piwik no script img

Indischer BalanceaktIndiens Premier in der Zwickmühle

Auf Narendra Modi wächst der Druck seines Freundes Donald Trump, Indiens Ölkäufe in Russland drastisch einzuschränken. USA verhängen Sekundärzölle.

US Präsident Trump hat Narendra Modi, den indischen Premierminister, fest im Griff Foto: Kevin Lamarque/reuters

Mumbai taz | Kein Tag vergeht, ohne dass US-Präsident Donald Trump versucht, andere Länder in die von ihm gewünschte Richtung zu drängen. Dabei steht Indien besonder im Fokus. Seit Trumps Ankündigung, ab dem 7. August 25 Prozent Strafzölle auf indische Importe zu erheben, hat sich das einst vielversprechende Verhältnis merklich abgekühlt.

Trump fordert von Indien, den Krieg in der Ukraine nicht zu finanzieren, indem es russisches Öl importiert. Andernfalls droht er mit zusätzlichen Sekundärzöllen von bis zu 100 Prozent. Auch indische Rüstungsgeschäfte mit Russland kritisiert er. In der Vergangenheit hatten die USA Indien bereits aus dem Ölhandel mit Iran gedrängt, woraufhin Indien begann, Öl aus den USA zu beziehen.

Indiens Außenministerium wies inzwischen Trumps Drohung als „ungerechtfertigt und unangemessen“ zurück. Delhi betonte, Importzölle dürften auch den USA schaden, doch drängt Trump auch auf Produktionsverlagerungen in die USA.

Delhi betonte, mit Importen aus Russland begonnen zu haben, da „traditionelle Lieferungen“ nach Ausbruch des Ukraine-Konflikts nach Europa umgeleitet wurden, sie dienten dem Energiebedarf des Landes. Die USA hätten dies sogar gefördert, um die globalen Energiemärkte zu stabilisieren.

Delhi verweist auf Russlandgeschäfte der USA und EU

Delhi wirft dem Westen zudem Doppelstandards vor: Während die EU weiterhin russisches Gas beziehe, importierten die USA weiter Uranhexafluorid, Palladium sowie Düngemittel und Chemikalien aus Russland.

Fakt ist: Indiens Ölimporte aus Russland sind seit 2021 deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr betrugen sie nach indischen Angaben 49 Milliarden Euro. Damit gehört Indien neben China zu den wichtigsten Abnehmern.

Laut Kabir Taneja vom indischen Thinktank ORF wollen die USA ihren Einfluss auf den Ölmarkt sichern, den Dollar als Leitwährung stärken und die Kontrolle über Preise und Lieferketten behalten. Saudi-Arabien, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die ebenfalls mit Russland handeln, blieben bisher vom harten Kurs verschont.

Taneja vermutet, dass Trump auch Indien attackiert, weil Delhi dessen Behauptung zurückweist, er hätte im Mai zwischen Indien und Pakistan einen Waffenstillstand in Kaschmir vermittelt. Trump sieht darin nämlich einen Grund für die von ihm erhoffte Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis: „Ich habe in den letzten fünf Monaten fünf Kriege beendet, und ich möchte, dass dies der sechste ist“, sagte er mit Blick auf den Ukrainekonflikt.

Indiens Sicherheitsberater Ajit Doval und Trumps Sondergesandter Steve Witkoff waren am Mittwoch jetzt zeitgleich in Moskau. Sollte Moskau gegenüber Trump nicht einlenken, drohen dieser auch mit Sekundärzölle gegen Russlands Handelspartner.

Neue US-Zölle machen sich in Indien schon bemerkbar

Dabei treffen schon die neuen Zölle Indiens Textil‑ und Diamantenindustrie sowie Autozulieferer. Aktien großer Textilexporteure in die USA brachen ein. Auch Pharmaunternehmen sind in Sorge. Indische Pharmaproduzenten deckten zuletzt über 40 Prozent des generischen Arzneimittelbedarfs der USA ab.

Indiens Oppositionsführer Rahul Gandhi (Kongress-Partei) wirft Premierminister Narendra Modi vor, aufgrund von US‑Korruptionsermittlungen gegen den Modi-nahen Milliardär Gautam Adani handlungsunfähig zu sein. Verflechtungen zwischen Modi, Adani und dem indischen Konzernchef Mukesh Ambani sowie Russland würde Trump als Druckmittel nutzen.

Trumps Aussage, Indien sei eine „tote Wirtschaft“, griff Gandhi ebenfalls auf, während Modi bisher weitgehend schweigt. Noch im Frühjahr hatte sich Indiens Premier einer engen Freundschaft mit Trump gerühmt.

Pakistan ist bisher der lachende Dritte

„Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den USA und Indien bereitet Sorgen“, sagt der Finanzberater Bhavik Dand. Die Konfrontation mit Washington könnte Arbeitsplätze kosten. Schon fällt die Rupie gegenüber dem Dollar weiter. Und die Debatte in den USA über Visa-Einschränkungen trifft indische Fachkräfte.

Auch das US-Handelsdefizit bleibt ein Streitpunkt: Trump kritisiert, dass die USA mehr aus Indien importieren als umgekehrt. Die jüngste starke Abkühlung im bilateralen fällt mit einer Annäherung zwischen den USA und Pakistan zusammen.

Indien pflegt dagegen seit Langem eine Freundschaft mit Russland. Jetzt ist Delhi in einer Zwickmühle: Die traditionellen Beziehungen zu Russland sind gefährdet, gleichzeitig nähert sich Washington Pakistan an. Und Pakistan kann aktuell sogar mit beiden stabilere Beziehungen pflegen.

Der Druck auf Modi wächst. Indiens Balanceakt zwischen West und Ost, der lange als Stärke galt, wankt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare