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Innenministerkonferenz zu QuerdenkernNeue Härte

Die Landesinnenminister wollen diskutieren, härter gegen Querdenker vorzugehen. In Baden-Württemberg ist der Verfassungsschutz bereits aktiv.

Dem Coronaprotest wird auf die Pelle gerückt: hier PolizistInnen vor Demonstranten in Leipzig Foto: Sebastian Kahnert/dpa

BERLIN taz | Seit Monaten gehen sie auf die Straße, zuletzt mit immer rauerem Ton und eingereihten Rechtsextremen. Nun könnte es für die Coronaprotestierernden ungemütlich werden. Vor der Innenministerkonferenz (IMK) fordern mehrere Innenminister der Länder, dass der Verfassungsschutz die Demonstrierenden genauer ins Visier nimmt.

Das Landesamt in Baden-Württemberg macht nun den Anfang. Nach übereinstimmenden Medienberichten stufte dieses die Stuttgarter Gruppe „Querdenken 711“ als Beobachtungsobjekt ein. Die Initiative ist eine der bundesweiten Hauptorganisatoren des Protests. Das Landesamt hatte schon zuvor gewarnt, dass in Baden-Württemberg RechtsextremistInnen nicht nur den Protest zu beeinflussen versuchten, sondern unter den „Querdenken“-OrganisatorInnen selbst ExtremistInnen tätig seien. Ihr Protest verknüpfe Verschwörungsmythen teils mit Aufrufen zum Umsturz, der Staat werde „als Diktatur diffamiert“, PolitikerInnen würden „verunglimpft“. Es bestehe eine Radikalisierungsgefahr.

Auch auf der halbjährlichen Innenministerkonferenz, die am Donnerstag startet, diesmal virtuell, wird der Coronaprotest eines der Top-Themen sein. Für Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), Vorsitzender der IMK, gelten inzwischen ein Drittel der dortigen Protestierenden als rechtsextrem. „Das merkt man an Symbolen und Fahnen“, so Maier auf Anfrage. Die letzten Wochen hätten „überdeutlich gezeigt, wie rechte Ideologen Versammlungen unterwandern“. Der Verfassungsschutz müsse die Bewegung überprüfen.

Auch Bayern, Niedersachsen oder Berlin fordern eine Überprüfung durch den Verfassungsschutz, jüngst auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Auf der Innenministerkonferenz soll dies nach taz-Informationen forciert werden.

„Radikalisierungstendenz hin zu neuem Extremismus“

In einer internen Beschlussvorlage heißt es zu den Coronaprotesten, dass es für die „durch Extremisten genutzten Verschwörungstheorien weiterhin einer besonderen Beobachtung durch den Verfassungsschutz bedarf“. Dies gelte „nicht nur im realen Raum, sondern gerade auch im Internet“. Es bestehe die Gefahr, dass sich in der Bewegung eine „Radikalisierungstendenz hin zu einem neuen Extremismus entwickeln könnte“. Die Bekämpfung sei aber ebenso eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

Die Diskussion auf der IMK und der finale Beschluss der MinisterInnen bleibt abzuwarten. Tatsächlich prüft der Verfassungsschutz aber bereits jetzt, wie er mit dem Coronaprotest umgeht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab sich bisher zurückhaltend, verwies auf das „äußerst heterogene“ Bild der Protestierenden.

Auch sein Sprecher betont, „Pauschalisierungen“ seien nicht hilfreich. Denn bei einer Einstufung würde jede Person als AnhängerIn des Extremismus gewertet. Gerichte könnten dies kippen. Der Sprecher betonte aber auch, dass sich bei den Protesten durchaus „Extremisten, Reichsbürger und Personen mit ähnlicher verfassungsfeindlicher Gesinnung“ versammelten. „Die Sicherheitsbehörden haben das Phänomen sehr genau im Blick.“

Der Verfassungsschutz legte der IMK eigens ein Lagebild zu den Coronaprotesten vor. Titel: „Gezielte Falschmeldungen, Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen“. Auch dort wird laut ARD von einem „heterogenen Protestfeld“ gesprochen, an dem sich aber zunehmend ExtremistInnen beteiligten. Eine Abgrenzung zu diesen finde kaum statt, deren Aussagen würden „verleugnet oder als unproblematisch“ bewertet. Durch die Vermischung verschiedener Ideologien könne ein neuer Extremismus „sui generis“ entstehen.

Verfassungsschutz warnt vor Umsturzaufrufen

Einzelne Landesämter plädieren bereits öffentlich für eine Einstufung. „Der Coronaprotest radikalisiert sich immer weiter“, erklärte jüngst der Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes Stephan Kramer der taz. Den Protest durchzögen „antisemitische Verschwörungstheorien, eine staatsfeindliche Rhetorik und Widerstandsaufrufe“. Es sei zu prüfen, ob die Bewegung nicht „in Gänze verfassungsfeindlich ist“.

Kommt es zu einer Einstufung, könnte das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht einzelne „Querdenken“-Gruppen ins Visier nehmen, sondern die Coronabewegung in Gänze – ähnlich wie zuletzt die ReichsbürgerInnen. Auch dort ist das Bild diffus, dennoch machte der Geheimdienst ein verbindendes Element aus: die Ablehnung der bestehenden Rechtsordnung.

Treffen mit Reichsbürgern

Ähnlich könnte man bei den „Querdenkern“ argumentieren. Umso mehr, da einige Hauptaktive zuletzt die Nähe zu Reichsbürgern suchten und sich mit dem selbsternannten „König“ Peter Fitzek in Thüringen trafen. An den Coronaprotesten nehmen zudem immer wieder Vertreter der NPD, der rechtsextremen Splitterparteien „Die Rechte“ und „III. Weg“ oder rechte Hooligans teil. Auch häufen sich Straftaten aus dem Spektrum. Die Sicherheitsbehörden fürchten auch Angriffe auf die bald eröffneten Impfzentren.

Michael Ballweg von den Stuttgarter „Querdenkern“ betont dagegen, dass seine Bewegung friedlich sei. Extremismus habe dort keinen Platz. Bei einer Kundgebung in Düsseldorf am Sonntag beauftragten die Organisatoren erstmals die Polizei, rechtsextreme Teilnehmer auszuschließen.

Thüringens Innenminister Georg Maier sieht die Bewegung „am Scheideweg“. Diese müsse endlich „konsequent“ Extremisten ausschließen und Hetze in ihren Chatforen unterbinden. „Sie muss jetzt deutlich machen, dass es sich um eine demokratisch gesinnte Bewegung handelt.“

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Auf staatlichen Druck hin wurden die Querdenker in die Telegram-Blase verbannt. Das sind nun die Folgen."

    So ein Schwachsinn. Zum Einen wurde da nichts "verbannt"; 40.000 Menschen auf ner Demo sind sehr real.



    Zum Anderen sollte ein Mensch, der/die/* in Deutschland eine Standard-Schulbildung erfahren hat, wissen, dass der Preis, menschenfeindliche Wahnideologen mit Samthandschuhen anzufassen, in Hunderten oder Tausenden Toten Tag für Tag gemessen wird.

    Der Staat hat zunächst mal die Aufgabe, die Staatsbürger*innen vor Gemeingefahren zu schützen. Alle anderen Staatsaufgaben kann man auch anders regeln, aber der Schutz der Bevölkerung vor allem vor höherer oder organisierter Gewalt - sei sie nun mittel- oder unmittelbar - ist anders nicht leistbar, und nur um das zu erreichen entstanden überhaupt Staaten (as opposed to der Willkürherrschaft irgendeines bronzezeitlichen Warlords, der zufällig auf ner Goldader saß): die ersten dokumentierten Rechtssysteme sind vom Staat administrierte Abwehr von menschlicher Niedertracht und Naturgewalten, und das "göttliche Mandat" der Obrigkeit wurde in der vorchristlichen Zeit traditionell an ihrem Vermögen, die Bevölkerung vor vermeidbarem Schaden zu schützen gemessen (und in Ostasien ist das implizit oder sogar ganz ausdrücklich noch heute so thediplomat.com/20...andate-of-heaven/; besonders die vietnamesische Corona-Politik ist absolut auf einer Linie mit dem traditionellen "thiên mệnh" - das gesamtgesellschaftliche Wohlergehen als einzig zulässige Rechtfertigung von Herrschaft.)

  • Tja, "Beobachten", wie ist das denn aktuell definiert? Seit NSU wissen wir ja, dass es da verschiedene Formen der"Beobachtung" gibt.



    Per Überweisung oder Bargeld oder in Materialien...

  • Scheinbar wir das ganze auch von Leuten angefacht denen es einfach nur um Geld geht.



    netzpolitik.org/20...i-corona-bewegung/

  • Querdenken ist das Ergebnis jahrlanger Aktivitäten von Verschwörungsideologen im Internet. Die gehen nun ins real life.

    Deshalb ist es falsch, wenn der thüringische Innenminister sagt, "die letzten Wochen hätten überdeutlich gezeigt, wie rechte Ideologen Versammlungen unterwandern“.

    Es gibt keine Unterwanderung, sondern Querdenken war von Anfang an rechtsradikal und verschwörunsideologisch. Da brauchte es keine Unterwanderung.

    Attila Hildmann wird nach wie vor von den Querdenken-Bossen unterstützt und es wird ihm bei Demos das Mikrofon unter die Nase gehalten. Führende Leute wie Samuel Eckert sind bekennende Fans von Verschwörern wie Heiko Schrang. Die Querdenken-Leitung mit Ballweg vorneweg trifft sich mit dem "König von Deutschland". Eine führende Frau von Querdenken Köln ruft in Leipzig "Hooligans und Rocker" zur Teilnahme an der Demo auf. Auf der ersten Demo in Berlin Anfang August waren die drei einzigen Redner bekannte rechtsradikale Verschwörer. Elsässers Compact-TV-Studio ist Tummelplatz für die Querdenken-Leitung. Und so weiter und so fort.

    Wer also immer noch behauptet, es handele sich bei den rechten Tendenzen um eine Unterwanderung, behauptet, Querdenken an sich sei ok, aber die Unterwanderer würden mehr.

    Das ist schlicht falsch.

    • @genova:

      Das, und dazu: mit Ankündigung. Man muss sich nur mal anschauen, mit welcher Begeisterung Qanon-Schwachsinn in Deutschland aufgegriffen wurde. Schon vor anderthalb Jahren war abzusehen, dass es bei der nächsten größeren Krise eskaliert.

    • @genova:

      Hilft es weiter, alle in die rechtsradikale Ecke zu stellen? Es gibt bei den Querdenkern doch auch viele Evangelikale, Esoteriker etc. Kurz gesagt, darin befindet sich eine bunte Mischung aller möglichen Weltanschauungen. So langsam ist mir nicht mehr klar, wie Rechts definiert ist.

      • @resto:

        Ich stelle nicht alle in die rechte Ecke, die dorthin gehen. Allerdings würde ich schon sagen, dass mittlerweile jeder Teilnehmer wissen sollte, zu wem er da geht. Die Beweislast ist erdrückend, ich habe oben nur ein paar wenige Fakten genannt.

        Es gibt wohl tatsächlich Leute, die sich als links betrachten und Demos mit rechtsradikalen Inhalten und Organisatoren besuchen. Man nennt das Querfront. Die Berichterstattung in den Nachdenkseiten über die Coronademos sind ein Beispiel dafür. Es herrscht offenbar eine tiefgreifende politische Verwirrung. Es ist das Fehlen sämtlicher notwendiger Koordinatoren, über die man verfügen sollte, wenn man politisch aktiv ist.

        Davon abgesehen würde ich Evangelikale schon als politisch rechts bezeichnen. Esoteriker sind generell verwirrt, auch das führt eher nach rechts als nach links.

  • Telegram hat sich nun entgültig etabliert und wird auch nach der Pandemie zentral bleiben.

    Kommentar bearbeitet. Bitte sehen Sie von Spekulationen und Unterstellungen ab.



    Die Moderation

    • @PS007:

      Welcher staatlicher Druck?