Im Falle eines harten Brexit: Briten werden normale Ausländer
Wenn Großbritannien die EU ohne Deal verlässt, sind die Briten ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland los. Der Gang zum Ausländeramt wird notwendig.

Bisher genießen Briten als EU-Bürger in allen Staaten der Europäischen Union Freizügigkeit. Sie können frei reisen und sich auch niederlassen, wo sie wollen – jedenfalls solange sie keine Sozialleistungen benötigen.
Mit dem Brexit ändert sich das. Die Briten sind dann keine EU-Bürger mehr, sondern Angehörige eines Drittstaates, wie zum Beispiel Kanadier oder Algerier.
Eigentlich war vorgesehen, dass die EU und Großbritannien ein Austrittsabkommen unterzeichnen. Dies hätte Großbritannien eine Übergangsphase von knapp zwei Jahren bis Ende 2020 eingeräumt. Solange wären auch Briten in Deutschland weiter wie EU-Bürger behandelt worden.
Doch das britische Unterhaus hat dieses Abkommen am Dienstagabend mit großer Mehrheit abgelehnt. Es hat wohl keine Chance mehr. Damit droht ein harter Brexit. Nach derzeitigem Stand verlässt Großbritannien zum 29. März die EU. Eine Verschiebung ist noch möglich, aber vermutlich nur bis zu den Europawahlen Ende Mai oder bis zum ersten Zusammentreffen des Europäischen Parlaments am 2. Juli. Dann wird es ernst.
Briten „müssen nicht sofort ausreisen“
Am einfachsten wäre es, der Bundestag würde eine Art Bestandsschutz beschließen. Alle Briten, die bis zu einem Stichtag als EU-Bürger in Deutschland wohnen, haben Anspruch auf einen dauerhaften Aufenthaltstitel. Die Begründung läge nahe: Sie haben sich auf ein Leben als EU-Bürger eingestellt. Dass ein Land die EU verlässt, das gab es noch nie, und damit mussten sie auch nicht rechnen. Doch bisher ist ein derartiges Bestandsschutz-Gesetz nicht geplant.
Das Bundesinnenministerium verspricht den Briten in Deutschland bisher nur, dass sie „nicht sofort ausreisen“ müssen. Vielmehr hätten sie ab dem Brexit drei Monate Zeit, bei der örtlichen Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Diese dreimonatige Übergangsfrist will Innenminister Horst Seehofer (CSU) per Verordnung einführen. Falls die Ausländerbehörden überlastet sind, soll die Frist vielleicht noch verlängert werden. Anschließend aber sollen die Briten wie normale Einwanderer behandelt werden. Das heißt sie müssen wie ein Kanadier oder ein Algerier eine für sie passende Regelung finden.
Es ist Brexit-Zeit
Für Briten mit Hochschulabschluss oder ähnlicher Qualifikation gibt es zum Beispiel die „Blaue Karte EU“ und auch ähnliche spezifisch deutsche Programme. Die Agentur für Arbeit führt außerdem eine „Positivliste“ für Ausbildungsberufe, bei denen in Deutschland ein Engpass besteht und deshalb Einwanderung erwünscht ist – von der Fliesenlegerin bis zum Altenpfleger. Britische Studenten können wohl ohne Probleme weiterstudieren, denn Deutschland ist eh recht offen beim Zugang von Studierenden aus aller Welt. Auch britische (Start up-)Unternehmer und Selbständige können mit einer Aufenthaltserlaubnis rechnen, wenn ihre Tätigkeit „positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt“. Wer aber nicht in einem Mangelberuf arbeitet, wird es schwer haben, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.
Eine Perspektive könnte für Briten, die schon lange hier leben, die Einbürgerung sein. Erforderlich ist hierfür ein mindestens achtjähriger Aufenthalt in Deutschland. Wer den deutschen Pass hat, hat dann natürlich auch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?