Initiative der Finanzwirtschaft: 130 Billionen Dollar auf Klimakurs
450 Finanzinstitutionen wollen ihre Anlagen am Klimaschutz orientieren. NGOs drängen auf klare Regeln.
130 Billionen US-Dollar sollen in Zukunft nur noch so angelegt werden, dass die Investments in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel stehen, kündigte der ehemalige Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, am Mittwoch in Glasgow an. Das entspricht etwa 40 Prozent des weltweiten Anlagevermögens. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich 450 Finanzinstitutionen aus 45 Ländern zur Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) zusammengeschlossen, berichtete Carney, der die Initiative koordiniert.
Die von den beteiligten Instituten verwalteten Gelder sollen künftig komplett so angelegt werden, dass sie Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 gewährleisten. Und bis 2030 im Vergleich zu heute einen Rückgang der durch das eigene Portfolio verursachten Emissionen um 50 Prozent sicherstellen.
Dazu müssen die Unternehmen wissenschaftsbasierte Szenarien mit Fünfjahreszielen und jährliche Berichte vorlegen, betonte Carney. Die detaillierten Kriterien dafür sollen gemeinsam mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt werden.
Londoner Finanzwelt soll klimaneutral werden
In zwei Jahren könnten ähnliche Regeln sogar für alle in England aktiven Finanzakteure gelten: Der britische Finanzminister Rishi Sunak kündigte in Glasgow an, London zum weltweit ersten auf Klimaneutralität ausgerichteten Finanzplatz zu machen. Alle dort tätigen Finanzinstitutionen und alle an der Londoner Börse notierten Unternehmen müssten bis spätestens 2023 Pläne für den Übergang zum klimaneutralen Zeitalter ausarbeiten, sagte Sunak.
Zivilgesellschaftliche Beobachter begrüßten die Ankündigungen, äußerten zugleich aber teilweise Zweifel an ihrer konsequenten Umsetzung. „Das ist ein großer Schritt“, sagte Ed Matthew vom Thinktank E3G. „Verbindliche Klimaneutralitätspläne sind ein entscheidender Baustein in der Finanzarchitektur, die nötig ist, um die Billionen zu mobilisieren, die für den Umstieg zu einer grünen Wirtschaft nötig sind.“
Auch David Ryfisch, Finanzexperte bei der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, ist grundsätzlich erfreut über die Ankündigungen. „Der Finanzsektor bewegt sich mit großer Dynamik“, sagte er der taz. „Die Märkte haben verstanden, in welche Richtung es geht.“
Der Start der Glasgow Financial Alliance sei auf jeden Fall ein Fortschritt – wie groß dieser sei, hänge aber an einigen Details, über die derzeit noch verhandelt wird. Entscheidend sei beispielsweise, inwieweit Kompensationsmaßnahmen in anderen Ländern bei der Klimaneutralität angerechnet werden und ob auch alle Emissionen berücksichtigt werden, die von den hergestellten Produkten im Laufe ihrer Lebensdauer ausgehen.
Kritischer fällt die Einschätzung der internationalen Organisation Global Witness aus. „Wir haben wieder und wieder erlebt, dass Selbstverpflichtungen von Banken nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind“, erklärte Veronica Oakeshott. „Und bisher haben wir keinen Grund, zu glauben, dass es diesmal anders ist.“ Wenn die Ankündigung des Finanzministers mehr sein solle als Greenwashing, müsste sie mit klaren gesetzlichen Vorgaben durchgesetzt werden.
Deutlich wird durch die Ankündigung aus Großbritannien erneut, dass Deutschland beim Thema nachhaltige Finanzen bisher Nachzügler ist, denn in Berlin gibt es noch keine vergleichbaren Pläne. Auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen sei das Thema nicht wirklich präsent, kritisierte Germanwatch-Vertreter Ryfisch.
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