Industrie und Grundwasser in Brandenburg: Eine Region kämpft ums Wasser
Brandenburg wirbt gerne mit seiner Seenlandschaft. Doch das Grundwasser wird knapp. Die Lage verschärft sich – nicht nur wegen des E-Auto-Bauers Tesla.
Wenn in einem Trinkwasserschutzgebiet in einer der trockensten Regionen Deutschlands ohne Baugenehmigung eine wasserintensive Fabrik gebaut wird, wird jemand eingreifen? Nicht bei Elon Musks Tesla Gigafactory in Grünheide. Die E-Auto-Fabrik hat den Kampf ums Wasser in Brandenburg verschärft – zu Ungunsten der Allgemeinheit.
Brandenburg wirbt oft mit seiner üppigen Fluss- und Seenlandschaft. Das Bundesland wirkt auf den ersten Blick wasserreich, hat aber bereits jetzt ein starkes Grundwasserdefizit. Die Klimakrise wird es noch weiter verschärfen. Besonders problematisch ist, dass 94% des Trinkwassers in Berlin und Brandenburg laut der Brandenburger Landesregierung aus dem Grundwasser gewonnen wird.
Der Text ist aus einem zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Online-Workshops der taz Panter Stiftung entstandenen Ostjugend-Dossier, das durch Spenden finanziert wird: taz.de/spenden
Damit die Region zukunftsfähig wird, braucht sie eine sozial-ökologische Transformation. Die Ansiedlung Teslas soll ein Zeichen für ebenjene Transformation sein, dabei stellt sich aber die Frage, wie sozial und ökologisch sie wirklich ist. Zwar werden in der Fabrik Jobs geschaffen. Allerdings sind die Arbeitsbedingungen prekär, wie das Magazin Stern berichtete – mit fast einem Unfall täglich, rund einer Umwelt-Havarie im Monat und Gesundheitsbelastungen.
1,8 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr
In dem Werk sind beispielsweise im April 2022 15.000 Liter Lack und kurz darauf 13 Tonnen heißes Aluminium ausgelaufen. Tesla-Chef Musk und andere Führungskräfte haben die Arbeit der Gewerkschaften beeinträchtigt und so die Arbeitnehmerrechte weiter eingeschränkt. Wegen Wasserknappheit hat der auch für Grünheide zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner Privathaushalten in der Region den Trinkwasserverbrauch auf 37 Kubikmeter pro Jahr gedeckelt, unter den bundesweiten Durchschnitt von 44,1 Kubikmetern pro Jahr. Tesla durfte hingegen 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr verbrauchen – und seine Fabrik erweitern.
Hinzu kommt, dass das von Tesla beauftragte Monitoring-Unternehmen Giftstoffe wie das krebserregende Vinylchlorid in schädlichen Mengen im Grundwasser nachgewiesen hat. Autos für Reiche, Durst und Krebs für Arme?
Kohleindustrie ist die größte Gefahr
Die größte Gefährdung für Brandenburgs Wasserverfügbarkeit ist aber die Kohleindustrie. Nicht nur, weil sie die Klimakrise befeuert, sondern auch wegen ihres Wasserverbrauchs, der Teslas hundertfach übersteigt – offiziell. Die LEAG selbst macht keine Angaben zu ihrem Gesamtwasserverbrauch. Laut der Landesregierung aber darf sie in Brandenburg 238,8 Millionen Kubikmeter pro Jahr entnehmen.
Der LEAG hat das scheinbar nicht gereicht: Die B.Z. berichtete, dass der Kohlekonzern von 2017 bis 2021 allein für sein Kraftwerk Jänschwalde 240 Millionen Kubikmeter Wasser illegal abgepumpt hat – was dem jährlichen Verbrauch von 5,5 Millionen Menschen entspricht. Das Recherchenetzwerk Correctiv deckte Schweigegeldzahlungen der LEAG an Kommunen auf, mit der das Kohleunternehmen seine Trinkwassergefährdung verstecken wollte.
Zukünftig wird es in Brandenburg noch öfter Diskussionen geben: Wer darf wozu Wasser nutzen? Landwirtschaft, Industrie, Tourismus, Privatpersonen – alle benötigen es. Noch stärkere soziale Spannungen im Kampf um die Nutzung sind absehbar. Eine zentrale politische Aufgabe ist es, dem vorzubeugen. Bis jetzt hatten Klimaschutz- und –anpassung in Brandenburg keine Priorität. Wie aktuelle Wahlumfragen und Wahlprogramme nahelegen, wird die nächste Landesregierung wohl noch weniger dafür tun.
Schon die aktuellen Minister:innen hofieren Musk, wie Dokumente von Frag den Staat belegen – obwohl der US-Amerikaner immer wieder Schlagzeilen mit rechtsautoritären und verschwörungsideologischen Aussagen macht. Was ist wichtiger? Das Gemeinwohl oder der Profit eines Milliardärs oder Kohlekonzerns, die gemeinsam das Trinkwasser von Millionen verseuchen? Für Anwohner und Aktivisten ist klar: Brandenburg braucht Klimagerechtigkeit, kein Tesla, keine LEAG.
Corvin Drößler, 25 Jahre alt, ist als Dorfkind in der Ostprignitz aufgewachsen und zum Studium der Geographie und Germanistik nach Potsdam gegangen, ohne das Ruppiner Land zu verlassen. Zwischen Lohnarbeit und Aktivismus wandert er durch die Mark und beobachtet und kommentiert das Weltgeschehen.
FOTOGRAFIE: Timo Krügener (25), aufgewachsen in Niedersachsen und seit 4 Jahren als Student, Fotograf und mittlerweile freier Fotojournalist in Leipzig. Begleitet seit einigen Jahren vor allem die Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch Engagement für Demokratie in anderen Bereichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies