Hubert Aiwanger will Messer für alle: Freie Wähler am rechten Rand
Mit verbalen Messerstechereien offenbart Bayerns Vizeministerpräsident Erfrischendes: Die richtig üble Partei der Koalition sind die Freien Wähler.
Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte, und wir würden die Schwerkriminellen einsperren. Das wäre der richtige Weg“, hatte Bayerns Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger am vergangenen Wochenende bei einer Jagdmesse gesagt und fühlte sich, als Kritik kam, prompt falsch verstanden – also genau richtig.
Denn natürlich ging es ihm nicht, wie der Chef der Freien Wähler heuchlerisch nachschob, um die Verteidigung des Tragens von harmlosen Trachtenaccessoires, sondern um das, was hängen bleibt: dass nämlich anständige Bürger unanständiges Gschwerl abstechen dürfen müssen, wenn sie sich bedroht fühlen, und dass sie weniger davon abstechen müssten, wenn mehr Gschwerl einfahren würde.
Das war Aiwangers politische Botschaft – und es gehört zur Logik solcher Botschaften, dass sie umgehend relativiert werden respektive die Kritik an ihnen als böswillig hingestellt wird.
Aiwangers politische Kommunikation funktioniert wie die des AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner. Der hatte nach dem Terroranschlag von Halle einen Tweet geteilt, dem zufolge die Opfer „eine Deutsche, die gerne Volksmusik hörte“, und „ein Bio-Deutscher“ gewesen seien. Weiter hieß es dann: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“
Nachdem sich diese miese Message unter seinen Naziwählern genügend verbreitet hatte, konnte Brandner frohen Mutes den Volldeppen spielen und sich entschuldigen: Er habe einen Beitrag retweetet, den er „inhaltlich nie geteilt“ habe.
Aiwanger will seine Freien Wähler mit verbalen Messerstechereien fit machen für die Kommunalwahl im Frühjahr 2020 – und darüber hinaus. Langfristig soll sie das konservative Feld in Bayern besetzen, das CSU-Chef Söder, von den Grünen bedrängt, gerade räumt. Die Freien Wähler also eine Art Bad Bank der CSU zur Deponierung von ideologischen Altlasten – genau das betreibt Aiwanger da gerade, dieser Bauernfänger mit dem Hirschfänger in der Hand. Manche seiner WählerInnen allerdings werden in diesem Misthaufen nicht mitwühlen wollen – oder gleich die richtig braune Alternative wählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance