Hochwasser in Südbrasilien: Flutgrund Flughafen
Schwere Überschwemmungen zerstörten im Mai Teile Südbrasiliens. Das deutsche Unternehmen Fraport könnte dabei eine brisante Rolle spielen.
Während die Wiederaufbauarbeiten laufen, hat die politische Debatte an Fahrt gewonnen. Matheus Gomes veröffentlichte kürzlich brisante Dokumente, die darauf hinweisen sollen, dass Bauarbeiten am Flughafen möglicherweise das Hochwassersystem der Stadt geschwächt haben. Das könnte zur Verschlimmerung der Flutkatastrophe beigetragen haben.
Besonders brisant: Der Internationale Flughafen von Porto Alegre wird von einem deutschen Unternehmen, der Fraport AG betrieben. Inzwischen hat auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
Im Mai verursachten starke Regenfälle verheerende Überschwemmungen in Südbrasilien, eine der schwersten Klimakatastrophen in der Geschichte des Landes. Dabei kamen 160 Menschen ums Leben, und Hunderttausende wurden vorübergehend obdachlos. Expert*innen schätzen, dass der vollständige Wiederaufbau mehr als zehn Jahre dauern wird.
Verletzte Fraport in Porto Alegre Sicherheitsvorschriften?
Gomes und seine Mitarbeiter*innen hatten Zugang zu einer Vielzahl von Dokumenten, darunter städtebauliche Studien, Berichte von Ingenieur*innen sowie Korrespondenzen zwischen Fraport und der Stadtverwaltung von Porto Alegre. Die 1400 Seiten sollen belegen, dass die Erweiterungsarbeiten des Flughafens gegen Sicherheitsvorschriften verstießen.
Ein ursprüngliches Bauprojekt sah Maßnahmen vor, um eine Überlastung des Entwässerungssystems bei Regenfällen zu vermeiden. Das soll Fraport jedoch ignoriert haben. „Um die Kosten zu senken und die Arbeiten schneller abzuwickeln, konstruierte Fraport ein paralleles Entwässerungssystem“, kritisiert Gomes. Diese Änderungen sollen das städtische Hochwassersystem überlastet haben und könnten zu den verheerenden Überschwemmungen beigetragen haben. Der Flughafen Salgado Filho in Porto Alegre befindet sich in unmittelbarer Nähe von zwei Flüssen.
Matheus Gomes, Lokalpolitiker in Rio Grande do Sul
Fraport widerspricht den Vorwürfen. „Als Teil der Investitionsmaßnahmen investierte Fraport rund 170 Millionen brasilianische Real (28,7 Millionen Euro) in ein hochmodernes Entwässerungssystem, das den städtischen Entwässerungsstandards entspricht und regelmäßig von den zuständigen Behörden überprüft wird“, erklärte die Pressesprecherin Fraports der taz.
Das Entwässerungssystem sei so konzipiert worden, dass es nicht allein die Niederschläge vom Flughafengelände aufnimmt, sondern auch Niederschläge der angrenzenden Gemeinden. „Die Realisierung durch Fraport hat dazu geführt, dass nicht nur der Flughafen, sondern auch die benachbarten Viertel von Überschwemmungen bis zum Jahrhunderthochwasser im Mai 2024 verschont blieben.“
Mehrere Überschwemmungen in Flughafennähe
Das sieht der Abgeordnete Gomes anders. Bereits vor dem Hochwasser im Mai habe es immer wieder Überschwemmungen in armen Gemeinden rund um den Flughafen gegeben, wofür er die mangelhaften Erweiterungsarbeiten am Flughafen verantwortlich macht. Fraport erklärte, alle Bauarbeiten seien durch die zuständigen Behörden „ordnungsgemäß genehmigt“ worden. Laut Gomes zeigten die von ihm analysierten Dokumente allerdings, dass der Flughafenbetreiber Kontrollen durch die Behörden verhindert habe.
Politiker Gomes nimmt auch die Stadtverwaltung in die Verantwortung. Sie habe – trotz Bedenken von Expert*innen und offensichtlichen Mängeln des Systems – die Bauarbeiten nicht gestoppt. „Die Stadtverwaltung entschied sich dafür, sich unterzuordnen und die Bedingungen Fraports zu akzeptieren.“
2017 erhielt die Fraport AG den Zuschlag für den Konzessionsvertrag für den Flughafen von Porto Alegre, kurze Zeit später begann eine 25-jährige Konzessionslaufzeit durch Fraport Brasil, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der deutschen Fraport AG. Das börsennotierte Unternehmen stand auch schon in der Vergangenheit in der Kritik.
Für den Ausbau der Landebahn wurden zwischen 2019 und 2020 rund 1300 Familien aus der armen, direkt an den Flughafen grenzenden Gemeinde Vila Nazaré geräumt. Die Umsiedlung der Bewohner*innen war stark umstritten und führte zu Protesten und rechtlichen Auseinandersetzungen.
Porto Alegre: Streit um Wiedereröffnung des Flughafens
In der jüngsten Debatte ist auch die Wiedereröffnung des Flughafens ein Streitpunkt. Einige Flüge werden zwar vom Militärflughafen und Flughäfen in anderen Teilen des Bundesstaates abgewickelt, aber der Hauptflughafen in Porto Alegre bleibt weiterhin geschlossen. Dies führt zu ökonomischen Schäden in Milliardenhöhe, Einbußen im Tourismus und Verzögerungen bei der Frachtzustellung. Laut Presseberichten forderte Fraport Geld vom brasilianischen Staat, um den Betrieb wiederaufzunehmen.
Am 16. Juli erklärte Fraport überraschend, den Flughafen bald wiederzueröffnen und für die Kosten aufzukommen. „Es ist ein Sieg, dass öffentliches Geld nicht in die Taschen der Deutschen wandert“, erklärte Lokalpolitiker Matheus Gomes auf X. „Nun werden wir dafür kämpfen, dass Fraport auch für die Schäden aufkommt, die durch die unverantwortlichen Bauarbeiten entstanden sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit