Immobilienkonzern als Vermieter: Sparkasse lässt Mieter frieren
Unter den Augen der Sparkasse Bremen hat sich der Immobilieninvestor Omega AG verzockt und ist pleite. Die Mieter*innen spüren das am eigenen Leib.
Sie wohnen in einem Haus der Omega AG und haben seit Monaten massive Probleme mit ihrem Vermieter: Müll, Wasserschäden, Schimmel und jetzt die Heizung. Zum Jahresanfang hatte das Unternehmen zunächst die Liquidation bekannt gegeben, letzte Woche wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Lage ist verheerend.
Die Rede ist von vorsätzlich zweckentfremdeten Geldern, geschönten Zahlen und undurchsichtigen Kreditgeschäften mit ausländischen Banken. Der Jahresabschluss für 2022 kann nicht erstellt werden, weil „zwingend notwendig[e] Steuerunterlagen abschließend fehlen und nicht beigebracht werden können“, heißt es in einer Mitteilung von Omega.Das ist der finanzielle Super-GAU. Die beauftragten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind abgesprungen. Die Schulden sollen sich auf 350 Millionen Euro belaufen.
All das geschah unter den Augen der Sparkasse Bremen. Sie ist 2019 über ihre Tochtergesellschaft NWU bei Omega eingestiegen und nach Angaben von Omega selbst mit einem „hohen einstelligen Millionenbetrag“ an dem Unternehmen beteiligt. Mit NWU-Geschäftsführer Ralf Paslack hatte die Sparkasse einen Mann im Aufsichtsrat und war damit für die Kontrolle von Omega verantwortlich.
Körperhygiene wird im Kalten zur Herausforderung
Das Unternehmen hat schon länger Finanzprobleme. Seit Monaten häufen sich Berichte über massive Mängel in Wohnungen der Omega AG. In Osterholz-Scharmbeck berichten Mieter*innen von Wasserschäden, Ratten und Schimmel, in Mainz wurde bereits das Gesundheitsamt eingeschaltet und in Worms war eine gehbehinderte Mieterin wegen einem defekten Fahrstuhl für sechs Wochen in ihrer Wohnung gefangen.
„Es ist belastend“, sagen die Mieter*innen Schmidt und Fischer. Schon die Aufrechterhaltung der grundlegenden Körperhygiene sei wegen der Kälte durch die defekte Heizung eine Herausforderung. Duschen können sie nur auf der Arbeit oder bei Freund*innen, manchmal im Schwimmbad. Auch Kochen ist wegen des vielen Wasserdampfes, der bei so niedrigen Temperaturen entsteht, schwierig.
Die Tage verbringen die beiden Mieter*innen damit, sich warmzuhalten. Ausgestattet mit Heizstrahler und eingepackt in vier oder fünf Lagen Decken versuchen sie, nicht zu frieren. Manchmal würden ihre Hände trotzdem so stark zittern, dass sie ihr Handy nicht mehr halten können, erzählen sie.
Fischer musste in der kalten Wohnung eine Coronainfektion überstehen und hat sich seitdem nicht richtig erholt. Auch Schmidt klagt über körperliche Beschwerden, von der psychischen Belastung ganz zu schweigen. Auf der Arbeit seien sie wegen ihrer Erschöpfung schon auf ihre Gesundheit angesprochen worden. Beide sind in der Pflege tätig.
Schmidt und Fischer sorgen sich auch um ihre Nachbar*innen. Darunter ist ein hilfsbedürftiger älterer Herr und eine aus der Ukraine geflohene Familie mit Kindern.
Alleine in Oldenburg haben Mieter*innen von mindestens 30 Wohnungen mit Omega zu kämpfen. Einige haben wegen der untragbaren Zustände und finanziellen Ungereimtheiten schon Anwälte eingeschaltet oder Anzeige erstattet.
Es ist aber schwierig herauszufinden, wer genau verantwortlich ist. Die Häuser gehören nicht Omega direkt, sondern der Tochter einer Tochter einer Tochtergesellschaft. Omega schiebt die Verantwortung auf die Hausverwaltung – die ist, oder war bis vor Kurzem, jedoch auch Teil der Unternehmensgruppe.
Viele Briefkästen an wenigen Adressen
Die 2011 von Geschäftsmann Ralph Reinhold gegründete Omega AG besitzt über komplizierte Firmenkonstrukte mehr als 5.000 Wohnungen in Deutschland. Fast alle Tochterunternehmen haben ihren Sitz in der deutschen Steueroase Grünwald, einem Vorort von München. Sie teilen sich oft (Briefkasten-)Adresse und Geschäftsführer. Die vielen Tochtergesellschaften erfüllen ihren Zweck zum Teil dadurch, dass sie gar nicht mit Immobilien handeln, sondern mit Unternehmen, denen Immobilien gehören. Das spart Steuern. Omega hat vor lauter Steueroptimierung wohl den Überblick verloren.
Mitte 2023 hat der türkische Finanzinvestor Whitefield die Mehrheit am Unternehmen übernommen. Statt der angekündigten „Restrukturierung“ betreibt Whitefield jetzt Schadensbegrenzung.
Die Omega AG heißt seit einigen Tagen Amina AG und hat ihren Sitz von München nach Nordenham verlegt. Ob damit der Zugriff auf das Unternehmensvermögen erschwert werden soll, könne der beauftragte Insolvenzverwalter nicht beurteilen, wie er in Medienberichten angibt. Auch über die Summe der Vermögen und Schulden von Omega wisse er bislang nichts Genaues, da das Unternehmen ihm dazu keinerlei Auskunft erteilt habe. Den Mieter*innen ist damit jedenfalls nicht geholfen.
Das ganze Ausmaß zeigt sich erst in Monaten
Die Sparkasse Bremen möchte nichts mehr mit Omega zu tun haben. Von der Homepage der NWU ist das Unternehmen spurlos verschwunden. Wie sie die Zustände so lange mittragen konnte und warum sie ausgerechnet in Omega investiert hat, ist unklar. Der frühere Vorstand Reinhold war für seine exzessiven Partys bekannt und die Unternehmensstruktur ist schon länger nicht mehr durchschaubar. Erst 2021 hatte die Sparkasse ihr Investment noch einmal erhöht, anscheinend über ihren regulären Höchstbetrag hinaus. Auf Anfrage wollte sie sich nicht dazu äußern.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen Reinhold. Nach taz-Informationen hat auch die Abteilung für Wirtschaftskriminalität des LKA Niedersachsen einen ersten Blick auf das Unternehmen geworfen. Das vollständige Ausmaß der Omega-Pleite wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Inzwischen ist es Mitte Januar. Die Heizung ist noch immer kaputt. Weihnachten haben die Mieter*innen der Cloppenburger Straße im Kalten verbracht. Nach der Bekanntgabe der Insolvenz rechnen sie nicht damit, dass sich in nächster Zeit etwas an ihrer Lage ändern wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken