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Insolvenzen in DeutschlandErfolg der Wirschaftspolitik

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Zahl der Insolvenzen liegt erstaunlich niedrig – ein grandioser Erfolg von Kurzarbeitergeld und Rettungskrediten. Genau davon braucht es jetzt mehr.

Abgesperrte Terrasse eines Lokals in der Coronakrise Foto: Gstettenbauer/imago

E in grandioser Erfolg: Die Zahl der Insolvenzen liegt erstaunlich niedrig. Trotz der Coronakrise und trotz der hohen Energiepreise sind bisher nur wenige deutsche Firmen in Bedrängnis geraten, wie die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes ausweisen. Man sollte sich nicht davon irritieren lassen, dass im August die Zahl der Insolvenzen um 6,6 Prozent höher lag als im Juli. Das ist nur eine Momentaufnahme, die nicht die vergangen Jahre widerspiegelt.

Noch erstaunlicher: Derzeit rutschen sogar weniger Firmen in die Pleite als in den guten Jahren 2018 und 2019, als noch kein Coronavirus um den ganzen Erdball zog und als Putin noch nicht die wahnsinnige Idee hatte, sein Nachbarland zu überfallen. Die deutsche Wirtschaftspolitik hat also in den Krisenzeiten bisher gut funktioniert.

Die Maßnahmen in der Coronakrise waren schlicht und effektiv, denn sie setzten sowohl bei der Nachfrage wie beim Angebot an. Freigesetzte Angestellten bekamen Kurzarbeitergeld, sodass sie weiterhin konsumieren konnten. Umgekehrt erhielten die Firmen bei Bedarf staatliche Rettungskredite. Bezahlbar waren diese Hilfen auch: Der deutsche Staat ist weit entfernt davon, „überschuldet“ zu sein.

Diese Kombination aus Kurzarbeitergeld und Rettungskrediten war so gelungen, dass Deutschland auf diese Art eines „Rettungsschirms“ erneut zurückgreifen sollte, falls sich die Ukrainekrise verschärft. Noch weiß niemand, wie lange Putins Krieg währt, wie viel Gas am Ende zur Verfügung steht, wie kalt der Winter wird – und wie viel Energie sich mühelos einsparen lässt. Aber es ist nicht auszuschließen, dass Gas so knapp und teuer wird, dass einige Firmen vorübergehend schließen müssen. Viel diskutierte Beispiele sind die Bäckereien, aber auch Betriebe in der Chemieindustrie, die Gas als Grundstoff benötigen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits angekündigt, dass es erneut Staatshilfen geben wird. Das ist keine Hiobsbotschaft, sondern sollte Zuversicht auslösen. Denn bisher war die deutsche Krisenpolitik extrem erfolgreich.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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7 Kommentare

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  • In Deutschland ist gegenwärtig in Nachrichten viel von Unternehmen zu hören, die angeblich auf nie dagewesenen Auftragsbeständen sitzen, es nicht schaffen, diese abzuarbeiten, aufgrund von Lieferketten Unterbrechungen infolge von Rohstoffengpässen, oder gleichgearteten Problemen bei Zuliefer Firmen, was stutzig macht, befürchten lässt, dass manche Unternehmen zu kreativen Optimierung ihrer Bilanzen greifen, vielleicht noch nicht strafbar, aber betriebswirtschaft nicht ganz koscher mit Luftbuchungen unterwegs sind, weil da Aufträgesvolumen zwar gesetzlich zulässig als Posten in Bilanzen gehalten werden, ausbalancierte Gewinn-, Verlustrechnungen zu suggerieren, obgleich vorliegender Auftragsestand längst Potemkinsche Dörfer abbilden, die aufgrund vielerlei Ursachen nicht mehr zur Abwicklung kommen, u. a. der Inflation gestiegener Preise wegen, die mit rentablen Offerten Preisen nicht mehr in Deckung zu bringen sind, Insolvenzanträge hinauszuzögern, weil mit denen selbst in Eigenredie sofort vorgezogne Fälligkeit von Krediten durch Hausbanken drohen, Kreditlinien zur Aufrechterhaltung Betriebes null und nichtig sind. Diese Gefahr bei Betriebsrüfungen nicht auf dem Bildschirm ist, die, wenn überhaupt im Turnus von 5 Jahren und mehr stattfinden



    Last but nor least geraten wir unmerklich in Klumprisiko Gefahrenzone: Auftragsbestandsabarbeitung ist zu vereinbarten Bedingungen nicht mehr darstellbar, u. a. weil gestiegene Preise den Vereinbarten davongelaufen sind

  • Während der Coronakrise hat der Staat allerdings nur einzelne Branchen abgewürgt und Milliarden in nutzlose Schutzmaßnahmen versenkt. Der Gasmangel aber führt zu einer generellen Verteuerung und einem Rückgang der Wirtschaftdleistung, eine Ausweitung von Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld würde die Inflation also anheizen.

  • Gute Nachrichten!



    Es ist erfreulich, mal einen positiven Artikel über Politik zu lesen, der auch noch fundiert ist.



    Es erscheint mir weniger zielführend, die Krisenlage durch Bonusgemecker und Politikermobbing aufzubauschen, wie es derzeit bei Anderen üblich ist.



    Wer natürlich den Faschismus in Deutschland stärken möchte und den bereits in der Presselandschaft angekündigten rechten Protest im Herbst, der/die muss weiterhin Alles kritisieren, Politiker verunglimpfen und auf individuelle Bonuskrisen hinweisen, die ja auch noch nicht gelöst wurden .



    Statt dessen:



    schön, den Arbeitstag positiv zu beginnen!

  • "Denn bisher war deutsche Krisenpolitik extrem erfolgreich."



    Wenn die Krise selber zur Referenzgröße erfolgreicher Wirtschaftspolitik wird, wie ihier adressiert, statt Normalbetriebs. klingt das als sei die Krise Neuer Normalbetrieb der Wirtschaft wie sonst nur zu Kriegszeiten, die auf Dauer angelegt sind. Das wäre das wovon Ulrike Herrmann in ihrem aktuellen Artikel in Le Monde schreibt "Planwirtschaft fürs Klima. Es lohnt ein Blick auf die britische Kriegsökonomie ab 1939" mit Erfindung Begriffs Bruttosozialprodukts (BIP) als von nunan global geltender Richtgröße Gesamtwirtschaft.



    "Freigesetzte Angestellten bekamen Kurzarbeitergeld, sodass sie weiterhin konsumieren konnten."

    Glatter u voll des Eigenlobes hätte es Wirtschaftsministerium Pressestelle Robert Habecks nicht formuliert. Wobei Frau Herrmann hier unkenntlich macht, s. Le Monde, dass sie mit Agenda in Grün unterwegs ist, der Planwirtschaft fürs Klima im Krieg?

    Mit dem Konsumieren von Kurzarbeitergeldempfängern*nnen ist das bei reduziertem Leistungsbezug gegenüber vorherigem Einkommen bei verminderter Rentenanwartschaft mit Aussicht auf Altersarmut prekäre Veranstaltung zugunsten unvermindert provitabler Betriebe, staatlichen, kirchlichen Einrichtungen.



    Frau Herrmann Sie sollten neoloberaler Sprachregelung nicht folgen, nicht von Freigesetzten mit Chance zu neuen Herausforderungen schreiben, sondern von Entlassenen, denn die kollidiert nach mit der taz DNA seit 1978 protegiert u. a. von Christian Semler (1938-2013) vor allem vor kurzem verstorbenem taz Mitbegründer Hans-Cristian Ströbele (1939-2022)



    Do it Yourself Insovenzen "On Demand Beschäftigter" in prekären Arbeitsverhältnissen in zunehmend digitalisierten Arbeitswelt der Scheinselbständigen werden von Statistik nicht erfasst, die melden sich einfach arbeitslos ohne Rentenanwartschaftspunkte gezahlt zu haben in Hartz4 Leistugsbezug. Zahl Abreitsloser August 2022 ist überraschend gestiegen. Auch das gehört zum Insolvenz Gesamtbild Deutschlands

  • Tja, kommt darauf an, was man als Erfolg definiert. Den dringend benötigten Strukturwandel hin zu einer weniger energieintensiven Produktion in vielen Bereichen fördert man dadurch jedenfalls nicht.

  • Man sollte vielleicht noch einmal ganz deutlich darauf hinweisen, dass es keine "Entlastung für alle" geben kann. Das gilt für die Wirtschaft wie für Privatleute.

    Der Staat kann letztlich nur umverteilen, d.h. irgendeine Gruppe muss für die Entlastungen der Anderen mehr bezahlen.

    Notkredite und Kurzarbeitergeld sind so Maßnahmen, die normalerweise nur punktuell ausbezahlt werden.

  • "Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits angekündigt, dass es erneut Staatshilfen geben wird. Das ist keine Hiobsbotschaft, sondern sollte Zuversicht auslösen. Denn bisher war die deutsche Krisenpolitik extrem erfolgreich."

    Wenn mit "Bisher" die Corona-Phase 2020/2021 gemeint ist, könnte man fast zustimmen. Was allerdings jetzt aus Berlin kommt löst nur Verunsicherung bei den Unternehmen aus. Wahrscheinlich weil Habeck vor lauter offenen Themen selbst nicht mehr weiß wo und wie er ansetzen soll. Es ist ja nicht nur der kurzfristige Energiebedarf, der Problematisch ist, sondern auch die langfristige Problematik. Hinzu kommt noch das Problem mit adBlue, das zu einem vollständigen Kollaps der Spediteure führen könnte. Und das in absehbarer Zeit (3-6 Monate), wenn keine Lösung gefunden wird. Von dem bisher nicht genannten Problem das die Energieversorger europaweit 1500 Milliarden € Eigenkapital dem Finanzmarkt zuführen müssen, um Kurz- und Langzeitenergiekontrakte bedienen zu können, mal ganz abgesehen.

    Wir schlittern sehenden Auges auf einen gesamteuropäischen Energie- und Wirtscaftskollaps zu. Und Berlin wartet....auf was eigentlich ? Die Probleme lösen sich nicht wie unter Merkels Amtsperioden "von allein".