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Immobilienkonzern mit DigitalisierungAngst vor Orwell

Mie­te­r kritisieren den Wohnungskonzern Heimstaden. Sie haben Angst vor Überwachungsmöglichkeiten etwa durch digitale Schlüsselsysteme.

Daten sammeln: Sich so durchs Guckloch Einblick zu verschaffen ist eher oldschool Foto: Markus Gann/imago images

Berlin taz | Heimstaden ist mit 20.000 Wohnungen nach der Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen mittlerweile Berlins zweitgrößtes privates Wohnungsunternehmen. Die schwedische Firma eines norwegischen Milliardärs hat seinen Wohnungsbestand in den vergangenen Jahren europaweit beträchtlich ausgebaut auf insgesamt 150.000 Wohnungen, davon 25.000 in Deutschland.

Vorbesitzer eines großen Teils der Wohnungen von Heimstaden war Akelius, das börsennotierte und gleichfalls schwedische Wohnungsunternehmen, das sich kürzlich seine aggressive Aufwertungsstrategie mit Dividenden in Höhe von insgesamt 6 Milliarden Euro vergolden ließ.

Heimstaden betont demgegenüber, ein Vermieter zu sein, der auf langfristige Mietverhältnisse bedacht ist – „ein Zuhause, auf das Sie sich verlassen können“ heißt ihr Werbe­claim. Nun hat Heimstaden die Gelegenheit, tatsächlich zu beweisen, wie viel dahintersteckt.

Denn an dem Wohnungsunternehmen wird erste Kritik laut: Mie­te­r*in­nen haben Angst vor Datenschutzverstößen und befürchten unter anderem die Einführung eines digitalen Schließsystems mit elektronischen Schlüsselkarten.

Die Mieter beunruhigt, dass der Vermieter mehr und mehr Daten von ihnen sammelt

Das Mie­te­r*in­nen­bünd­nis kritisiert, dass Heimstaden „mit diversen Digitalisierungsplänen plane, tief in unsere intimsten Lebensbereiche“ einzugreifen. Die Mie­te­r*in­nen beunruhige „die Aussicht, dass unser Vermieter mehr und mehr Daten von uns sammelt“. Sie befürchteten zudem, dass Digitalisierungsprojekte zu Mietpreissteigerungen beitragen könnten.

Mit dem von Heimstaden verwendeten Schlüsselsystem der Firma iLOQ ist es laut Mie­te­r*in­nen dem Unternehmen unter Umständen sogar möglich, Türen per Mausklick zu öffnen oder zu schließen. Ebenso wäre es möglich, Türöffnungen zu protokollieren, und dass mutmaßlich anhand von den Daten nachvollziehbar wäre, wer wann und wo zu Hause ist.

Mieter sollen profitieren

Tatsächlich heißt es von Heimstaden auf taz-Anfrage, dass der Mutterkonzern in Schweden mit der Firma iLOQ-Schlüsselsysteme einen Rahmenvertrag abgeschlossen haben. Solche Systeme sollen allerdings vor allem bei Neubauprojekten eingesetzt werden, heißt es. Ob sie überhaupt in Deutschland eingesetzt werden sollen, sei derzeit noch nicht entschieden und in der Prüfung mit Datenschutzbeauftragten von Heimstaden. Der Heimstaden-Sprecher Michael Lippitsch versuchte zugleich, die Mie­te­r*in­nen zu beruhigen: „Für uns ist klar, dass wir nur eine Lösung umsetzen können, bei denen Mie­te­r*in­nen­da­ten bestmöglich geschützt sind und von denen Mie­te­r*in­nen auch wirklich profitieren.“

Dennoch: Falls die Prüfung der iLOQ-Schlüsselsysteme positiv ausfiele, würde man es in Deutschland probeweise in einem Objekt einsetzen und eine Testphase mit Mie­te­r*in­nen eng begleiten, heißt es von Heimstaden. Aber ein flächendeckender Einsatz sei ohnehin nicht zu erwarten, so Lippitsch: „Was sicherlich nicht stattfinden wird, ist eine Ausrollung auf den gesamten Bestand – da muss sich niemand von unserer Mieterschaft Sorgen machen.“

Was die Mie­te­r*in­nen allerdings nicht gerade versöhnlich stimmt: Erst im Februar 2022 kam es bei einem Softwaredienstleister von Heimstaden in den Niederlanden zu einem Datenleck. Laut Heimstaden hat es einen Cyber-Angriff auf einen Cloud-Dienstleister gegeben. In Folge habe das Risiko bestanden, dass personenbezogene Daten von Be­woh­ne­r*in­nen abgeschöpft werden konnten, wie das Unternehmen einräumte. Laut Antwort auf taz-Anfrage von Heimstaden gibt aber keine Hinweise darauf, dass tatsächlich Daten von niederländischen Kun­d*in­nen ausgelesen worden seien. Mittlerweile seien weitere Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden – und in Deutschland komme diese Software nicht zum Einsatz, versicherte Heimstaden der taz.

Das Misstrauen ist insofern nicht ganz unberechtigt, weil die Mie­te­r*in­nen von ihrem Vormieter, dem Heimstaden-Vorgänger Akelius, digitalen Kummer gewohnt sind: So musste erst Berlins Datenschutzbehörde einschreiten, um unrechtmäßige 3-D-Laserscans von Wohnungen zu unterbinden und Auskunftsersuchen nach Datenschutzgrundverordnungen durchzusetzen.

Jährliche Kundenbefragungen

Was weiter aufhorchen lässt: Heimstaden führt jährlich „Kundenbefragungen“ durch, um nach eigenen Angaben die Mie­te­r*in­nen­zu­frie­den­heit zu erfassen. Insbesondere hat dabei für Irritationen gesorgt, dass die Fragebögen mitnichten anonym sind, sondern durchnummeriert, wie Heimstaden auf taz-Anfrage bestätigt. Der Prozess werde aber datenschutzkonform durchgeführt, heißt es. Es erfolge keine Identifikation, Heimstaden erhalte nur anonymisierte Informationen von einem beauftragten Dienstleister. Dieser wolle durch die Nummerierung sicherstellen, dass jeder Mietende nur einen Antwortfragebogen übermittle – zudem würden sämtliche personenbezogenen Daten nach dem Auftrag gelöscht, versichert der Konzern.

Weiter gibt es Sorge vor einem bereits in Schweden existenten E-Auto-Projekt. Dort bietet Heimstaden einen Care-Sharing-Fuhrpark für Mie­te­r*in­nen mit dem Dienstleister „OurGreenCar“ in Neubauten an, auch hier würden Daten anfallen. Die Mie­te­r*in­nen fürchten angesichts digitaler Schlüsselsysteme und sogar digital überwachbarer Fortbewegungsmittel auf lange Sicht die Rundumüberwachung durch den Vermieter und Orwell’sche Verhältnisse, sprechen von einer „Digitalisierungswut“ und „Greenwashing“. Heimstaden hingegen verspricht, sich an geltende Regelungen halten zu wollen.

In einem Bereich aber will Heimstaden vollends auf Digitalisierung setzen: beim Ankauf von Wohnraum. So kooperiert Heimstaden seit Ende Februar mit dem Berliner Digitaldienstleister Assetbird, der Immobilienankaufsprozesse effizienter und standardisiert durchführen will, um „so im engen Wettbewerb um Grundstücke und Immobilien schneller zum Zuge zu kommen“. Zusammen mit Assetbird wolle man neue Standards in der Branche setzen, heißt es von David O’Brien, Head of Investment Heimstaden. Nico Kramp, Gründer von Assetbird, hoffte, dass Heimstaden durch die Kooperation „renditestarke Ergebnisse für Anleger generieren kann“.

Interessant vor diesem Hintergrund auch: Ob Heimstaden bei Immobilien-Deals ordnungsgemäß Grunderwerbsteuer abführt, darf bestritten werden. Denn auch strukturell scheint man vom berüchtigten Immobilienkonzern Akelius nicht sonderlich weit weg zu sein: So verfügt Akelius über ein Firmengeflecht in diversen Steuerparadiesen. Auch bei Heimstaden gibt es Hinweise darauf, dass mit Briefkastenfirmen auf den Jungferninseln agiert wird. So recherchierte der Tagesspiegel etwa, dass möglicherweise beim Erwerb von Berliner Immobilien eine dort sitzende Gesellschaft auf dem Papier Eigentümer geworden ist, sich aber Heimstaden als neuer Vermieter vorgestellt habe – wohl um unter anderem Grunderwerbsteuer zu sparen. Ebenso soll das Vorkaufsrecht ausgehebelt worden sein.

Die vernetzten Mie­te­r*in­nen von Heimstaden jedenfalls wollen alle Schritte der Digitalisierung bei ihrem Vermieter genau und kritisch begleiten. Die Initiative fordert alle Heimstaden-Mieter*innen dazu auf, „eine ­DSGVO-Abfrage bei Heimstaden zu machen und die Antwort von der jeweiligen Datenschutzbehörde prüfen zu lassen“.

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3 Kommentare

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  • @EICKE81

    "Haha, die Carsharing-Anbieter saugen meine Daten schon ab, also darf der Vermieter auch".

    Finde den Fehler. Die Fehler, vielleicht.

  • Das sind Sorgen. Wenn ich mir bei einem Carsharing-Anbieter ein Auto leihe, bekommt der Daten. Jetzt wird das kritisiert...

    Das mit den Schlüsseln hat einen anderen Hintergrund. Normale Schlüsselsysteme verursachen hohe Kosten im Betrieb. Eine Umrüstung ist allerdings sehr aufwendig, so dass dies nur im Neubau Sinn ergibt.

    • @eicke81:

      Das mit den Kosten muss man genauer erklären...

      Wenn bei einer klassischen Schließanlage ein Schlüssel verloren geht, müssen schlimmstenfalls alle Schlüssel ersetzt werden.

      Bei elektronischen Systemen wird einfach die verlorengegangene Karte deaktiviert und die tut dann nicht mehr.



      Genauso geht das mit Schlüsseln mit Transponder.

      Jede größere Firma macht das heutzutage so.

      Allerdings: ohne Strom kommt man nicht mehr rein. Das ist bei Firmen o.k., weil ohne Strom kann man da eh nicht arbeiten.



      Bei Privatwohnungen ist das schon heikler.