Humanitäre Korridore in der Ukraine: Der Gipfel des Zynismus
Putin will in der Ukraine humanitäre Korridore nach Russland und Belarus einrichten – welch Farce. Es wäre ein Fluchtweg ins Verderben.
D ie Hoffnung stirbt zuletzt: Abertausende Ukrainer*innen versuchen mit letzter Kraft, der Hölle des Krieges zu entkommen und sich vor russischen Bomben und Granaten in Sicherheit zu bringen. Doch dass die Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine über die Schaffung humanitärer Korridore aus Städten wie Kiew, Charkiw, Sumy oder Mariupol dieses Mal Bestand hat und wirklich sichere Fluchtwege geschaffen werden, muss leider bezweifelt werden.
Mehrere Anläufe sind bereits gescheitert, weil russische Soldaten das Feuer auf wehrlose Zivilist*innen eröffneten. Offensichtlich meint der Kreml, mit seiner „Spezialoperation“ auch kleine Kinder „entnazifizieren“ zu müssen.
Der Gipfel des Zynismus ist der abwegige Vorschlag Moskaus, Korridore in Richtung Belarus und Russland zu eröffnen. Welch krankem Hirn dieses Ansinnen und mit welchen Hintergedanken auch immer entsprungen sein mag, Tatsache ist: Dieser Weg führt geradewegs ins Verderben. Warum sollten sich ausgerechnet die Ukrainer*innen, wenngleich zutiefst verzweifelt und vom Tod bedroht, dem Feind freiwillig ans Messer liefern?
Dazu passt dann auch die nächste Verhandlungsrunde, die wieder ergebnislos zu Ende ging. Etwas anderes war auch kaum zu erwarten. Moskau hält an seinen Forderungen, wie die nachträgliche Absegnung der Krim als russisches Territorium durch die Ukraine sowie die Einsetzung eines – dem Kreml genehmen – Statthalters in Kiew, stur fest. Vielleicht die Moskauer Marionette, der ukrainische Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch?
Das ist der Mann, der sich seit Jahren in Russland verkriecht und für die über 100 Toten auf dem Maidan 2014 maßgeblich verantwortlich ist. Jetzt fordert er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski dazu auf, dem Blutvergießen Einhalt zu gebieten. Verkehrte Welt!
Wie sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow so schön: Russland könne die „Operation“ jederzeit beenden. Ach ja wirklich – angesichts von tausenden toten russischen Soldaten und einem sinnlosen Krieg, der bisher nicht den gewünschten Erfolg bringt? Zumindest was die Ukraine angeht, sollte es der Kreml mittlerweile besser wissen: Den Kampf verloren geben ist derzeit keine Option, wie hoch der Preis auch sein mag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“