Import von verflüssigtem Erdgas: Regierung plant LNG-Überkapazitäten

Puffer über Puffer: Das Wirtschaftsministerium hat dem Haushaltsausschuss des Bundestags seine Gesamtplanung für LNG-Terminals vorgelegt.

LNG Terminal Deutsche Ostsee in Lubmin Foto: reuters

BERLIN taz | Für die Gasversorgung baut die Bundesregierung eine neue Infrastruktur mit großen Reserven auf. Seine schon länger erwartete Gesamtplanung über die Terminals und Häfen für den Import von Flüssiggas (LNG) legte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag vor. Eigentlich wäre die Frist dafür schon Mitte Februar gewesen.

Weil die Erdgaslieferungen aus Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine ausblieben, werden seit vergangenem Jahr neue schwimmende Terminals für die Einfuhr von Flüssiggas (LNG) eingerichtet und mehrere feste Häfen an den Küsten von Nord- und Ostsee geplant.

Laut dem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages geht es um sechs schwimmende und drei stationäre Terminals. Sechs will der Bund betreiben, drei sind privat. In Wilhelmshaven arbeitet das erste Anlandungsschiff bereits. Gegen eine Anlage vor Rügen protestieren Anwohner:innen.

Für 2024 beziffert das Wirtschaftsministerium den Gasbedarf Deutschlands auf rund 94 Milliarden Kubikmeter. Dem stünden Importe unter anderem aus Norwegen, Belgien, den Niederlanden und eine eigene Förderung in Deutschland von rund 67 Milliarden Kubikmetern gegenüber.

Puffer für den absoluten Worst Case

Damit bleibe eine Lücke von mindestens 27 Milliarden Kubikmetern, die mittels der Flüssiggashäfen gedeckt werden müsse. Allerdings sollen die neuen Terminals im kommenden Jahr eine Kapazität von 37 Milliarden Kubikmetern aufweisen. Deutschland kann damit mehr Gas importieren, als es braucht.

In den Jahren bis 2030 könnte diese rechnerische Überversorgung außerdem stark zunehmen. Zusätzlich wächst sie dadurch, dass hierzulande große Gasmengen angelandet werden sollen, die möglicherweise – aber nicht sicher – andere Länder wie Tschechien, die Slowakei, Österreich, die Ukraine und Moldova benötigen. So könnte die Überkapazität der hiesigen LNG-Häfen 2024 bis zu 37 Milliarden Kubikmeter betragen.

Braucht man dann überhaupt so viele Häfen? „Ja“, heißt es im Wirtschaftsministerium des Grünen Robert Habeck. Die Regierung will beispielsweise Vorsorge treffen gegen Sabotage – für den Fall, dass etwa die Pipelines aus Norwegen zerstört werden wie die Ostsee-Röhre Nord Stream 2 im September 2022. Die großzügige LNG-Infrastruktur könnte das ausbleibende Norwegen-Gas dann ausgleichen.

An vielen Stellen ist im Bericht des Wirtschaftsministeriums zudem von notwendigen „Sicherheitspuffern“ die Rede – für sehr niedrige Temperaturen, große Nachfrage, Wartungsarbeiten an den Terminals und andere Eventualitäten. Auch auf Betreiben des Bundeskanzleramtes will man hundertprozentig auf Nummer sicher gehen.

Kosten von knapp 10 Milliarden Euro

Andererseits wird betont, dass die Pläne der Energiewende nicht entgegenstünden. Man peile an, dass Deutschland 2045 klimaneutral sei und kaum noch Erdgas verbrauche. Sollten nicht alle Häfen gebraucht werden, könne man die schwimmenden Stationen auch früher abschalten. Und feste Anlandepunkte würden so gebaut, dass sie später auch für den Import grünen Wasserstoffs geeignet seien. Somit bestehe keine Gefahr, dass fossile Infrastruktur die Energiewende verlangsame.

Genau das befürchtet aber Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Es ist offensichtlich, dass hier die Gasindustrie und das von ihr lobbyierte Bundeskanzleramt die Feder geführt haben“, sagte Müller-Kraenner. Er forderte den Haushaltsausschuss des Bundestags auf, „keine weiteren Gelder für unnötige LNG-Projekte freizugeben“. Das Wirtschaftsministerium rechnet bis 2038 mit Kosten von knapp 10 Milliarden Euro.

Wie Müller-Kraenner sieht das auch Victor Perli, der für die Linksfraktion im Haushaltsausschuss sitzt. „Auch die aktuelle LNG-Planung bleibt vor lauter Puffern überdimensioniert“, sagte er. Die Begründung der zusätzlichen Kapazitäten für Nachbarländer überzeugt ihn nicht. „Hier geht es vor allem um ein Geschäftsmodell für die deutsche Gasindustrie in Konkurrenz zu dem bereits bestehenden großen Terminal-Angebot in Europa.“

Auch aus der eigenen Partei bekommt Habeck Gegenwind. „Klimaschutz und Versorgungssicherheit müssen zusammengehen“, erklärte Lisa Badum, Energiepolitikerin der Grünen im Bundestag. „Wir dürfen keine Fehlanreize gegen den Ausbau Erneuerbarer Energien durch überdimensionierte fossile Infrastruktur geben.“

Sie wendet sich auch dagegen, ein neues Gasfeld vor der Küste des afrikanischen Landes Senegal zu erschließen und den Rohstoff von dort nach Deutschland zu transportieren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hatte den Bau fester LNG-Häfen an Nord- und Ostsee kürzlich für unnötig erklärt.

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