Impeachmentverfahren in den USA: Nervenkrieg um Trump
Im zähen Ringen um ein Amtsenthebungsverfahren ist der Faktor Zeit entscheidend: In 13 Monaten sind US-Wahlen.
A ufgrund von „Verrat, Bestechung und anderen hohen Verbrechen und Vergehen“ kann ein US-Präsident seines Amtes enthoben werden. Doch ein „Impeachment“, das auf dem Papier der Verfassung klar erscheint, ist in der Praxis so knifflig, dass es bislang noch nie dazu geführt hat, einen Präsidenten tatsächlich aus dem Weißen Haus zu jagen. Auch jetzt, wo das Impeachment gegen Donald Trump unmittelbar bevorzustehen scheint, ist das ein wahrscheinlicher Ausgang. Das erhöht die politischen Risiken enorm.
Zweimal in der Geschichte der USA hat das Repräsentantenhaus Impeachmentverfahren gegen Präsidenten eingeleitet: Sie trafen Andrew Johnson im Jahr 1868 und Bill Clinton im Jahr 1998. Beide Male stimmten die Abgeordneten der unteren Kammer nach Abschluss der Ermittlungen für eine Amtsenthebung. Doch die Zweidrittelmehrheiten im Senat, die für die Umsetzung nötig gewesen wären, kamen nicht zustande. Sowohl Johnson als auch Clinton blieben im Amt.
Der einzige Präsident, der mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Weißen Haus geholt und angeklagt worden wäre, war Richard Nixon. Als ihm das 1974 klar wurde, trat er zurück. Damit entging Nixon nicht nur der Amtsenthebung, sondern erhielt auch eine Amnestie, die ihm die Schmach von Gericht und Gefängnis ersparte.
Trump folgt in den Fußstapfen früherer vom Impeachment bedrohter Präsidenten: Er hält Informationen zurück, lehnt Aussagen ab und hält Mitarbeiter davon ab, vor den Untersuchungsausschüssen auszusagen. Aber er übertrumpft die anderen noch mit einer nie dagewesenen Schlammschlacht gegen Abgeordnete, die ihrem Verfassungsauftrag folgen und versuchen, Klarheit in die Vorwürfe zu bringen. Trump nennt sie „Landesverräter“, „Abschaum“ und „Putschisten“. Und verbreitet Ähnliches gegen Medien, Geheimdienste und Gerichte.
Gefechte in der öffentlichen Arena
Indem er mauert und Informationen zurückhält, kompliziert Trump die Ermittlungen. Ohne Aussagen und Dokumente wird es schwer, nachzuweisen, dass er sein Amt missbraucht hat, um Druck auf den ukrainischen Präsidenten auszuüben, damit der ihm Material gegen einen Rivalen liefert. Aber gleichzeitig belastet Trump sich jedes Mal selbst, wenn er die Ermittlungen behindert.
Mag sein, dass das Repräsentantenhaus den Arbeitsauftrag von Speakerin Nancy Pelosi in Sachen Ukraine nicht erfüllen kann. Doch stattdessen kann es Trump wegen Behinderung der Ermittlungen anklagen: wegen „hoher Verbrechen und Vergehen“, wie einst bei Johnson und Clinton.
In dieser Lage führen beide Seiten einen Großteil der Gefechte nicht im Kongress, sondern in der öffentlichen Arena. Dabei spielt der Faktor Zeit eine zentrale Rolle. Für Trump kann es nicht lange genug dauern. Er versucht, die Demokraten zu diskreditieren und die Öffentlichkeit zu zermürben. Wenn sich die Prozeduren bis in die Endphase seines Wahlkampfs hinziehen, kann er darauf hoffen, mit einem unterstützenden Votum des Senats zum nächsten Wahlsieg zu segeln.
Die DemokratInnen hingegen brauchen schnell Ergebnisse. Sie wissen, dass die WählerInnen sich abwenden, wenn im Wahlkampfendspurt Schlammschlachten die politische Auseinandersetzung überschatten. Aber sie wissen auch, dass die Öffentlichkeit im Augenblick – anders als bei den Russland-Ermittlungen von Robert Mueller – auf ihrer Seite ist. Die Zustimmung zu einem Impeachmentverfahren wächst täglich. Selbst rund 20 Prozent der republikanischen WählerInnen unterstützen es.
Die nächsten Wahlen sind in 13 Monaten. Bis dahin wird es nicht gelingen, die 150-prozentigen Fans umzustimmen, die weiterhin zu Trumps Meetings pilgern. Wenn jedoch Trumps Glaubwürdigkeit bei den moderateren Wählern, die ihm 2016 den Einzug ins Weiße Haus ermöglicht haben, ausgehöhlt wird, und wenn das Verfahren schnell zu Ende geht, können die Demokraten politisch und moralisch gewinnen – selbst wenn sie das Impeachment im Senat verlieren.
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