piwik no script img

Hochstufung der AfD BrandenburgRechte Aufräumerin

Brandenburgs Innenministerin begründet die Entlassung ihres Verfassungsschutzchefs: Dieser habe sie erst verzögert über die Hochstufung der Landes-AfD informiert.

Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD) Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin dpa/taz | Der brandenburgische Verfassungsschutz hat die Landes-AfD bereits im April vom Verdachtsfall zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Ohne Wissen von SPD-Innenministerin Katrin Lange. Sagt zumindest Katrin Lange.

Sie habe von der vorgenommenen Neubewertung des Verfassungsschutzes am 14. April erst Wochen später erfahren, erklärte Lange am Mittwoch in Potsdam. Konkret sei ihr der Einstufungsvermerk vor zwei Tagen zugegangen. Im Innenausschuss des Landtags in Potsdam kritisierte Lange in dem Zusammenhang vor allem den bisherigen Brandenburger Verfassungsschutzchef Jörg Müller.

Die Ministerin in der Landesregierung aus SPD und BSW hatte Müller am Dienstag kurzerhand gefeuert. Nun legte sie nach: Die Bewertung hätte ihr unverzüglich zur Verfügung gestellt werden müssen. Schon zuvor hatte Lange mitgeteilt: „Das notwendige Vertrauen für eine gemeinsame weitere Zusammenarbeit ist nicht mehr gegeben.“

Der 52 Jahre alte Diplom-Verwaltungswirt Müller arbeitete lange im Potsdamer Innenressort. Seit 2020 stand er an der Spitze der Verfassungsschutzabteilung. Der politische Beamte war von Langes Vorgänger, dem damaligen CDU-Innenminister Michael Stübgen, ernannt worden. Nach über fünf Jahren soll Müller jetzt in den einstweiligen Ruhestand abgeschoben werden. Müller erklärte dazu: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Daran, dass er die AfD für rechtsextrem hält, ließ er nie einen Zweifel.

SPD-Innenministerin gegen AfD-Verbot

Am vergangenen Freitag hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gesamt-AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Anders als etwa die Spitzen der Berliner SPD, die ein Verbotsverfahren spätestens jetzt für „unausweichlich“ halten, hatte die Brandenburger Genossin Lange wenig energisch auf die Entscheidung reagiert.

Die AfD müsse durch eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung und nicht auf juristischem Weg bekämpft werden, forderte die Innenministerin. Auch den Zeitpunkt der Bekanntgabe der AfD-Einstufung wenige Tage vor der Bildung der neuen Bundesregierung kritisierte sie. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD lehnt Lange ohnehin ab.

Lange gehört innerhalb der märkischen SPD klar zum rechten Parteiflügel. Als Finanzministerin in der rot-schwarz-grünen Vorgängerregierung hatte sie mit Beharrlichkeit die Russland-Sanktionen kritisiert – und sich insbesondere auf die Grünen eingeschossen.

In der seit Dezember amtierenden neuen Regierung mit dem BSW ist Lange dafür zuständig, eine harte Linie in der Innenpolitik durchzudrücken. Das heißt laut Koalitionsvertrag vor allem eines: deutlich mehr Abschiebungen. Im Landtag erhält sie dafür öfter Applaus von der AfD, die in Brandenburg die zweitstärkste Fraktion stellt.

Konkrete Hochstufungspläne seit 2024

Schon im November vergangenen Jahres soll es im Verfassungsschutz Brandenburg konkrete Pläne gegeben haben, die AfD hochzustufen. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl und dem Eindruck einer Einflussnahme der Politik sei dies gestoppt worden, hieß es damals.

Zur jetzt tatsächlich vorgenommenen Neueinstufung des Landesverbands durch den eigenen Verfassungsschutz gab Katrin Lange lediglich zu Protokoll, dass sie seit dem 5. Mai noch nicht die Zeit hatte, den entsprechenden Vermerk zu lesen und sich damit auseinanderzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Was stimmt mit der Genossin nicht? Ist ihr der AgD-Applaus zu Kopfe gestiegen? Ihr Argument der inhaltlichen Auseinandersetzung klingt recht naiv.

  • "... Die AfD müsse durch eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung und nicht auf juristischem Weg bekämpft werden, forderte die Innenministerin. ..."



    Wer Inhalt bei der AgD findet bitte melden. Die wollen sich doch nicht über Inhalte auseinandersetzen, die wollen die Demokratie untergraben und abschaffen.

  • Die Frau hätte ich jetzt eigentlich im BSW-Teil dieser Landesregierung verortet. Und nicht geglaubt, daß sie sich vor dem Antritt ihres derzeitigen Amtes schon mal in Brandenburg aufgehalten hätte, geschweige denn mit den dortigen politischen Akteuren "auseinandergesetzt". Da gab es mal einen Herrn namens Kalbitz (zum Beispiel): www.rbb-online.de/...-pfingstlager.html

    Wenn sie die Begründung der Hochstufung nicht wichtig oder interessant genug fand, um sie wenigstens jetzt einmal zur Hand zu nehmen, aus welchem Grund erfolgte dann die Entlassung tatsächlich? Und weshalb ist sie - bei ihrer Arbeitsweise - nun immer noch so sicher, die Informationen darüber nicht doch schon vor zwei Wochen erhalten zu haben? Man hat sie ja anscheinend nicht zwingen können, ins Postfach bzw. in die Vorlagemappe zu schauen und das Zeugs dort dann auch noch zur Kenntnis zu nehmen.

  • Naja, für rund 15.000 € Steuergeld im Monat kann man schon mal was übersehen. (Ironie off)

  • Man sollte der Ministerin dankbar sein.



    Wer bisher noch Illusionen über die angebliche Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes hatte, sollte durch diese Aktion endlich klar sehen.

    • @Don Geraldo:

      In Brandenburg ist der Landes-VS keine eigenständige Behörde sondern dem Innenministerium unterstellt. Bin ich durch Zufall bei nem Artikel über die Causa Jörg Müller draufgestoßen.



      Was allerdings von einer deutschen SPD(!)-Politikerin zu halten ist, die offen einen Yggdrasil-Kettenanhänger trägt, ähm, äh,...

  • Frau Lange hatte seite dem 05.05. keine Zeit, den Vermerk zu lesen? Und sie hat von der Hochstufung nichts mitbekommen?



    Da stimmen wohl die Prioritäten nicht.



    Zur "inhaltlichen Auseinandersetzung" mit der AfD: völlig sinnlos! Jeglicher Inhalt perlt an den AnhängerInnen der AfD ab.

    • @Aurego:

      Im Übrigen sind das zwei völlig unterschiedliche Dinge. Bei einem AfD-Verbot geht es darum, die Partei daran zu hindern, ihre Ziele umzusetzen. Dass ihre Anhänger danach weiterhin von ihren Zielen träumen, mag ja sein. Der (womöglich untaugliche) Versuch, sie von ihren Vorstellungen abzubringen, ist ja ein hehres Ziel, hat jedoch eine wesentlich geringere Priorität als sie an der Umsetzung dieser Ziele zu hindern.

      • @PeterArt:

        Das Problem ist, dass einige Leute immer noch der irrigen Ansicht sind, man könne Menschen mit verfestigten Meinungen durch gute Argumente zum Umdenken bewegen. Leider wurde das schon zu oft widerlegt, sogar in der Wissenschaft. Dort heißt es sinngemäß: Neue Meinungen setzen sich nicht durch, weil die Vertreter der alten Meinungen umdenken, sondern weil sie aussterben.



        Ein AfD-Verbot wäre sinnvoll, weil dann jeder weiß, dass es eine Grenze gibt, die man nicht überschreiten darf, ohne reale Konsequenzen zu erfahren.

  • "Auch den Zeitpunkt der Bekanntgabe der AfD-Einstufung wenige Tage vor der Bildung der neuen Bundesregierung kritisierte sie."



    Für rechte SPDler scheint es nie einen richtigen Zeitpunkt zu geben. Vor der Wahl geht nicht, weil es nach Wahlbeeinflussung aussehen könnte. Nach der Wahl ist aber auch doof, weil da ja der Koalitionsvertrag zu verhandeln ist. Nancy Faeser hat das ganze ja schon so lange wie möglich herausgezögert und den letzten Zeitpunkt gewählt, bis das Gutachten von Dobrint in den Giftschrank verbannt worden wäre. Das Motto für diese Leute gibt Scholz vor: Besonnen ins Verderben

  • Ich höre zum ersten Mal in meinem Leben, dass die SPD einen „Rechten Flügel“ hat…links oder konservativ ja, aber rechts?

    MMn sollte sie entlassen werden.

    • @TaAl:

      Es gibt den "Seeheimer Kreis", ein Zusammenschluss konservativer und wirtschaftsnaher SPD-Parteimitglieder.

      • @Tenderloin:

        Ja, seit 1974. Mit "rechts" hat der Vorschreiber aber was anderes gemeint (so glaube ich ihn zumindest in dem Zusammenhang hier verstanden zu haben).

    • @TaAl:

      Ich habe noch nie die Bezeichnung „Konservativer SPD-Flügel“ gehört. Selbst in der KPD gab es „Linksabweichler“ und „Rechtsabweichler“.

      Zum Thema: Man sieht immer wieder, dass es überhaupt keine Unions-Innenminister bräuchte, wenn man nur genug Sozen aufstellt für den Job. Grote, Spranger, Geisel, Mäurer, Lange…

    • @TaAl:

      Die Umweltministerin in Brandenburg ist m.E. mit ihrem schließwütigen FDP - Staatssekretär auch nicht so richtig auf einer SPD - Linie. Der sägt lieber am Schutz von Biber und Co. und kommt damit der rechten Welle gegen Mensch und Natur sehr entgegen. Wo bleibt da das eigentliche und eigene Profil der SPD?

      • @Axel Donning:

        Wer ist Biber?

        • @PeterArt:

          Heinrich Ignaz Franz Biber, Komponist, 1644-1704.



          Jetzt stellt sich die nächste Frage: Wer ist Co.?

  • Was soll dieses Muster bewirken, woher diese Intention, die politische gegen die rechtliche Bekämpfung der AfD aufzustellen. Verbotsantrag wegen Verfassungsfeindlichkeit UND inhaltliche Anti-AfD-Politik Eines geht nicht ohne und schon gar nicht gegen das Andere. Qui bono?

    • @humusaufbau:

      Es heißt "Cui bono?"!