Hochwasserkosten: Weiter Diskussion um Schuldenbremse
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fordert, die Schuldenbremse wegen des Hochwassers zu lockern. Auch Grüne und Finanzexperten fordern diesen Schritt.
Hintergrund ist die bedrohliche Hochwasserlage in mehreren Bundesländern. Mützenich sagte, es gehe nicht „um eine Rechenaufgabe, sondern auch um den politischen Willen, deutlich zu machen, dass der Bund bereit ist, sich an der Schadensbewältigung zu beteiligen“. Schon am Mittwoch hatten verschiedene SPD-Politiker gefordert, die Schuldenbremse auszusetzen.
Mützenich sagte weiter, die bereits zugesagten Hilfen für das Ahrtal, die militärische Unterstützung, aber auch die humanitäre Hilfe und die Mittel für den Wiederaufbau der Ukraine müssten über Kredite finanziert werden, die nicht unter die Schuldenbremse fallen. Zumal Deutschland im Sommer 2024 Gastgeber einer Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine sei.
Im Falle des Hochwassers sei absehbar, dass die zusätzlichen Mittel für Schadensausgleich, THW und Katastrophenschutz, Deichsanierung, aber auch die Ausweisung neuer Retentionsflächen Länder und Kommunen finanziell überfordern würden.
Auch Wirtschaftsexperte für Aussetzen der Bremse
Die FDP sei „informiert, dass wir die Hochwasserhilfen in die aktuellen Haushaltsgespräche einbringen wollen“. Er rate zu „einer politisch klaren, vor allem solidarischen Haltung. Lieb gewonnene Glaubenssätze werden in extremen Zeiten zu einer Last.“ Eine von SPD und Grünen ins Spiel gebrachte Reform der Schuldenbremse lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) ab. Er pocht auf einen harten Sparkurs in diesem Jahr.
Auch die Grünen im Bundestag sehen wegen der Hochwasserlage ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse als Option. „Die Schäden sind immens und die Menschen in den betroffenen Regionen werden sich auf unsere Unterstützung verlassen können“, sagte der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler der Rheinischen Post.
Dafür werde man auch im Bundeshaushalt 2024 Vorsorge treffen müssen. „Angesichts dessen bleibt die Erklärung der Notlage für das Jahr 2024 durch den Haushaltsgesetzgeber selbstverständlich eine Option“, sagte Kindler. Das habe das Bundesverfassungsgericht auch für Naturkatastrophen wie die im Ahrtal und jetzt in Norddeutschland ausdrücklich zugelassen.
Für eine Aussetzung der Schuldenbremse macht sich auch der Ökonom Marcel Fratzscher stark. „Die Hochwasserkatastrophe in Teilen Deutschlands wird wohl eine Ausnahme von der Schuldenbremse, sowohl für den Bund als auch für das Land Niedersachsen, notwendig machen“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dem Tagesspiegel. Er rechne mit Kosten in Milliardenhöhe. Dieser Betrag könne nicht aus den laufenden Haushalten gedeckt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?