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Innenministerkonferenz startetMit allen Mitteln gegen den Hass

Die Innenministerkonferenz will gegen Onlinehetze vorgehen – auch mit umstrittenen Maßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung. FDP und Grüne bremsen.

Was tun gegen Onlinehass? Bayerns Joachim Herrmann (CSU) und Bundesinnenministerin Faeser (SPD) Foto: Emmanuele Contini/imago

Berlin taz | Ob Hetzbeiträge auf Social-Media-Kanälen oder dort Aufgeputschte, die wegen der Coronapolitik Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen wollten – Hass im Internet bleibt ein Problem. Erst kürzlich zeigte der Satiriker Jan Böhmermann auf, wie träge die Polizei dazu teils ermittelt. Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen von Bund und Ländern wollen nun den Onlinehass auf ihrer am Mittwoch startenden halbjährlichen Konferenz angehen – auch mit umstrittenen Maßnahmen.

In mehreren Beschlussvorlagen wird nach taz-Informationen vor der Gefahr durch den Onlinehass gewarnt, der in realer Gewalt münden könne. Dagegen brauche es eine Früherkennung von sich radikalisierenden Personen im Internet und eine „umfangreiche, elektronisch unterstützte Informationsgewinnung“ durch die Sicherheitsbehörden, wie es dort heißt. Insgesamt müsse der Eindruck widerlegt werden, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei.

Vor allem die Unions-Innenminister:innen machen dabei Druck. Die Bekämpfung von Hass im Netz werde ein Schwerpunkt der Konferenz sein, sagte Gastgeber Joachim Herrmann, CSU-Innenminister in Bayern, der taz. „Handlungsbedarf sehen wir vor allem in Bezug auf die anonyme Verbreitung.“ Herrmann tritt dafür ein, dass Nut­ze­r:in­nen bei Registrierungen in sozialen Netzwerken ihre Klarnamen angeben müssen. Die Anbieter müssten diese dann prüfen – und im Ermittlungsfall an die Polizei herausgegeben. Um die Umsetzung zu prüfen, werde man eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorschlagen, kündigte Herrmann an.

Innenminister wollen Identifizierungspflicht

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unterstützt den Vorstoß ebenso. „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, in dem im Schutz von Anonymität beliebig Hass und Hetze verbreitet und schwere Straftaten geplant oder begangen werden“, sagte seine Sprecherin der taz. Eine Identifizierungspflicht in Netzwerken wird indes schon länger diskutiert, auch unterstützt etwa durch den SPD-Innenminister Boris Pistorius – bisher aber ohne Umsetzung wegen rechtlicher Probleme.

Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen wollen aber noch mehr. So heißt es in einer Vorlage, dass Telekommunikationsanbieter im Überwachungsfall auch eine „entschlüsselte Ausleitung“ von Inhalten an Er­mitt­le­r:in­nen liefern müssten. Auch diese Forderung nennt Reuls Sprecherin „essenziell“, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Selbstverständlich aber brauche es „Augenmaß“.

Und Reul pocht auch auf einen weiteren Klassiker: die Vorratsdatenspeicherung. Deren Bedeutung sei „besonders hervorzuheben“, so seine Sprecherin. „Ohne sie ist es in vielen Fällen nicht möglich, dem staatlichen Auftrag der Strafverfolgung gerecht zu werden.“ Nur so könnten bei Onlinehass oder der Verbreitung von Kindesmissbrauchsbildern längerfristig IP-Adressen gesichert und Täter identifiziert werden.

Auch Faeser ist offen für die Verstöße

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist den Forderungen nicht abgeneigt. Zu den Böhmermann-Recherchen fordert ihre Sprecherin Fortbildungen in den Polizeidienststellen, damit Hinweise auf Onlinehass „überall ernst genommen und unmittelbar verfolgt“ würden. Und auch sie betont: „Hasskriminalität im Internet stellt eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben in einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft dar.“ Eine Strafverfolgung scheitere aber vielfach an der Anonymität der Täter:innen, beklagt auch das Ministerium. Man begrüße daher, dass Möglichkeiten geprüft würden, besser gegen anonymen Onlinehass vorzugehen.

Auch das verpflichtende Speichern von IP-Adressen und Portnummern durch Telekommunikationsanbieter sei „unverzichtbar“, betont Faesers Sprecherin. Andernfalls liefen auch hier Ermittlungen ins Leere. Eine konkretere Umsetzung oder Speicherfristen lässt das Ministerium indes offen. Und auch dort wird beklagt, dass verschlüsselte Kommunikation Überwachungsmaßnahmen erschwerten, die bei der Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Gefahrenabwehr rechtlich zulässig seien.

„Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim“

Aber die Koalitionspartner in der Ampel bremsen. Dort hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) bereits klar der Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt: Das anlasslose Massenspeichern verstoße gegen Grundrechte. Die Vorratsdatenspeicherung liegt hierzulande bereits seit 2017 auf Eis, ein Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof dauert an.

FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle wendet sich auch gegen die anderen Überwachungsforderungen. Bei der Verfolgung von Onlinehass mangele es vor allem an der Durchsetzung, so Kuhle zur taz. „Anstatt immer neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden zu fordern, sollten die Länder dafür sorgen, dass Polizei und Justiz technisch und personell so ausgestattet sind, dass sie ihren Aufgaben, auch im Internet, nachkommen können.“ Es nützte den Ermittlern nicht, weitreichende Instrumente zu bekommen, die sich letztlich als rechtswidrig und nicht anwendbar erwiesen, so Kuhle. Er plädiert etwa für das „Quick Freeze“-Verfahren, bei dem Internetprovider erst nach einem Anfangsverdacht Daten von konkreten Nut­ze­r:in­nen speichern.

Auch der Grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz kritisiert, dass die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen „noch immer allzu häufig in einer längst überholten sicherheitspolitischen Denke“ verharrten. Die Vorratsdatenspeicherung oder Identifizierungspflicht griffen „unverhältnismäßig tief in Bürgerrechte ein“ und seien „verfassungsrechtlich erwiesenermaßen nicht umsetzbar“, so von Notz zur taz. Es brauche nicht „Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim, sondern verbesserte Kooperatio­nen der zahlreichen Akteure in unserem föderalen System sowie glasklare rechtsstaatliche Rechtsgrundlagen“. Nicht umsetzbare Vorschläge erhöhten dagegen nicht die Sicherheit, sondern „delegitimieren die herausragend wichtige Arbeit unserer Sicherheitsbehörden“.

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8 Kommentare

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  • Online-Hass ist schlimm.

    Weitaus schlimmer jedoch - eine ganz andere Dimension - ist der Kindesmissbrauch. Und der ist sehr real. Das ist brutalste Gewalt, die die Kinder ihr Leben lang schädigt und zu unglaublichem Leid führt. Eine frühere Schulkollegin von mir hat sich als Studentin vor den Zug geworfen. Jahrelang hatte sie an Ekzemen gelitten, durch die der Körper versuchte die Gifte von Ekel, Scham und Wut auszuspülen.

    Sämtliche bisherigen Vorschläge für eine aktive Verfolgung von Pädophilen im Netz wurden von irgendwelchen obskuren Netzaktivisten, die eine starke Lobby bei manchen Medien und in der Politik haben, sabotiert.

    Datenschutz ist zweifellos sehr wichtig, doch auf Dauer Hunderttausende Kinder dafür zu opfern, kann es ja wohl nicht sein.

    Wir werden sehen ob von Faeser irgendwas wirklich Brauchbares kommt. Und dies hoffentlich bald.

    Die Missbrauchsquote ist wahnsinnig hoch, etwa 50 Kinder pro Tag.

    Hier sollte man rund um die Uhr arbeiten um das unverzüglich zu stoppen.

    Jetzt!

    • @shantivanille:

      Diese pädophilen Kriminellen sind fast ausschließlich sind mittlels TOR, anonym Proxy und VPN im Internet, eine Vorratsdatenspeicherung bringt in diesem Fall zu 99,999% rein gar nichts. Sie speichern somit nur Daten Unbescholtener, während die Täter anonym ihr Unwesen treiben.



      Anders ist es bei den Hass-Verbreitern in FB, Twitter etc., diese könnte man so leichter ermitteln. Aber dafür ein ganzes Volk ausspionieren?

  • Was dem einen Hass und Hetze ist dem anderen ehrliche Kritik und gedeckt durch Meinungsfreiheit. Oder wollt ihr die Alternative etwa nicht mehr offen kritisieren?

  • Alles folgenloses Geschwätz, das davon ablenken soll, dass die Polizei nicht handelt - und oft wohl auch nicht handeln will. Die Identifizierungspflicht der Nutzer ist so realistätstüchtig, wie die Forderung nach gutem Wetter überall. Im Ausland angesiedelte Online-Konzerne, wie Facebook und Co, machen was sie wollen - Geld verdienen. Dazu gehören größtmögliche Nutzerschaften, die dann an die Werbewirtschaft vermarktet werden. Dagegen haben weder die deutschen Behörden, noch die EU eine Handhabe. Dass die CDU Innenminister jede Möglichkeit zum Ausbau der Kontrolle nutzen wollen, liegt in ihren politischen 'Genen' des Überwachungsstaats. Fazit: Sturm im Wasserglas, passieren wird nix.

  • Na Servus - das stand zu erwarten!

    Klar: “Wo Herrmann&Reul draufsteht! Woll.



    Is auch Herrmann&Reul drin.

    kurz - Alle in einen Sack - wa!



    Und immer feste druff! Gell!



    Triffste immer die richtigen!



    Oberstupidienrat Trittbrettfahrer Sackjeseech. Newahr.



    Normal.

    unterm—— servíce —



    de.wikipedia.org/w..._(Politiker,_1956)



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Reul



    & Daten bevorraten auf Halde



    www.tagesschau.de/...eicherung-173.html



    “ Ein neues Gutachten stuft die Vorratsdatenspeicherung als teilweise rechtswidrig ein. Dem SWR liegt das Papier vorab vor. Demnach darf es keine Überwachung ohne konkrete Bedrohung geben.“

    kurz - Sie lassen das Mausen nicht!

    • @Lowandorder:

      Kindesmissbrauch zählt bei Ihnen nicht als "Bedrohung"?

      Datenschutz ist zweifellos sehr wichtig, doch auf Dauer Hunderttausende Kinder dafür zu opfern, kann es ja wohl nicht sein.

      Die Missbrauchsquote ist wahnsinnig hoch, etwa 50 Kinder pro Tag.

      In den letzten Jahren waren es genau die Leute, die sofort nach einem "Free Internet" (als ob es das noch gäbe) schreien oder "Zensur" oder "Datenmissbrauch", die effektiven Schutz von Kindern verhindert haben.

      • @shantivanille:

        Lesen hilft & dann werdens feststellen:



        “ Laut dem jetzt vorgelegten Gutachten verstoßen zwei zentrale Punkte der Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht. Aus Sicht des Ex-EuGH-Richters Vadapalas genügt es nicht, dass EU-Staaten allgemein auf eine Gefahrenlage oder Terrorgefahr verweisen, um eine Vorratsdatenspeicherung anzuordnen. Die Staaten müssten vielmehr eine akute Gefahr, wie zum Beispiel drohende Terroranschläge, ganz konkret belegen. Nur unter dieser Voraussetzung sei die Datenspeicherung mit EU-Gesetzen überhaupt vereinbar. Weiterer Kritikpunkt: Die Datenspeicherung sei nur für einen eng begrenzten Zeitraum erlaubt. Nämlich für den Zeitraum, für den eine ganz "konkrete Bedrohung" der nationalen Sicherheit bestehe. Das dauerhafte, fortlaufende Datensammeln durch Sicherheitsbehörden verstoße daher ebenfalls gegen EU-Recht. Zu einem ähnlichen Ergebnis war auch der europäische Gerichtshof gekommen und hat erneut ein Urteil gefällt, in dem er der flächendeckenden Datenspeicherung eine Absage erteilt. Unter gewissen Voraussetzungen könne man aber Ausnahmen erlauben, zum Beispiel, wenn die Vorratsdatenspeicherung nur an bestimmten, "gefährlichen" Orten durchgeführt werde.“



        Daß Ihr Bedrohungsbegriff ein anderer ist - als in der von mir angezogenen Fundstelle. Get it? Fein.

        kurz - der Rückgriff dieser sauberen Herrn ist nicht Ausdruck einer edlen Gesinnung - trojanisch konotiert.



        Das sind zwei sattsam bekannte schlimme Finger.



        &! nochens



        In der Einschätzung der Verwerflichkeit von Kindesmißbrauch dürften wir uns einig sein.

        unterm——servíce—-



        www.spiegel.de/net...age-a-1126926.html

    • @Lowandorder:

      & Nachschlag - IM Ulrike Faeser -

      “ legte sie ihr Zweites Staatsexamen im Jahr 2000 ab und arbeitete bis zu ihrer Ernennung zur Bundesministerin als Rechtsanwältin, zuletzt bei der Wirtschaftskanzlei Görg* in Frankfurt am Main.“



      Steht freiheitsrechtlich auch für nix •



      Kann ja heiter werden: Spiel über Bande => den Fuß in die Tür kriegen! Gelle 😡

      unterm—— * servíce —



      Knallharte Gänger. (Den umtriebigen Herrn Vater emeritus (KommunalR) & seine Assis hab ich als später Verlesungsassi am Lehrstuhl Uni Mbg/L noch in fachlich guter Erinnerung.)