Immer mehr VerbraucherInnen belastet: Fast täglich grüßt der Strafzins
Bei 300 Banken und Sparkassen müssen KundInnen für Einlagen nun ein „Verwahrentgelt“ zahlen. Damit kann Sparen zum Minusgeschäft werden.
![Eine Frau hält Geldscheine und Münzen in der Hand. Eine Frau hält Geldscheine und Münzen in der Hand.](https://taz.de/picture/4790072/14/27187508-1.jpeg)
Dies geht aus Daten des Vergleichsportals Verivox hervor. Allein in den ersten 100 Tagen dieses Jahres führten mehr als 100 Geldhäuser Strafzinsen ein. „Aktuell kommen nahezu täglich weitere Banken hinzu“, so Oliver Maier von Verivox. „In der Pandemie legen viele Verbraucher ihr Geld lieber aufs Konto, statt es auszugeben. Für Banken ist das ein Problem, denn sie zahlen selbst Strafzinsen auf überschüssige Einlagen“, sagte Maier.
Die Sparquote in Deutschland war im vergangenem Jahr auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent gestiegen. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen legten die Haushalte somit im Schnitt gut 16 Euro auf die hohe Kante.
Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliardenbelastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser ganz oder teilweise weiter und berechnen ihren Kunden Negativzinsen.
Vorerst nicht für alle Privatkunden
Lange Zeit verlangten Banken vor allem bei großen Summen ab 100.000 Euro Strafzinsen. Inzwischen erheben Verivox zufolge mindestens 95 Institute Negativzinsen schon ab einem Gesamtguthaben von 50.000 Euro oder weniger. Andere schließen eine Verringerung des Grenzwertes nicht aus.
„An die breite Privatkundschaft werden wir keine Negativzinsen weitergeben. Aber die Frage ist, wo das Ende der Breite ist“, sagte die Privatkunden-Vorständin der Commerzbank, Sabine Schmittroth, jüngst dem „Handelsblatt“. „Daher werden wir uns die Höhe der Freibeträge immer wieder anschauen.“ Aktuell liegen sie bei 100.000 Euro.
Auch die Deutsche Bundesbank war jüngst zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wachsende Zahl von Kreditinstituten die Strafzinsen an Kunden weitergibt. „Der Anteil der Banken in Deutschland, die ihre Kundeneinlagen im Durchschnitt negativ verzinsen, nahm 2020 weiter zu“, hieß Monatsbericht Bundesbank für Februar.
Verbraucherschützer warnen
Unternehmen sind seit geraumer Zeit von Minuszinsen auf Sichteinlagen wie Giro- und Tagesgeldkonten und auf Termineinlagen wie Festgeld betroffen. Auch bei Sichteinlagen von Privatkunden sei „ein bisher ungebrochener Aufwärtstrend erkennbar“, schrieb die Bundesbank. Termineinlagen wie Festgeld von Privatkunden seien im Durchschnitt aber weiterhin positiv verzinst.
Verbraucherschützern zufolge sind Negativzinsen bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrentgelt explizit mit ihnen vereinbart wurde. Es reiche nicht, lediglich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu ändern.
Verivox wertet die im Internet veröffentlichten Preisaushänge von etwa 1.300 Banken und Sparkassen aus. Überwiegend gelten Strafzinsen für Tagesgeld, teilweise werden sie aber auch für Giro- und Verrechnungskonten erhoben.
Daneben berechnen Verivox zufolge 18 Geldhäuser eine Gebühr für das üblicherweise kostenfreie Tagesgeldkonto. Dadurch entstünden faktisch Negativzinsen. „Das Geld auf dem Konto wird weniger, auch wenn die Bank nominal 0,00 oder 0,01 Prozent Zinsen ausweist.“
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