Vorratsdatenspeicherung vor EuGH: Todesstoß für den Zombie

Wer ist wann online, telefoniert oder simst? Das wüsste Deutschlands Politik gern – und zieht damit vor den EuGH, obwohl sie scheitern wird.

Ein Mädchen liest während dem Essen am Smartphone

Der gläserne Mensch Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

Die Vorratsdatenspeicherung ist der Zombie der deutschen Innenpolitik. Immer wieder wird sie gesetzlich eingeführt, aber noch nie wurde sie praktiziert. Das aktuelle deutsche Gesetz wurde 2015 von der großen Koalition beschlossen und dann 2017 kurz vor dem Start von der Bundesnetzagentur ausgesetzt – mit Blick auf die strenge Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Am Montag verhandelte der EuGH in Luxemburg nun endlich über das deutsche Gesetz; in einigen Monaten wird das Urteil verkündet. Und es ist damit zu rechnen, dass der EU-Gerichtshof dem Zombie Vorratsdatenspeicherung einen neuen Todesstoß versetzt.

Was soll das eigentlich?

Als Vorratsdatenspeicherung (VDS) bezeichnet man die anlasslose Speicherung der Telefon- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung. Die Provider müssen dabei zum Beispiel festhalten, wer wann wen angerufen, angemailt oder angesimst hat, und wer wann wo sich mit welcher IP-Adresse ins Internet eingeloggt hat. So sollte ein riesiger Datenfundus entstehen, auf den die Polizei bei Bedarf zugreifen kann.

Der EuGH hat die verdachtslose Speicherung von sensiblen Daten der gesamten Bevölkerung mehrfach als generell unverhältnismäßig beanstandet. Die EU-Staaten bis hin zum Bundesverfassungsgericht haben das aber nie akzeptiert. Im Oktober 2020 hat der EuGH daher in Fällen aus England und Frankreich punktuell nachgegeben. Zumindest eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen hält er nun für zulässig, um die Verbreitung von Kinderpornografie bekämpfen zu können.

Doch was macht die deutsche Politik? Statt das deutsche Gesetz sofort den neuen Anforderungen und Zugeständnissen des EuGH anzupassen, wartet sie ein weiteres Jahr untätig, bis der EuGH auch das deutsche Gesetz geprüft und beanstandet hat. Nichts zeigt deutlicher, dass es den In­nen­po­li­ti­ke­r:in­nen eben nicht um die Sache, sondern um bloße Symbolpolitik geht. Lieber wird das Siechtum des Untoten beklagt, als ihn zu einem halbwegs verträglichen Leben zu erwecken.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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