Homophobie in Südkorea: Armeechef gegen schwule Rekruten
Mit einer landesweiten Fahndung will das Militär die eigenen Reihen „sauberhalten“. Denn Homosexualität schwäche die Kampfbereitschaft.
Laut der Nichtregierungsorganisation Military Human Rights Center for Korea (MHRCK) soll die Armeeführung mittels ihres Cyberermittlungsteams schwule Dating-Apps ausspioniert haben, um homosexuelle Soldaten ausfindig zu machen. Auch sollen Telefongespräche abgehört und entwürdigende Einzelverhöre durchgeführt worden sein.
Laut Zeugenaussagen wurden Betroffene dabei über intimste Details ihres Sexuallebens ausgefragt und aufgefordert, schwule Kameraden zu outen. Bisher sollen zwei Rekruten wegen Sodomie verurteilt worden sein, zwanzig weiteren droht eine Strafe vom Militärgericht.
Die Armee habe verdächtige Soldaten gezwungen, ihre Sexpartner zu „identifizieren, und von da aus ihre Suche ausgeweitet“, sagt MHRCK-Leiter Lim Tae Hoon.
Einschüchterungen und Drohungen
Um die Vorwürfe zu untermauern, veröffentlichte MHRCK Screenshots von Chatverläufen und Telefonmitschnitte. „Wir haben alle Informationen über deine Beziehung mit ihm schwarz auf weiß, 400 Seiten lang. Es bringt nichts, zu lügen“, sagt darin ein angeblicher Ermittler zu einem Rekruten. In einer anderen Audiodatei hört man: „Was, ihr hattet nicht mal Oralsex?“
Die Armee bestätigt die strafrechtliche Untersuchung gegen die zwei Rekruten des Sexvideos, bestreitet jedoch, dass es eine systematische Hexenjagd auf schwule Soldaten gibt. Das Verteidigungsministerium will sich zu dem laufenden Fall nicht äußern.
Heezy Yang, Aktivist
Das militärische Strafrecht stellt „Sodomie“ zwischen Soldaten unter Strafe. Das kann mit bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Ebenjener Paragraf wurde erst letztes Jahr von der Staatsanwaltschaft bestätigt: „Im Militär gibt es ein großes Potenzial für abnorme Sexualpraktiken“, heißt es in der Begründung. Diese würden ein ernsthaftes Risiko darstellen, die Kampfbereitschaft der Truppe zu schwächen.
Skandal überrascht nicht
„Mich überrascht der jüngste Skandal nicht. Viele Bereiche der südkoreanischen Gesellschaft sind noch immer homophob“, sagt der 26-jährige Heezy Yang, der offen schwul lebt. Nach jahrelangen Behördengängen wurde ihm wegen Angststörungen Ersatzdienst in einem Seouler Bezirksamt gestattet – eine absolute Ausnahme.
„Die meisten meiner schwulen Freunde haben trotz der Befürchtung, in der Armee diskriminiert zu werden, ihren Wehrdienst abgeleistet“, sagt Yang. Wer das nicht tue, habe einen Makel in seinem Lebenslauf, den nur wenige Arbeitgeber verzeihen würden: „Wenn man in der Gesellschaft dazugehören will, muss man es zu Ende bringen.“
Am Dienstagabend wurde das Thema auch im Wahlkampf zum Aufreger. Dabei löste laut der Nachrichtenagentur AP der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Moon Jae In hat mit umstrittenen Aussagen scharfe Kritik aus.
Der liberale Kandidat und frühere Menschenrechtsanwalt sagte in einer Fernsehdebatte als Reaktion auf eine Aussage des konservativen Kandidaten Hong Joon Pyo, dass er gegen Homosexualität sei.
Als sich Hong noch einmal vergewisserte, ob er das richtig verstanden habe, antwortete Moon: „Selbstverständlich.“
Feigheit vor dem homophoben Mainstream
Hong von der Partei der abgesetzten und angeklagten Präsidentin Park Geun Hye hatte zuvor behauptet, schwule Soldaten würden das südkoreanische Militär schwächen. Dem hatte Moon zugestimmt.
Moons Anhänger erklärten, er habe das sagen müssen, um sich die Präsidentschaft in dem überaus konservativen Südkorea bei der Wahl am 9. Mai zu sichern.
Vor allem unter in Südkorea verfolgten sexuellen Minderheiten erntete er damit aber heftige Kritik. Manche Fürsprecher von Homosexuellenrechten mussten am Mittwoch zurückgehalten werden, als sie Moon nach einer Ansprache in der Nationalversammlung in Seoul nahekommen wollten. 13 Aktivisten wurden nach Polizeiangaben festgenommen.
Eine Gruppe von Menschenrechtsanwälten, zu denen Moon einst zählte, erklärte, Moon und Hong hätten ihre Ignoranz hinsichtlich Bürger- und Verfassungsrechten enthüllt.
Die Aussagen könnten zu Hasstiraden und Diskriminierung sozialer Minderheiten in der südkoreanischen Gesellschaft ermutigen, teilte die Gruppe Anwälte für eine Demokratische Gesellschaft mit.
Bei der Fernsehdebatte sprach sich nur die Präsidentschaftskandidatin Sim Sang Jung für Homosexuellenrechte aus.
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