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Hybrider KriegGreenpeace warnt vor Schattenflotte

Putin treibt mit russischer Schattenflotte sein Unwesen auch im Mittelmeer. Italiens Behörden zeigen wenig Aufklärungseifer.

Nach zweimonatiger Untersuchung durfte der Öltanker Eagle S am Sonntag finnisches Gewässer verlassen Foto: Pete Aarre-Ahtio/Ilta-Sanomat/reuters

Rom taz | Zerstörte Unterwasserkabel für Strom und Telekommunikation, havarierte und manövrierunfähige Tanker wie im Januar vor Rügen: Die „Schattenflotte“ Russlands hat in den letzten Monaten traurige Berühmtheit erlangt. Fleißig exportieren Dutzende Tanker an den Sanktionen vorbei russisches Öl, fleißig sorgen die oft maroden Kähne nicht bloß für Umwelt-, sondern offenkundig auch für Sabotagerisiken, wenn ihre Anker über den Meeresgrund schleifen und dabei immer wieder Kabel zerstören. Nun warten Greenpeace und die für ihren Investigativjournalismus berühmte Sendung „Report“ der staatlichen TV-Anstalt RAI mit neuen detaillierten Enthüllungen auch im Mittelmeer auf.

Über Monate hinweg wertete das Greenpeace-Team Bewegungsdaten Dutzender Tanker aus, überprüfte Schiffs- und Versicherungsregister ebenso wie Entladungsoperationen in Häfen wie auch auf offener See, mit einigermaßen eindeutigem Befund: Vor Italiens Küste kann die russische Schattenflotte, von Behörden nicht groß behelligt, weitgehend ungestört operieren.

Das gilt vorneweg für das Seegebiet vor dem an der ostsizilianischen Küste gelegenen Augusta. Dort gehören Öltanker zum Alltag. Augusta ist mit seinen Raffinerien ein wichtiger Petrochemie-Standort. Nicht zum Alltag gehören jedoch die Dutzenden Tanker, die dort, unmittelbar außerhalb der 12-Meilen-Zone der italienischen Hoheitsgewässer, sogenannte STS-Transfers durchführen, „Ship to Ship“-Öl-Umladungen von einem Tanker auf den anderen, deren Ziel es ist, die russische Herkunft des Öls zu verwischen.

Richtig in Schwung kamen diese Transfers im letzten Jahr aus einem einfachen Grund. Vorher hatten sie vor allem im Lakonischen Golf vor der Südküste des Peloponnes stattgefunden. Doch dann setzte die griechische Marine dem Treiben ein Ende. Die STS-Transfers dienen nur einem Zweck, der Umgehung der Sanktionen gegen Russland per Verschleierung der Herkunft des Öls. Gleich 33 solcher STS-Operationen allein vor Augusta mit 52 identifizierten Schiffen hat Greenpeace für den Zeitraum Januar bis November 2024 festgestellt. Die Umweltorganisation kalkuliert, dass über 5 Millionen Tonnen Öl umgeladen wurden.

Umweltkatastrophen blieben an Italien hängen

Und Greenpeace hat auch die Daten der Schiffe akribisch erhoben. 40 Prozent von ihnen fahren unter Flaggen, die sich auf der schwarzen und der grauen Liste der Flaggenstaaten befinden, auf jenen Listen also, die auf mangelnde Prüf- und Sicherheitsstandards hinweisen. Mehr noch: Auch die vor Italien aktiven Fliegenden Holländer sind in der Regel überaltert und unterversichert – Umweltkatastrophen blieben dort im Zweifelsfall an den italienischen Steuerzahlern hängen.

Hinzu kommen die Sicherheitsrisiken. Der Tanker „Eagle S“ etwa war im Februar 2024 beteiligt an einem STS-Transfer vor Augusta. Im Sommer 2024 wurde an Bord des Schiffs Spionageausrüstung gefunden, „offensichtlich russischen und türkischen Ursprungs“, wie Greenpeace festhält. Im Dezember wurde die „Eagle S“ von den finnischen Behörden beschlagnahmt, weil sie unter dem Verdacht steht, an der Sabotage des Hochspannungskabels EstLink2 beteiligt gewesen zu sein. Am Sonntag durfte der verdächtige Tanker dann Finnland wieder verlassen, nachdem die technischen Untersuchungen abgeschlossen waren.

Behörden schauen bloß weg

Greenpeace weist darauf hin, dass dieser Tanker vom 14. Januar bis zum 13. Februar 2024 ohne Ladung an Bord auch vor Augusta kreuzte, einem auch für Spionage interessanten Ort. Dort befindet sich ein Marinearsenal, während auf dem Meeresgrund sechs Telekommunikationskabel verlaufen.

Die italienischen Behörden schauen bloß weg – zum Beispiel auch bei mindestens viermal erfolgten Entladeaktionen im Hafen von Ravenna, an denen von den Sanktionen betroffene Tanker beteiligt waren. Nach geltendem Recht hätten diese Entladungen unterbunden werden müssen. Die Behörden lassen daneben auch italienische Unternehmen gewähren, die mit Dienstleistungen für die Schattenflotte aktiv sind.

Kein Versicherungsschutz

Vorneweg: die Schiffsregistrierungsgesellschaft Rina, ein privates Unternehmen, in dessen Verwaltungsrat jedoch auch Vertreter des italienischen Verkehrsministeriums sitzen. Bei Rina zertifiziert ist zum Beispiel der Tanker „MARTA 1“, ein 18 Jahre altes Schiff, das ohne hinreichenden Versicherungsschutz unter panamaischer Flagge fährt. Das Schiff fuhr im letzten Jahr nie einen Hafen an, sondern lag vor Malta und nahm dort regelmäßig Umladeaktionen der russischen Schattenflotte vor, unter anderem auch 26 solcher Aktionen vor Augusta.

Italiens Behörden zeigen keinerlei Aufklärungseifer, wenn es um Erdölschmuggel mit Libyen geht, der wiederum dazu dient, russisches Öl über den südlichen Umweg nach Europa zu importieren.

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4 Kommentare

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  • Da muss man doch Verständnis haben, die italienischen Schiffe sind vollauf dmait beschäftigt Seenotretter dingfest zu machen. Die bringen schließlich Menschen, die kurz vor dem Ertrinken waren auf europäischen Boden. Wo kämen wir denn hin, wenn wir das zulassen, nur um ein bisschen Ölschmuggel einzudämmen?



    /Wer Satire findet, sollte sich einlesen, was Zynismus bedeutet.

  • Wo leben wir eigentlich.

    Wenn mein Versicherungskennzeichen für mein Moped abgelaufen ist werde ich angehalten, ich muss eine Strafe wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz zahlen und darf nicht weiterfahren.

    Wenn Öltanker unterversichert (also gar nicht versichert) dasselbe machen passiert nix?

    "Vor Italiens Küste kann die russische Schattenflotte, von Behörden nicht groß behelligt, weitgehend ungestört operieren."

    Warum lassen sich Nato-Staaten so an der Nase herumführen?



    Putin lacht sich kaputt.

    Ist das Seerecht so schwach?



    Sind die Polizeiorgane auf dem Meer so schwach?

    Ein Ölunfall ist nur eine Frage der Zeit.



    Strategisch wichtige Seekabel werden jetzt schon zerstört und die Kapitäne laufen gelassen. Eine Form der Kriegsführung.



    Ich bin einfach sprachlos.

    Irgendwie war die Welt im kalten Krieg sicherer.

    • @So,so:

      Meloni ist putinfreundlich. Das zum einen, und zum anderen: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Gilt auch heute noch.

  • Es gäbe natürlich noch einen zweiten Weg, diese Aktionen zu unterbinden. Bei den Transfers gibt es ja nicht nur die Tanker, VON denen geladen wird, sondern die, auf DIE geladen wird. Das sind offenbar Leute/Firmen/Länder, die die Sanktionen umgehen wollen. Und wenn wir sowas wie Rechtsstaaten haben, sollte man derer habhaft werden können.



    Das würde natürlich das Sabotagerisiko der russischen Schiffe nicht mindern, aber man muss doch die andere Seite der verbrecherischen Aktionen dingfest machen.