piwik no script img

Hoffnungsträger für die KlimaneutralitätStartschuss fürs Wasserstoffnetz

Die Bundesnetzagentur genehmigt Anträge für das Wasserstoff-Kernnetz. Damit kann der Ausbau der wichtigen Infrastruktur beginnen.

Baustelle für eine Pipeline: Ein Wasserstoffnetz ist wichtig für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft Foto: Bernd Weißbrod/picture alliance

Berlin taz | Nach einer zweieinhalbjährigen Planungsphase beginnt der Aufbau eines deutschen Netzes zum Transport von Wasserstoff. Die Bundesnetzagentur hat am Dienstag die entsprechenden Anträge der Betreiber genehmigt. „Mit dem genehmigten Kernnetz schaffen wir Planungssicherheit für alle Beteiligten“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der Pläne.

Wasserstoff ist der Hoffnungsträger für den Umbau der Wirtschaft. Wird er mit erneuerbaren Energien hergestellt, ist er klimaneutral. Der sogenannte grüne Wasserstoff soll fossile Energieträger wie Erdgas ersetzen. Allerdings wird bislang wenig Wasserstoff hergestellt, es gibt kaum Transportwege. Die Bundesregierung rechnet damit, dass auch langfristig große Mengen importiert werden müssen.

Der Aufbau des Leitungsnetzes ist die Voraussetzung für die Nutzung von Wasserstoff. Das nun genehmigte Kernnetz verbindet zentrale Standorte, etwa geplante Produktionsstätten oder Importpunkte auf der einen Seite und Abnehmer wie Kraftwerke oder Industrieanlagen auf der anderen. Die Pläne sehen Leitungen von 9.040 Kilometern Länge und 13 Grenzübergangspunkte in europäische Nachbarländer vor. „Das Kernnetz ist ein Startnetz“, betonte Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur. Er vergleicht den Plan mit dem Verkehrsnetz: Jetzt stehen die Autobahnen fest, Land- und Kreisstraßen sollen folgen. So sollen die Leitungen nach Bedarf in Betrieb genommen werden.

Für etwa 60 Prozent des Netzes werden bisherige Erdgasleitungen umgewidmet. Der Rest wird neu gebaut. Der Ausbau soll schrittweise bis 2032 erfolgen. Schon im kommenden Jahr sollen erste Abschnitte in Betrieb gehen. Dafür sind Leitungen vorgesehen, die nicht mehr für den Erdgastransport benötigt werden.

Einnahmen zunächst niedrig

Ausbau und Betrieb des Wasserstoffnetzes sollen privatwirtschaftlich durch die Fernleitungsbetreiber erfolgen, das sind die überregionalen heutigen Gas- und künftigen Wasserstofftransporteure. Finanziert werden soll das durch Gebühren für die Abnehmer, sogenannte Netzentgelte. Anfangs wird es aber nur wenige Abnehmer von Wasserstoff geben. Sie müssten enorme Gebühren zahlen, wenn die Investitionskosten auf sie umgelegt würden. Deshalb sind die Netzentgelte zunächst gedeckelt. Ein sogenanntes Amortisationskonto sieht vor, dass die zunächst niedrigen Einnahmen durch später höhere ausgeglichen werden. Im Jahr 2055 wird abgerechnet. Sollten die Investitionskosten dann nicht ausgeglichen sein, springt der Bund ein.

Laut den Fernleitungsnetzbetreibern entsteht bis 2032 das größte Wasserstoffnetz Europas. Die Betreiber wollen 18,9 Milliarden Euro in den Ausbau stecken. „Mit dem Wasserstoffkernnetz legen wir den Grundstein für ein neues Energiesystem“, sagte Thomas Gößmann, Chef der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas. „Es bietet die historische Chance für den Standort Deutschland, sich als Vorreiter in der Wasserstoffwirtschaft zu positionieren.“

Union kritisiert, Linke lobt

Die oppositionelle Union im Bundestag kritisiert die Pläne scharf, weil ihrer Meinung nach Bayern und Baden-Württemberg benachteiligt werden. Sie seien ein „Tiefschlag gegen den Südwesten“ sagte der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung. Für Niedersachsen seien viermal so viele Leitungen vorgesehen wie für Baden-Württemberg. Dabei sei aus dem Süden ein größerer Bedarf angemeldet worden. Nur fünf Prozent der Leitungen entfielen auf Baden-Württemberg, obwohl das Land 10 Prozent der Fläche Deutschlands ausmache und 20 Prozent der Industrieleistung von dort komme. „Der Verweis auf spätere Prozesse ist ein schwacher Trost“, sagte er zu Aussagen von Habeck und Müller, dass das Netz weiterentwickelt werde.

Auch die Linkspartei ist skeptisch. „Die Kosten für das Übertragungsnetz Strom fliegen uns jetzt bereits um die Ohren, wofür hauptsächlich Engpässe im Stromnetz verantwortlich sind und der Netzausbau, mit dem man glaubt, diese Engpässe beheben zu können“, sagte der Linksparteiabgeordnete Ralph Lenkert. Die Produktion von Wasserstoff braucht viel Strom. Weil der Staat das Problem auf dem Strommarkt nicht angehe, so Lenkert, fehlten jetzt die Anreize für die Wasserstoffwirtschaft, sich gleich dort anzusiedeln, wo es volkswirtschaftlich am effizientesten und ökologisch am sinnvollsten ist.

Gut findet Lenkert allerdings das Amortisationskonto, weil der Staat damit die Transformationskosten für die Zukunft in der Gegenwart absichert. „Wir begrüßen das für das neue Wasserstoffkernnetz ausdrücklich“, sagte er. Bundesregierung und Bundestag müssten nach derselben Logik die Schuldenbremse abschaffen und in Klimaanpassung investieren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Weder ist klar woher der "grüne" Wasserstoff kommen kann oder wird noch ist klar, wer ihn verbrauchen wird oder kann und ob das Ganze überhaupt bezahlbar ist. Doch das Wasserstoffnetz muss schon mal gebaut werden.



    Die Vorgehensweise ist so, wie wenn man eine Wärmepumpe auf einem Bauplatz schon mal installiert bevor man weiß ob es hier einen Stromanschluss geben wird und ob das Haus überhaupt gebaut werden wird.

  • Um das Gas-Netz wirtschaftlich zu betreiben, reicht der in Deutschland produzierte Wasserstoff bei weitem nicht aus. Also muss H2 importiert werden, und zwar als Verbindung, ein giftiges (Totenkopf!) Gas Ammoniak (NH3), verflüssigt auf -33 °C gekühlt. Dafür kann man die LNG-Tanker verwenden, tragfähig für 100.000 Tonnen, und auch die LNG Terminals, z.B. das in Brunsbüttel. Dort wird das NH3 in gigantischen Tanks gelagert, nach Bedarf in Stickstoff und H2 zersetzt, und letzterer in das Netz eingespeist. Die Pläne sind aus dem Stadium Schublade längst hinaus, die Genehmigung für ein Terminal in Hamburg ist bei der Umweltbehörde beantragt. Der Senat von Hamburg hypt sich schon als Wasserstoff-Hauptstadt.



    Bei solchen Projekten klappt nie alles 100%ig, z.B. wenn namibische Bedenkenträger mit den alten Kolonialgeschichten kommen. Oder die Bundesregierung übersehen hat, einen wichtigen Politiker zu be(stechen)teiligen. Was dann? Dann kann man das ausgebaute Gasnetz mit noch mehr LNG füllen, und es noch billiger an die Industrie verkaufen. Höhle der Löwen, seid ihr dabei?

  • Wieviel Wasserstoff könnte man einsparen wenn man die Anzahl der Autos auf 15% reduzieren würde (einhergehend mit einem Ausbau der Bahn natürlich)? In der Herstellung von Autos wird nämlich ziemlich viel Energie versenkt - Stahl und Aluminium wollen hergestellt werden. Und man braucht eine Menge davon wenn die Auto so sinnlos groß und schwer sind, wie sie es bei uns sind. Und es geht ja darum, Stahl etc. mit H2 herzustellen statt mit Kohle, oder?

    Energiesparen ist das Gebot!

    Wenigstens haben wir jetzt aber Rohre, in denen unsere Kinder spielen können solange wir den Wasserstoff dafür nicht haben. Auch was Schönes.

  • "Für etwa 60 Prozent des Netzes werden bisherige Erdgasleitungen umgewidmet."



    Aha, deswegen die Wärmepumpen: Damit Gasnetzkapazitäten für Wasserstoff frei werden!



    Außerdem: Ist Habeck klar, dass Wasserstoff nur ca. 30 % der volumetrischen Energiedichte von Erdgas hat? Dass daher nur ca. ein Drittel der Leistung durch die Röhren geht?



    Am Ende werden sich aller Voraussicht nach zu unserem maroden Schienennetz noch ein marodes Gasnetz und ein marodes Gasnetz gesellen...

    • @sollndas:

      Sorry. Am Ende war "...marodes Gasnetz und marodes Stromnetz..." gemeint.

  • H2 wird mit viel Strom erzeugt. Ist der Strom nicht grün, ist es der H2 auch nicht. Der meiste H2 muss importiert werden. Schiffe brauchen Diesel und sind aus Rohstoffen, Pipelines auch. Für grünen H2 wird darüber hinaus Süßwasser oder entsalztes Meerwasser gebraucht. Wasserkrise? Leitungen und Schiffe müssen so dicht sein, dass die winzigen Moleküle nicht hinaus können. Wird der Wasserstoff zum Transport in Ammoniak umgewandelt, kostet das wieder Energie. Für die Erzeugung und den Transport über Land und zur See werden unersetzliche Rohstoffe gebunden, CO2 emittiert und Energie benötigt. Das Ziel war doch, die CO2-Emissionen zu reduzieren und saubere Energie zu ERZEUGEN, oder? Bleibt unter dem Strich davon etwas übrig?



    Oder war das Ziel, ein Wirtschaftswachstum zu stimulieren, koste es ökologisch, was es wolle, weltweit?



    Energie sparen senkt Emissionen. Emissionen müssen sinken, und zwar schnell. Die Wasserstoffökonomie ist ein Luftschloss. Diese Idee ist weder schnell genug noch kostendeckend skalierbar.



    Die Verantwortlichen wissen das längst, weil sie rechnen können.



    Erinnert sich noch jemand an Desertec? Eben.



    Degrowth.

  • Wasserstoffleitungen bauen ohne zu wissen wo selbiger herkommen soll. "Importiert", aha, und von wo bitte sehr? Aus Norwegen als "grauer", also aus Erdgas hergestellter Wasserstoff etwa? Das ist doch Selbstbetrug, für den man aiuch noch viel Geld ausgibt.

    Das Ganze erinnert ein wenig an primitive Magie, wo man versucht durch Beschwörungen und Opfer die Götter dazu zu bewegen, einem zu helfen. Das allerletzte Mittel sozusagen.

  • Ich würde ja erstmal sehen, wo wir grünen Wasserstoff in welchen Mengen herbekommen und dann gemäß Angebot und Nachfrage das Netz ausbauen.

    • @Axel Schäfer:

      Genau das Problem gibt es doch bei der e Mobilität. Die Ladeinfrastruktur kam zu spät.