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Innensenator über Flüchtlinge„Hamburg wäre überfordert“

Von SPD-Innensenator Michael Neumann fordern Flüchtlinge in Hamburg ein Bleiberecht. Er sagt, er könne nicht gegen das Gesetz handeln.

Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ in einem Info-Zelt. Bild: dpa

taz: Herr Neumann, die Hamburger St.-Pauli-Kirche hat 80 Flüchtlinge aufgenommen, die aus italienischen Camps stammen. Hat Sie das überrascht?

Michael Neumann: Nein. Warum sollte mich das überraschen?

Die Flüchtlinge protestieren gegen ihre Abschiebung in ein EU-Land, und die Kirche unterstützt sie darin. Ein offen ausgetragener Konflikt ist in dieser Dimension selten.

Gewiss ist auch die Kirche der Auffassung, dass wir geltende Gesetze auch anwenden müssen. Der erste Schritt ist, dass die Menschen uns ihre Namen und ihre Fluchtgeschichten schildern. Dann können wir individuell sehen, ob sie Aufenthaltsmöglichkeiten in Hamburg haben oder nicht. Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

Die Flüchtlinge sagen, die italienische Regierung habe ihre Camps geschlossen und ihnen EU-Reisepapiere ausgestellt.

dpa
Michael Neumann

Der 43-jährige Diplom-Politikwissenschaftler leitet seit dem Jahr 2011 die Hamburger Behörde für Inneres und Sport im SPD-Senat von Olaf Scholz.

***

Eine Rückkehr nach Italien komme für die „Lampedusa in Hamburg“-Gruppe nicht in Frage, sagt die italienische Juristin Loredana Leo. „Die Flüchtlinge bekommen einen Stempel, danach überlässt sie der Staat sich selbst“, so Leo, die bei der Migrantenrechtsorganisation ASGI in Rom arbeitet. Es gebe keinerlei Sozialleistungen, bei einer Rückkehr würden die Schutzsuchenden dauerhaft auf der Staße leben muüssen. Zudem sei fraglich, ob Italien ihre Aufenthaltstitel verlängert.

Ja, das steht so in Zeitungen. Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht. Unser Recht sieht vor, dass ein Mensch, der in Deutschland Schutz und Hilfe sucht, mit den Behörden sprechen muss.

Dann könnten schnell die sogenannten Dublin-II-Regeln der EU greifen, und die Menschen müssten nach Italien zurück.

Das Aufenthalts- und Asylrecht ist transparent, kann jedoch am Ende dazu führen, dass Gerichte feststellen, dass jemand kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat. Eine Entscheidung, die am Ende akzeptiert werden muss.

Die italienische Regierung hat sich nicht an EU-Vereinbarungen gehalten. Die Menschen fordern von Ihnen ebenfalls eine politische Lösung.

Ob das in Italien so war oder anders, vermag ich nicht zu sagen.

Angenommen, es stimmt.

Wir haben bald Bundestagswahl. Wer etwas ändern will, muss dort die Mehrheiten verändern. Den Flüchtlingen jedoch Hoffnung zu machen, Deutschland würde aus dem Schengenraum austreten oder Dublin II kündigen, das ist, wie ich die aktuelle Bundesregierung einschätze, illusorisch.

Würde sich das mit einer SPD-Regierung ändern?

Ich hielte es für falsch. Aber das ist der Weg, um politisch Veränderung herbeizuführen: durch Wahlen.

Sie sind ja nun gewählt. Sie könnten Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bitten, in diesem Fall von einer Dublin-Rückführung abzusehen.

Mit Verlaub, wir haben jede Woche 50 bis 100 Menschen, die in Hamburg Schutz vor Verfolgung suchen. Warum sollten wir Menschen, die nicht bereit sind, ihren Namen zu nennen, pauschal sagen: Ihr könnt hierbleiben. Das halte ich nicht für richtig.

Sie sagen, die Wahl am 22. September könne mehr bewegen als ein Innensenator, der an Bundesgesetze gebunden ist. Doch auch Abschiebestopps aus humanitären Gründen sind Ländersache.

Man hört ja oft das Argument, dass Italien die humanitären Standards nicht einhalte. Dazu hat im April der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gesagt: Es gibt keine strukturellen Gründe, nicht nach Italien zurückzuführen.

Eine Reihe von Gerichtsurteilen bewertet das anders.

Ja, es gibt solche und solche. Wenn am Ende die Hamburger Verwaltungsgerichte zum Ergebnis kommen, eine Rückführung nach Italien ist nicht zumutbar, dann wird auch nicht zurückgeführt.

Der Protest der Flüchtlinge ist seit Monaten sehr öffentlichkeitswirksam. Was macht das mit Ihnen?

Mediale Aufmerksamkeit ändert nicht die Gesetze. Wenn dies gelte, dann würden viele ihren Weg nach Hamburg finden. Dann würden wir irgendwann einen Punkt erreichen, wo Hamburg überfordert wäre.

Ist das der Grund: Wenn Sie jetzt Ja sagen, dann kommen noch mehr?

Nein. Ich darf und will nicht gegen unsere Gesetze verstoßen. Eine Kollegin der Grünen hat mir vorgeworfen, ich versteckte mich hinter Recht und Gesetz. Ich finde, auch in Hamburg ist das eher ein Kompliment für einen Innensenator.

Kirchen und Gewerkschaften hatten den Senat aufgefordert, Räume für die Flüchtlinge zu stellen als Nothilfe.

Wir stellen Räume, Geld, Verpflegung, Bekleidung und vor allem ärztliche Versorgung zur Verfügung – die Menschen müssen nur sagen, wie sie heißen und warum sie hier sind. Das ist die Eintrittskarte. Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt.

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10 Kommentare

 / 
  • Ach Gast:

     

     

     

    „Waren Sie dabei um zu wissen, das die Leute sich verweigern Namen oder Asylgründe zu nennen, oder ist es wieder mal Vorurteil und Verallgemeinerung,“:

     

     

     

    Sie haben eine merkwürdige Art zu argumentieren.

     

     

     

    Ich habe mich auf das von Innensenator Neumann im Interview geäußerte bezogen.

     

    Dabei habe ich auf die Professionalität der taz-Recherche vertraut, ggf. Lügen des Hr. Neumann zu entlarven.

     

    Wenn Sie den Text aufmerksamer gelesen hätten, so müßten Sie Ihre an mich gestellten Fragen an Hr. Neumann richten.

     

    Hr. Neumann sagte folgendes

     

     

     

    "Der erste Schritt ist, dass die Menschen uns ihre Namen und ihre Fluchtgeschichten schildern. Dann können wir individuell sehen, ob sie Aufenthaltsmöglichkeiten in Hamburg haben oder nicht. Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht...

     

     

     

    Warum sollten wir Menschen, die nicht bereit sind, ihren Namen zu nennen, pauschal sagen: Ihr könnt hierbleiben. Das halte ich nicht für richtig...

     

     

     

    Wir stellen Räume, Geld, Verpflegung, Bekleidung und vor allem ärztliche Versorgung zur Verfügung – die Menschen müssen nur sagen, wie sie heißen und warum sie hier sind. Das ist die Eintrittskarte.“

     

     

     

    Wenn Sie möchten, können Sie auch Hr. Neumann einen Lügner nennen.

     

    Doch unterstellen Sie mir bitte nicht das Gesagte stamme von mir!

  • J
    Jopy

    Gut gesprochen,Herr Neumann!

  • A
    anarch@

    was für ein polemischer Schreibtischtäter, der Herr Neumann!

  • E
    Emil

    Wie soll ein Verfahren, egal welches funktionieren, wenn die Betroffenen nicht mal ihren Namen nennen?

     

    Langsam kommt man sich vor wie in einem Irrenhaus.

     

    Aber mit uns kann mans ja machen.

  • GE
    Georg E. Möller

    Werter Herr Neumann. Warum macht der Kontakt mit Macht, insbesondere bei Innensenatoren, aus harmlosen sozialdemokratischen Eidechsen immer wieder eiskalte und giftige Nattern. Ist das ein naturgebener Prozess oder könnte man den gegebenenfalls mit Kultur behandeln?

  • U
    unbenannt

    Wie wäre es denn, wenn man nicht nur § sieht sondern auch mal menschlich handelte.

    • @unbenannt:

      Was wollen Sie? Daß Gesetze und § abgeschafft werden? Wollen Sie Chaos und Anarchie?

       

       

       

      Wie soll man denn menschlich handeln, wenn die Betroffenen jegliche Mitarbeit verweigern, indem Sie weder Namen noch Asylgründe nennen?

      • G
        Gast
        @Rosa:

        Ach Rosa, immer die gleiche Art wie sie zu argumentieren versuchen.

         

         

         

        Waren Sie dabei um zu wissen, das die Leute sich verweigern Namen oder Asylgründe zu nennen, oder ist es wieder mal Vorurteil und Verallgemeinerung, oder schlechte Erfahrungen mit wem ?

        • G
          George
          @Gast:

          Die Presse selbst hat darüber berichtet, dass die Afrikaner ihre Identität verschweigen, weil sie dann nicht abgeschoben werden können. Die sind ja nicht dumm.

  • S
    Spike

    Das Dublin-II-Abkommen ist eine Katastrophe, sowohl für die betroffenen Flüchtlinge als auch für die EU-Außenstaaten wie Italien und Griechenland. Diese Regelung muss dringen abgeschafft werden. Eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten nach Einwohnerzahl wäre eine Lösung, natürlich unter Berücksichtigung von Familien und Einzelfällen.