

      Ich jedenfalls nicht. Und das, obwohl ich schwul bin. So ein Verhalten ist nicht "nur" sexistisch, sondern auch einfach asi. Und alternativ zur Geldstrafe kann's dafür auch mal aufs Maul geben. Oder halt ein peinliches Foto auf Instagram. Gute, kreative Aktion, das!

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @Earendil:

        "Fändest du es wirklich so toll, wenn dir auf der Straße wildfremde Männer, mit denen du nicht mal ein Bier trinken, geschweige denn irgendwelche erotischen Dinge tun willst, hinterherpfeifen, hinterherlaufen und dir ungefragt "Komplimente" über deine Augen oder deinen Arsch machen würden?"

         

        -Ich finde eine ganze Menge Dinge "nicht toll", ohne sie deshalb gleich verbieten zu wollen. Das ist reaktionär. Im übrigen wird es genau da schwierig, wenn nicht mehr zwischen einem eventuell ernst gemeinten Kompliment im Bezug auf schöne Augen, cooler Style, schicke Frisur unterschieden wird und einem Spruch über den "geilen Arsch". Wie soll man sich so eigentlich im realen Leben noch kennen lernen, wenn man irgendwen auf der Straße sieht und echtes Interesse hat? Und wie soll man jemanden EHRLICH ansprechen den man nicht kennt, aber äusserlich interessant findet? Nur noch über den Internet-Flirtchat und Tinder? Schöne neue Welt..

         

        "Ich jedenfalls nicht. Und das, obwohl ich schwul bin."

         

        -Ich bin Bi und kenne solche plumpen Anmachen auch von schwulen Männern(wenn auch natürlich nicht täglich)

        Dafür weiß ich auch, wie herrlich unkompliziert und ehrlich so manches Sexuelle zwischen Mann und Mann ablaufen und kommuniziert werden kann und wieviel Prüderie und Heuchelei es dagegen zwischen Mann und Frau gibt.

         

        Das hat wie so vieles zwei Seiten

      • @Earendil:

        Es gibt vieles was ich nicht toll finde oder sogar gänzlich ekelhaft, trotzdem finde ich nicht dass der Staat das dann bestrafen soll.

    • @Franco:

      Natürlich wollen Sie das nicht. Aber Sie werden ja wahrscheinlich auch nicht auf Schritt und Tritt belästigt und angesprochen und angemacht und angefasst. Oder?

       

      Dass es besser wäre, wenn Männer sich auch ohne Strafandrohung beherrschen könnten, sehe ich auch so.

  • ganz so war es ja nicht mit dem Video. Sondern die Diskussion glitt schnell in die Richtung ab, ob es nicht rassistisch sei, weil überproportional viele Schwarze bei den "expliziten" Anmachen vertreten waren.

    Und natürlich wurde auch diskutiert, ob alle der Äußerungen, die oft wirklich nur freundlich waren, als übergriffig angesehen werden müssen - wohlgemerkt nicht nur von Männern.

  • Das Problem bei solchen Selfies ist natürlich, dass das leicht als Aufforderung missverstanden wird, sich halt mit ihr fotografieren zu lassen. Bzw. als Ausrede taugt das dann allemal. Eine versteckte Kamera ist da aussagekräftiger.