Impfen, Brexit und legale Abtreibungen: Erstickend heiße Auswahl
In Deutschland wird über Impfprivilegien diskutiert, währenddessen feiern Frauen in Argentinien das Ende des Abtreibungsverbots.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Winterfrische im Sauerland: Stauinferno, Polizeieinsätze.
Und was wird besser in dieser?
Arsch im Kühlschrank. Wir müssen alle Opfer bringen.
Die 101-jährige Edith Kwoizalla aus Sachsen-Anhalt wurde als erste Person in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Wenige Tage später wird schon laut darüber nachgedacht, ob es Privilegien für Geimpfte geben sollte. Was meinen Sie?
Du kommst hier nicht rein: Kneipen müssen keine Randalierer, Fußballclubs keine Hools reinlassen. Bürger untereinander regeln das frei. Der Staat müsste ordentlich die Ärmel aufkrempeln: Gleichbehandlungsgesetz, Bürgerliches Gesetzbuch – alles ändern. Dabei würde er auf Impfwillige zielen – und Impfverweigerer begünstigen. Die haben doch einen Stich bzw. eben nicht. Meine Impfehlung: dumm bleiben. Solange unklar ist, ob Geimpfte weiter ansteckend sein können, wären Privilegien gefährlich.
Mit einem 20-Punkte-Papier hat der Vatikan Vorschläge für den weltweiten Ablauf der Corona-Impfkampagnen vorgelegt. Weil die Impferei für manche offensichtlich eine Glaubensfrage ist, meldet sich da die richtige Instanz, oder?
„Allen alles“ ist der Tenor, im Detail wollen die Impfpäpste „medizinisches Personal, Lehrer und Sicherheitskräfte“ bevorzugt sehen. Einhelliger Jubel in katholischen Krankenhäusern, Schulen und bei der Karnevalsarmee „Schweizer Garde“. Sonst zitiert das Papier die Linie „bestimmte Personen in allen Ländern impfen, nicht alle Personen in bestimmten Ländern“. Damit wäre der Vatikan die Folkloregruppe der UNO, deren Generalsekretär sie da zitiert. Wenn nicht sechs von 20 Punkten sich um die Frage kräuselten, ob man nicht doch einen moralisch bedenklichen Bezug zwischen Vakzinen, Embryonen und Schwangerschaftsabbruch hinbekommt. Schafft man nicht, hat den Jungs aber offenbar wieder Spaß gemacht.
Mit 10,4 Grad Durchschnittstemperatur liege das zu Ende gegangene Jahr auf Platz zwei der bis ins vorletzte Jahrhundert zurückreichenden Statistik, so der Deutsche Wetterdienst (DWD). Wie viele Menschen müssen geimpft werden, damit wir wieder mehr über Klimawandel sprechen?
Tolle Auswahl zwischen Gegrilltwerden und Ersticken. Immerhin schlägt beides je ärmer, desto schlimmer zu. Das schenkt uns zwei Erkenntnisse: Erstens: Selbst ohne Corona und Klimawandel ist die Welt ein ungerechter Ort. Und zweitens: Wir können, wenn wir wollen.
475 Rechtsextremisten werden per Haftbefehl gesucht. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Seit Beginn der Erhebung 2014 sei die Zahl deutlich gestiegen. Wann finden wir sie?
Bei den Themen Frauen, Rassismus, Demokratie und Gewalt dürften sich Rechtsextremisten und die etwa gleichviel Islamisten schnell einig sein. Auf jeden Fall Doppelzellen dann. Der Innenminister wirft weiter Schatten auf die ermittelnden BeamtInnen, weil es ohne Polizeistudie halt populär bleibt, rechten PolizistInnen rechte Nachsicht zu unterstellen.
CSU-Chef Markus Söder zeigte sich offen für Schwarz-Grün. „Ich glaube, dass es für viele attraktiv wäre. Eine Konstellation, die neben Sicherheit auch Inspiration bieten könnte“, hat er gesagt. Bleibt die Frage, wer dann für was zuständig ist?
Hessens Grüne sind das Polizeigesetz – eine zugegeben saubere Abschrift des bayerischen – mitgegangen. Im Programm ist Gentechnik neuerdings „nützlich“, im Bundestag stimmen sie ohne Not der Coronapolitik der Groko zu. Sie versuchen, „nice to have“ zu sein: Kann man, muss man aber nicht. Denkt Söder und merkelt: Ich bin schon so grün, dass ihr die gar nicht mehr extra wählen müsst. Grüner wird’s nicht.
Mit dem Vereinigten Königreich hat sich die EU auf einen Kooperations- und Handelsvertrag geeinigt, der die künftigen Beziehungen regelt. Freuen Sie sich darüber?
Der Auftakt für den Brexit war eine fremdenfeindliche Stimmung nach der EU-Freizügigkeit – und am Ende liegt ein Stapel Papier, der vieles lässt, wie es war, doch die Freizügigkeit ausschließt. Okay, dann freue ich mich, dass es für Abschotter keinen Platz innerhalb der EU gibt.
In Argentinien wurden Abtreibungen legalisiert. Nach dem Abgeordnetenhaus hat auch der Senat für ein Ende des Verbots gestimmt. Jahrzehntelang haben sich Frauen gegen das Verbot organisiert und eine Kampagne geführt. Kämpfen lohnt sich also immer noch?
Schwere Heimniederlage für Papst Franziskus. Ähnlich Irland keimt da ein vatikanferner Katholizismus. Wenn der Papst traurige Konflikte sehen will, kann er nach Polen gucken. Oder kurz: Jubelnde Argentinierinnen oder verprügelte Polinnen – was erhellt eher Gottes Antlitz?
Und was machen die Borussen?
Das Los könnte Sonntagabend Abend den BVB und den letzten Viertligisten im Pokal, Rot-Weiss Essen, gepaart haben. Und das Spiel gegen Wolfsburg lag hinterm Redaktionsschluss. Herzlichen Gruß aus einem hoffnungsvollen Gestern.
Fragen: vag
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt