Gericht watscht Hamburger Behörden ab: Klimastreik-Demo in vollem Umfang

Das Verwaltungsgericht Hamburg kassiert die Demo-Auflagen der Stadt. Die habe sich nicht mit dem Schutzkonzept der Veranstalter auseinandergesetzt.

Klimaaktivist:innen mit Transparent auf dem Rathausmarkt

Dass sie Abstände einhalten, haben Fridays for Future bei vergangenen Demos gezeigt Foto: Ulrich Perrey/dpa

HAMBURG taz | Die Klimastreik-Demonstration in Hamburg kann in geplantem Umfang mit 10.500 Teilnehmer*innen stattfinden. Das hat das Hamburger Verwaltungsgericht am Freitagmorgen auf Antrag der Anmelder-Organisation „Fridays for future Hamburg“ entschieden. Die von der Versammlungsbehörde in Abstimmung mit der Sozialbehörde aus Infektionsschutzgründen kurzfristig verfügten Einschränkungen sind damit fast vollständig hinfällig. Lediglich einen vergrößerten Abstand zwischen den drei Demonstrationszügen von dann 300 Metern legte das Gericht den Veranstaltern auf.

Obwohl die Hamburger Fridays for Future für ihre Großdemo am Freitag ein überzeugendes Corona-Schutzkonzept vorgelegt hatten, hatten die Behörden einen Tag vor der Demo die Auflagen drastisch verschärft. Statt 10.000 wollte die Versammlungsbehörde nur noch 2.000 Teilnehmer*innen erlauben, aufgeteilt auf zwei statt der angemeldeten drei Demozüge. Auf eine Abschlusskundgebung, die sich auf einer Länge von 1,5 Kilometern in der Innenstadt erstrecken sollte, sollten die Aktivist*innen ganz verzichten.

Für die Klimaaktivist*innen kamen die Auflagen überraschend. „Die seit einem Monat laufenden Kooperationsgespräche liefen durchgehend positiv“, sagte Pressekoordinator Philipp Wenzel. Das von ihnen erarbeitete Hygienekonzept habe extra verschiedene Start- und Anreisepunkte für die Demonstrant*innen vorgegeben um Menschenmassen an Bus- und Bahnhaltestellen zu vermeiden. Außerdem seien eine durchgängige Maskenpflicht und Mindestabstände von zwei Metern festgeschrieben. Zudem sollten die drei großen Demozüge in kleine Blöcke von je 250 Teilnehmer*innen aufgeteilt werden.

Die am Donnerstag, also einen Tag vor der Demonstration, erteilte Verfügung sah dagegen vor, dass nur zwei Demozüge mit je 1.000 Personen starten, der dritte Zug dürfe stattdessen als Menschenkette um die Alster stattfinden. Das kam für die Aktivist*innen nicht infrage, sie stellten einen Eilantrag gegen die Auflagen beim Verwaltungsgericht. „Den Vorschlag einer Menschenkette zwischen all den Snackbuden am Jungfernstieg und den Baustellen am Ballindamm haben wir als Satire aufgefasst und lehnen ihn ab“, sagte Wenzel.

Normalerweise ist die bei der Polizei angegliederte Versammlungsbehörde für die Sicherheit und Auflagen von Demonstrationen zuständig. In Zeiten der Pandemie muss sie ab tausend angemeldeten Teilnehmer*innen aber den Rat der Sozialbehörde einholen. Daher kommen auch die Bedenken: „Bei Veranstaltungen mit 10.000 Teilnehmern ist eine Kontaktverfolgung schwierig bis unmöglich“, sagt Behördensprecher Martin Helfrich.

Auf den Hinweis, dass es auch nach sehr großen Demos wie Black Lives Matter kein nennenswertes Infektionsgeschehen gab, sagt er: „Als Gesundheitsexperten müssen wir risikoorientiert arbeiten.“ Obwohl das von Fridays vorgelegte Konzept gut sei, müsse man aus gesundheitlicher Sicht von so großen Menschenmengen abraten. Bei den Schüler*innen ist der Eindruck entstanden, in der Behörde sei das Konzept gar nicht richtig gelesen worden.

Das Gericht schloss sich dieser Sichtweise mit deutlichen Worten an: Die Stadt habe lediglich auf „auf das abstrakte Infektionsrisiko und die geplante Personenzahl der Versammlungen“ abgestellt – „ohne sich mit dem konkreten Hygienekonzept des Versammlungsanmelders auseinanderzusetzen“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts.

Auch sei „das gegenwärtige Infektionsgeschehen nicht derart gravierend, dass ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden könnte, ein Aufzug oder eine Versammlung von mehr als 1.000 Personen müsse (zwingend) untersagt werden“. Die Einschränkungen seien daher nicht verhältnismäßig, so das Gericht. Die Stadt hat gegen die Entscheidung keine Rechtsmittel eingelegt.

Wir haben diesen Text nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aktualisiert. Die Redaktion

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